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Kunst in Köln
Jenseits der Art Cologne

Eine überbordende Fülle von Kunst ist während der Art-Cologne-Tage auf und jenseits der Messe ausgestellt. Die Kunst, so scheint es, ist der großen politischen und gesellschaftlichen Ansprüche müde. Sie feiert lieber wieder das Leben - und sich selbst.

Von Peter Backof | 19.04.2018
    Die 52. Art Cologne hat geöffnet
    Auch jenseits der Art Cologne hat Köln künstlerisch viel zu bieten, findet Peter Backof (dpa/ Oliver Berg)
    Köln, Deutz-Mülheimer Straße. Wenn man den auf der Art Cologne viel beachteten Teppich von Zuzanna Czebatul mal hinter sich lässt, sich von den Signalwörtern "Cash", "Speed" und "Mega" nicht beeindrucken lässt, die die polnische Künstlerin in Anspielung auf das Zockerparadies Las Vegas da hineingewebt hat, und sich vom Eingang Süd der Kölner Messe Richtung Norden wendet, entert man einen Quadratkilometer mit vielen Brachen und eingeschmissenen Fensterscheiben. Stadtplaner - und Investoren - sagen: Das wird noch!
    Junge Kunst im "Kunstwerk"
    Hier haben sich Kreative, Künstler und Gastronomen eingenistet. Unter anderem das "Kunstwerk". Ausstellungsmacher Markus Saile:
    "Das ist das größte Künstlerhaus Deutschlands, mit 80 Ateliers."
    Und hier wird am Begriff von Kunst gewerkelt, gesägt, gepixelt.
    "Es geht eigentlich darum, wie heute noch Intervention möglich ist: Wenn das Brechen der Erwartungshaltung eigentlich schon erwartet wird."
    Die x-te Performance im urbanen Raum, die gegen den normalen Verkehrsfluss gebürstet ist - da zeigen dann alle mit dem Finger darauf und sagen: Kunst!
    In der Gruppenschau "Fields of Codes" im Projektraum des Kunstwerks dagegen soll das allzu Klare vermieden werden. Sodass man nicht mehr weiß: Was ist echt, was artifiziell? Zum Beispiel in einer unheimlich atmosphärischen Videoarbeit von Sven Johne.
    Das Werk "Roses from Africa" des Künstlers Sven Johne in der Kunsthalle Tübingen
    Nicht in Köln zu sehen, aber auch von Sven Johne: Das Werk "Roses from Africa" in der Kunsthalle Tübingen (Franziska Kraufmann/dpa )
    Markus Saile: "So eine Geschichte von einer Aussteigerin, die ihrem Job-Büro-Alltag entfliehen möchte und in so ein Ornithologen-Projekt auf einer sonnigen Insel geht. Bei Sven Johne ist es immer zwischen Fakt und Fiktion, sodass man das Gefühl haben könnte, dass es authentisch sein könnte."
    Oder der Künstler-Teppich von Max Schaffer: Eine Skulptur von Henry Moore, in Rom, wird jeden Winter zur Konservierung verhüllt. Schaffer hat diese Planen ergattert und - es wirkt wie ein Wunder - darauf hat sich die Silhouette von "Hill Arcs" abgezeichnet. Eine echte Kunst-Reliquie oder so etwas wie die Aura der Kunst.
    Neue und nicht ganz so neue Kunst
    Büro-Atmosphäre, wieder ganz mit Teppich ausgelegt, findet man auf der Satellitenmesse "Cologne Biennial". Hier geht es darum: Was haben weltbekannte Künstler wie Sigmar Polke, Andreas Gursky oder Christo ins Werk gesetzt, als sie noch niemand kannte? Mal ohne Namens- und Preis-Etiketten darf die Kunst wirken, als wäre sie neu, und wird neuer junger Kunst gegenübergestellt: ein Wandteppich aus Pestwurz, der vor sich hin rottet. Oder: ein akribisches Protokoll sämtlicher Aktivitäten in sozialen Medien als Büro-Memo-Tafel. So sieht also ein Künstlerleben heute aus.
    Dies zu sehen im Linksrheinischen, in der Nähe der Ringstraße, wo es rund hundert Galeriefenster gibt. Der Begriff von Kunst franst vielerorts aus in Popkulturelle, so in der Galerie Delmes & Zander, wo einer der absoluten Hingucker der Art-Cologne-Tage prominiert:
    "'The Night Climbers of Cambridge', das sind Schwarz-Weiß-Fotografien, auf denen Studenten zu sehen sind, die nachts in Cambridge auf dem Campus heimlich die Häuser hochkletterten."
    Beschreibt Galeristin Susanne Zander. Und jetzt kommt der Clou: die Fotos sind von 1937. Fassaden-Klettern, Lifestyle- und Fun-Sport 1937?
    Susanne Zander: "Das ist der gleiche Geist, der gleiche Spirit. Sie sind eigentlich die Großväter des Urban Explorings. Deswegen werden wir in der Ausstellung auch Youtube-Filme zeigen, mit jungen Kletterern."
    Das Buch mit den Fotos aus den 30ern wurde in den jüngeren Jahren neu aufgelegt und ist Kult.
    Susanne Zander: "Es ist heute im übrigen wie eine Bibel für alle Kletterer und Roofer."
    Roofer sind die, die ganze Straßenzeilen lang über Dächer laufen. Gut, so ungewöhnlich muss es nicht sein. Aber wer sich in diesen Tagen keine Zeit nimmt für einen Kunst-Bummel, gerade auch über die Art Cologne hinaus, verpasst: Viel!