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Kungelei und Vetternwirtschaft
Die Causa Selmayr im EU-Parlament

Im Eilverfahren wurde der deutsche Beamte Martin Selmayr im Februar auf den Posten des mächtigen Generalsekretärs der Kommission befördert. Das Personalverfahren löste fraktionsübergreifend Unmut aus – das hat eine Diskussion im Europaparlament gezeigt.

Von Bettina Klein | 13.03.2018
    European Commission President Jean-Claude Juncker's Chief of Cabinet Martin Selmayr arrives for an Eurogroup meeting at the European Council, in Brussels, on May 11, 2015. AFP PHOTO / JOHN THYS / AFP PHOTO / JOHN THYS
    Der gelernte Jurist Martin Selmayr war am 21. Februar zum Generalsekretär der EU-Kommission befördert worden (AFP)
    Kungelei, Vetternwirtschaft, ein schlechtes Vorbild und Wasser auf die Mühlen der EU-Gegner. Europa verliere an Glaubwürdigkeit mit solcher Art Personalentscheidungen - diese Argumente zogen sich durch nahezu alle Redebeiträge. Während die Kommission dabei bleibt: Mit der Art und Weise der Beförderung von Junckers Kabinettschef auf den Posten des Generalsekretärs hatte alles seine Ordnung und Richtigkeit. Es war am für Personal zuständigen Haushaltskommissar Günther Oettinger, die Entscheidung zu verteidigen:
    "Bei der Auswahl eines Generalsekretärs spielt weder Nationalität noch Zugehörigkeit zu einer Partei – sofern gegeben – eine Rolle. Einzig und allein die Befähigung. Es handelt sich um eine korrekte Auswahl nach den Regeln des Statuts."
    Leider konnten diese Worte das Parlament nicht zufriedenstellen.
    "Sie machen alles nur noch schlimmer, Herr Oettinger", erwiderte die niederländische Abgeordnete Sophia In't Veld von den Liberalen.
    "Sie führen uns hier des Kaisers neue Kleider vor, hier geht es nicht um Personalpolitik, sondern das mangelnde politische Urteilsvermögen dieser Kommission."
    "Wir leben in Zeiten von Brexit, in Zeiten in denen Populisten aller Coleur rund um die Uhr daran arbeiten, das Projekt Europa infrage zu stellen. Vorgänge wie die Beförderung des Herrn Selmayr, bei denen nach außen hin der Eindruck entsteht, das Regularien bis zum äußersten gedehnt werden um bestimmte Stellen mit bestimmten Personen zu besetzen, produzieren in den Augen der Bürger nicht nur Fragezeichen, nein, sie sind Wasser auf die Mühlen der Europakritiker und fordern Unverständnis und Ablehnung in der Bevölkerung."
    So der sozialdemokratische Abgeordnete Arndt Kohn.
    Giegold: Die Europäische Union macht sich angreifbar
    Die meisten Redner betonten, dass es nicht um die Qualifikation des neuen Generalsekretärs gehe. Der CDU-Abgeordnete Werner Langen übte trotzdem scharfe Kritik und sprach von Geheim-Bürokratie des 19. Jahrhunderts.
    "Ich habe keine Zweifel an der juristischen und wissenschaftlichen Qualifikation, ich habe aber Zweifel am Verfahren und an der fachlichen Eignung von Herrn Selmayr als Vorgesetzter von 33.000 Mitarbeitern. Herr Selmayr war bisher nur Kabinettschef von Luxemburger Kommissaren tätig, nicht als deutscher Beamter – für alle, die das Deutschland anschreiben wollen…"
    Sein Fraktionskollege Elmar Brok hatte in einer schriftlichen Erklärung Selmayr verteidigt und spricht von Scheingründen gegen einen loyalen Gemeinschaftseuropäer. Die Debatte war wesentlich von den Grünen mitangeschoben worden. Die Europäische Union macht sich angreifbar, begründete Sven Giegold die Position seiner Partei. Er fordert, dass auch Spitzenposten wie der des Generalsekretärs der Kommission in Zukunft ausgeschrieben werden.
    "Ziehen sie Konsequenzen aus diesem Skandal, nutzen sie die Ausnahmevorschriften von Transparenz und Offenheit des Verfahrens nicht länger, die das Beamtenstatut bietet! Alle Stellen, auch hier im Parlament, in der Kommission, müssen transparent ausgeschrieben werde. Die Entscheidungen gehören vorher auf die Tagesordnung der Gremien. Ziehen Sie bitte die Konsequenzen damit, das keine Wahlkampfhilfe für Populisten im Europa-Wahlkampf wird."