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Kundgebung vor türkischer Botschaft
Hunderte fordern Yücels Freilassung

Die Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel in der Türkei sorgt nicht nur in der Politik für Empörung. In mehr als zehn Städten protestierten Menschen mit Autokorsos gegen Yücels Inhaftierung; vor der türkischen Botschaft in Berlin gab es eine Kundgebung.

28.02.2017
    Bei einer Kundgebung vor der türkischen Botschaft wurde die Freilassung Yücels gefordert
    Bei einer Kundgebung vor der türkischen Botschaft wurde die Freilassung Yücels gefordert (dpa)
    "Keine Freiheit ohne Pressefreiheit", steht auf mehreren Plakaten, die gegenüber der türkischen Botschaft hochgehalten werden. Die Teilnehmer der Kundgebung tragen weiße T-Shirts mit einem Foto von Deniz Yücel und dem Schriftzug #FreeDeniz. Rund 300 Frauen und Männer, darunter viele Journalisten, fordern die Freilassung des Türkeikorrespondenten der Tageszeitung "Die Welt". Zu der Kundgebung hat die Bundestagsfraktion der Grünen aufgerufen. Parteivorsitzender Cem Özdemir attackiert den türkischen Staatspräsidenten Erdogan mit Ironie und Sarkasmus.
    "Für Herrn Erdogan ist es mittlerweile so, dass jeder, der nicht seiner Meinung ist, ein Terrorist ist. Es gibt Pressefreiheit in der Türkei; Pressefreiheit heißt allerdings, dass man ihn loben darf. Das ist die türkische Definition von Pressefreiheit. Wer ihm huldigt, darf schreiben, wer ihn kritisiert, wird verhaftet. Da kommt ein Rollkommando vorbei. Man wird zusammengeprügelt oder muss die Türkei verlassen."
    Nicht nur Symbolcharakter
    Deniz Yücel darf die Türkei nicht verlassen. Die Teilnehmer der Kundgebung fordern seine Freilassung und bezeichnen die Terrorismus-Vorwürfe gegen ihn als absurd. Deniz Yücel habe nur seine Arbeit als Korrespondent getan, sagen die Teilnehmer. Journalismus sei kein Terrorismus. Die Kundgebung unterstützt auch die Organisation Reporter ohne Grenzen. Deren Geschäftsführer Christian Mihr ist überzeugt davon, dass eine Veranstaltung mit 300 Menschen nicht nur einen Symbolcharakter habe.
    "Wir leben in einer Mediengesellschaft. Es geht auch um Bilder, es geht um Öffentlichkeit. Wir produzieren hier Öffentlichkeit. Es ist schon ein Statement, wenn hier so viele Leute - und nicht nur Leute wie du und ich -, sondern auch Menschen, die sonst in der Öffentlichkeit stehen, auf die Straße gehen. Wir wissen schon, dass Öffentlichkeit Eindruck machen kann, und wir als Reporter ohne Grenzen schaffen Öffentlichkeit, leisten aber auch konkrete Hilfe. Ich finde, es muss immer beides einhergehen; das muss auch in der Politik so laufen. Es muss wichtig sein, dass man laut die Trommeln schlägt. Aber es ist auch wichtig, hinter den Kulissen zu reden."
    Keine Reaktion aus der Botschaft
    Mittlerweile wird aber nicht nur hinter den Kulissen, sondern öffentlich auf der großen politischen Bühne über den Fall Deniz Yücel gesprochen. Der Bundespräsident, die Kanzlerin und andere Regierungsmitglieder haben ihre Kritik am türkischen Umgang mit Deniz Yücel offen geäußert. Das Auswärtige Amt hat den türkischen Botschafter zum Gespräch gebeten. Diese politischen Schritte und die Solidarität von anderen Medienhäusern und Zeitungen empfindet der Chefredakteur der Zeitung Die Welt, Ulf Poschardt, als große Unterstützung. Die inhaltlichen Unterschiede seien im Moment kein Thema.
    "Diese tiefe Verbundenheit dadurch, dass man gemeinsam an unsere Grundwerte einer offenen, freien und liberalen Verfasstheit besteht, hat diese Differenzen eliminiert, wenn man konfrontiert ist mit einem Regierungssystem, das gerade dabei ist, sich von all dem zu verabschieden."
    Aus der türkischen Botschaft gab es keine Reaktionen auf die Kundgebung. Am Telefon sagte ein Sprecher, jeder Bürger habe das Recht, vor der türkischen Botschaft zu demonstrieren. Dieses Recht wünschen sich die Bürger in der Türkei auch.