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Kunst-Musik-Label "Care of Editions"
Bezahle deine Fans

Streaming Dienste und digitale MP3-Shops trüben unser Verhältnis zu digitalen Konsumgütern. Der Künstler und Musiker Gary Schultz dreht den Spieß deshalb um. Nicht die Hörer zahlen ihm als Labelbetreiber von "Care of Editions" Geld für einen Download, sondern er bezahlt die Hörer. Performance-Kunst für die Musikindustrie.

Von Ina Plodroch | 15.09.2016
    Musiker Jib Kidder
    Musiker Jib Kidder. Auch seine Musik wird von dem Kunst-Label "Care of Editions" vertrieben. (Aaron Stern)
    Digitale Musik. Endlos verfügbar, niemals ausverkauft. Außer beim Berliner Label "Care of Editions". Der digitale Download von Jib Kidders Album "New Works For Realistic Mixer" scheitert. Downloads sind aktuell nicht verfügbar heißt es auf der Labelhomepage.
    "Wenn wir keine Schallplatten verkaufen, gibt es keine Downloads."
    Denn der Künstler und Musiker Gary Schultz hat sich ein ganz besonderes Konzept für sein Label "Care of Editions" überlegt: Er bezahlt seine Fans.
    "Die Idee, Leute zu bezahlen, ist eigentlich nur eine Ausrede. Es geht um diesen theatralen Moment, Downloads zu limitieren. Wir haben nur Downloads, wenn Vinyl-Schallplatten verkauft werden. Wenn man also ein Album herunterladen möchte, geben wir den Download nur frei, wenn wir das Geld aus den Vinylverkäufen haben, um den Fan zu bezahlen."
    "Negative Money" heißt diese Serie. Gary Schultz hat sechs Alben mit diesem hanebüchenen Wirtschaftsmodell verkauft. Oder besser gesagt: gekauft? Wenn er eine Vinyl verkauft hat, werden drei Downloads freigeschaltet. Die Fans bekommen dafür, ganz real per Post, einen Scheck. Mit dem können sie kaufen, was sie wollen.
    "Manche haben mir erzählt, dass sie sich die Schallplatte davon gekauft haben."
    Verfall und Abnutzung des Digitalen inszenieren
    Gary Schultz inszeniert den Kauf und Verkauf von Musik. Ihn interessiert, wie all die Musik zwischen extrem populären Hits und ellenlangen Experimental-Songs in der letzten Ecke des Internets konsumiert wird.
    "Ich wollte mir die Bedingungen, unter denen Musik heute entsteht und unter denen wir Musik hören, anschauen. Spotify oder iTunes, haben es geschafft, dass es attraktiver scheint, für Musik zu zahlen als sie umsonst zu suchen. Aber das heißt auch, dass die Möglichkeit, die Dateien zu teilen, den Nutzern vorenthalten wird. Ich möchte mit Care of Editions auch zeigen, was digitale Medien ausmacht."
    Eigentlich scheint so eine MP3 endlos verfügbar, eine limitierte Stückzahl wie bei einer Schallplatte scheint absurd. Mit Copy und Paste lässt sich die Musik zigfach vervielfachen und teilen. Doch Schultz will nicht dazu aufrufen, endlich wieder illegal digitale Dateien zu tauschen. Sondern inszeniert den Verfall und Abnutzung des Digitalen, die es ja eigentlich nicht gibt.
    "Die Homepage ist auch wie eine Partitur - die Leute interagieren damit und kennen Online-Shops und den 'Buy Now'-Button. Wir haben es nun so gemacht, dass die Website unseren aktuellen digitalen Bestand anzeigt. Immer wenn wir einen Download gekauft haben, wird die Website etwas kürzer. Das Album von Lucrecia Dalt kann man zum Beispiel kaum noch finden, man kann es anklicken, aber nichts erscheint."
    Weil teilen zur digitalen Natur gehört
    Ein Musiklabel als Kunstperformance. Bei der nach vier Jahren - eine Ewigkeit im Digitalen Zeitalter - die Frage auftaucht:
    "Warum soll ich das Album denn überhaupt herunterladen? Es verschwendet doch nur Speicherplatz. Ich will es einfach nur streamen. Darüber habe ich nachgedacht und es hat mich zu meinem nächsten Geschäftsmodell gebracht."
    Sein nächstes Projekt im Rahmen von Care of Editions heißt deshalb "Never Ending Forever Music" - wieder so ein künstlerisches Geschäftsmodell. Eine Streamingplattform einfach nur für "Care Of Editions".
    "Wir bieten Abos an, die man lokal teilen kann. Wenn man also den Katalog von 'Care of Editions' einige Wochen streamen will, kann man dieses Abo mit Leuten in seiner Nachbarschaft teilen."
    Weil teilen zur digitalen Natur gehört