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Journalistenprozess in der Türkei
Mesale Tolu unter Auflagen frei

Damit hatte niemand gerechnet: Überraschend ist die deutsche Journalistin Mesale Tolu aus der Untersuchungshaft in der Türkei entlassen worden. Ihr und 17 weiteren Angeklagten wurde Terrorpropaganda und die Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation vorgeworfen. Verlassen darf sie die Türkei aber nicht.

Von Christian Buttkereit | 18.12.2017
    Ein Mann demonstriert für die Freiheit von Mesale Tolu und allen politischen Gefangenen in der Türkei in Frankfurt am Main (Hessen) mit Fahnen an seinem Auto.
    Die deutsche Journalistin Mesale Tolu musste sich in der Türkei wegen Terrorpropaganda und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten (dpa / picture alliance / Andreas Arnold)
    Auf diesen Moment hatte Ali Riza Tolu auch schon im Oktober gewartet. Damals war die Enttäuschung groß, als seine Tochter Mesale im Gefängnis bleiben musste. Umso größer die Freude heute Mittag vor dem Justizpalast in Istanbul.
    "Ich bin jetzt ein glücklicher Mensch. Ich bin fast sprachlos und ich finde auch die Worte nicht so schnell. Ich gehe jetzt ins Gefängnis. Ich warte bis meine Tochter kommt. Ich hole meine Tochter. Ich will sie umarmen und ihr einen dicken Kuss geben und dann nachher nach Hause holen."
    Sechs der insgesamt 18 Angeklagten befanden sich noch in Untersuchungshaft. Die übrigen waren bereits am ersten Verhandlungstag frei gekommen. Dass Mesale Toul heute aus der Untersuchungshaft entlassen werden könnte, war die Hoffnung aller Prozessbeobachter. Tolus deutscher Anwalt Dieter Hummel war dann doch überrascht, wie schnell es am Ende doch ging.
    "Dass die Staatsanwaltschaft sofort nach Beginn der Verhandlung die Freilassung beantragt hat, damit hatten wir nicht gerechnet. Und dann gab’s noch Erklärungen der Verteidigung und dann gab’s die Entscheidung."
    "Die Freilassung ist erfreulich"
    Die besagt, dass Mesale Tolu das Frauengefängnis Bakirköy in Istanbul noch heute verlassen kann. Den Großteil ihrer knapp achtmonatigen Untersuchungshaft hatte die 33-jährige Ulmerin dort gemeinsam mit ihren inzwischen dreijährigen Sohn verbracht. Denn auch der Vater war inhaftiert. Dass er Ende November frei kam, sei ein erstes Indiz gewesen, dass es heute auch im Fall seiner Frau eine positive Entscheidung geben könnte, sagt Tolus Anwältin Kader Tonc:
    "Die Freilassung ist erfreulich. Wir haben damit gerechnet. Und trotzdem waren wir uns nicht ganz sicher, denn der Prozess ist von Anfang an sehr politisch verlaufen."
    Der Vorwurf der Terrorpropaganda sei ebenso aus der Luft gegriffen, wie die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung meint Tonc. Im Prozess bezweifelte sie heute auch die unterstellte Nähe zwischen der verbotenen Marxistisch-leninistischen Partei und der Nachrichtenplattform Etha, für die Tolu gearbeitet hat. Diese Themen dürften wieder ab dem 26. April eine Rolle spielen, wenn der Prozess fortgesetzt wird. Heute sei etwas anders wichtig, mein Anwalt Hummel:
    "Heute die Freilassung, das war ja nun das Wichtige, was sein musste. Der Prozess wird weitergehen – wie lange solche Prozesse auch immer dauern in der Türkei. Aber der ist noch lange nicht zu Ende, aber jetzt ist sie raus und das ist das Wichtige und sie kann sich in Freiheit bewegen."
    Ausreiseverbot und Meldeauflage anfechten
    Bis es soweit ist, darf Tolu die Türkei nicht verlassen und muss sich wöchentlich bei der Polizei melden. Ihre Anwältin will das anfechten.
    "Wir werden gegen das Ausreiseverbot und die Meldeauflage binnen der nächsten sieben Tage klagen."
    Nach der heutigen Entscheidung wurde Mesale Tolu erst einmal wieder ins Gefängnis gebracht, um ihre Sachen zu packen. Ihre Anwältin rechnet damit, dass sie am frühen Abend frei kommt.