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Kultusministerkonferenz
Helmut Holter - der Neue aus Thüringen

Die Kultusministerkonferenz soll die Bildungspolitik der Länder koordinieren. Zum 70. Geburtstag steht nun der jährliche Wechsel an der Spitze an. In diesem Jahr trifft es Thüringen und damit einen linken Politiker, der eigentlich noch dabei ist, sich in sein Amt als Minister einzuarbeiten.

Von Henry Bernhard | 15.01.2018
    Thüringens Minister für Bildung, Jugend und Sport, Helmut Holter (Die Linke)
    Weil er aus der SED komme, wolle er das Amt auch nutzen, um zu zeigen, dass man vor der heutigen Linken keine Angst mehr zu haben brauche (dpa-Zentralbild)
    "Und … Ja, ich bin der Kinderminister! Ich rede hier für das Wohl der Kinder, meine Damen und Herren! Das hat überhaupt nichts mit Lebensfremdheit zu tun! Das hat mit stringenter Politik für Kinder und Familien in Thüringen zu tun!"
    So ganz ist er noch nicht raus aus seiner Rolle als Fraktionsvorsitzender. Helmut Holter, seit August letzten Jahres Bildungsminister in Thüringen, kann sich im Landtag noch deftig erregen. Dabei war Bildungspolitik nie sein Thema.
    "Wenn es um Qualifikationen geht: Ich war zehn Jahre Landesvorsitzender der PDS und dann der Linken in Meck-Pomm und acht Jahre im Kabinett bei Harald Ringstorff, und habe auch mehrere Jahre die Fraktion im Landtag geführt. In dem Sinne war ich natürlich auch immer Generalist und musste mich mit bildungspolitischen Fragen auseinandersetzen."
    Viel Positives
    Holter hat das Amt als Bildungsminister in Thüringen also mit Selbstbewusstsein übernommen, aber auch mit Respekt. Sowohl aus seinem Ministerium als auch bei der politischen Konkurrenz hört man viel Positives über ihn. Auch von Rolf Busch, Vorsitzender des Thüringer Lehrerverbandes.
    "Was mich ärgert, ist, wenn man einen Minister hat, der nicht vom Fach kommt, aber dann so tut, als ob er alles weiß. Und den Eindruck hatte ich bei ihm bislang nicht. Also, da fällt er positiv auf, dass er tatsächlich viel zuhört und auch sagt, 'So, wie ist das jetzt konkret?' Und dass er sich bemüht, das alles zu verstehen."
    "Ich schwimme mich frei"
    Nach nur fünf Monaten im Amt ist Holter nun turnusgemäß für ein Jahr Vorsitzender der Kultusministerkonferenz. Keine leichte Aufgabe für einen, der sich noch einarbeitet.
    "Ach, es kommt, wie es kommt. Da schwimme ich mich frei, und das bekomme ich auch in den Griff. Da kommt meine berufliche Herkunft mir zugute."
    Holter ist studierter Betontechnologe und Gesellschaftswissenschaftler mit einem Abschluss der Parteihochschule der kommunistischen Partei der Sowjetunion in Moskau.
    "Ein systematisches Herangehen kommt mir zugute. Das Zweite ist, dass man analytisch an die Arbeit herangehen muss, aber dabei - das betrifft den Technologen wie den Gesellschaftswissenschaftler - das Große und Ganze nicht aus den Augen verlieren darf. Man kann sich sehr schnell ins Detail verlieren, aber als Chef, ob hier als Minister oder Präsident der KMK geht es ja darum, auf Basis des Detailwissens auch entsprechende Botschaften auszusenden."
    Bei der Sprache gegensteuern
    In der KMK will er sich für ein stärkeres Engagement des Bundes in der Bildungsfinanzierung einsetzen - am besten, indem das Kooperationsverbot mit den Ländern aufgehoben wird. Wenn nicht, dann mit Vertragslösungen, wie bei der Digitalisierung oder zur Schulrenovierung. Ein Schwerpunkt seines Amts an der Spitze der KMK soll die Demokratiebildung sein.
    "Wir haben ja eine schräge Situation, die darin besteht, dass die Sprache verroht. Also, Sprache ist sexistischer geworden, sie ist gewaltbereiter geworden, sie ist auch - im Sinne von Fäkalsprache - enthemmter geworden. Und da muss man gegensteuern und auch den Kindern und Jugendlichen vermitteln, dass Demokratie ein hoher Wert ist, der muss aber auch täglich erlebt werden."
    Erreichen will Holter das unter anderem durch stärkere Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur in der DDR. Die komme an den Schulen noch zu kurz.
    "Damit tatsächlich Diktaturerfahrung und heutige Zeit zueinander kommen und daraus hoffentlich junge Leute auch Schlussfolgerungen ziehen für ihr eigenes Leben und für ihrer eigene -hoffentlich - politische Tätigkeit."
    Keine Angst vor Linken
    Gerade weil er aus der SED komme, wolle er das Amt auch nutzen, um zu zeigen, dass man vor der heutigen Linken keine Angst mehr zu haben brauche. Für Rolf Busch vom Lehrerverband ist es ein sehr wichtiges Thema.
    "Allerdings vermute ich, dass das überdeckt wird durch das eigentliche Problem, was man zum Schwerpunktthema hätte machen sollen, nämlich den Lehrermangel. Bundesweit werden Lehrer gesucht, findet man sie in den Fachkombinationen nicht mehr, für die Schularten nicht mehr, Seiteneinsteiger, Quereinsteiger werden diskutiert..."
    Auch aus Fachkreisen der SPD und der CDU kommt die Kritik, dass die Vergleichbarkeit der Noten und der Abschlüsse zwischen den Bundesländern dringend hergestellt werden müsse. Das Jahr wird also zeigen, ob Holter seine Themen durchsetzen kann oder ob die Sachzwänge ihn zu anderen Schwerpunkten drängen.