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Kunstbiennale Bienal Sur
Global gedacht, vom Süden ausgehend

Die Bienal Sur findet in 16 Ländern und an mehr als 80 Schauplätzen statt: Die Initiatoren dieser Kunstbiennale wollen, dass Kunst mehr zu den Menschen gelangt - und setzen dabei auch auf künstlerische Grenzgänger.

Von Victoria Eglau | 24.09.2017
    Ungewöhnliche Klänge bei der Bienal Sur in Buenos Aires: Das Orchester der Universität UNTREF kombiniert indigene Instrumente und digitale Sounds. Genauso innovativ wie diese Musik ist der Ansatz der neuen Kunstbiennale des Südens: Nicht an einem Ort mit einem Kurator findet sie statt, sondern in 16 Ländern an mehr als 80 Schauplätzen: Öffentliche Plätze und Gebäude, Bahnhöfe oder Grenzübergänge.
    So findet an der Grenze zwischen Kolumbien und Venezuela, die Präsident Nicolás Maduro 2015 einseitig schloss, das Projekt Juntos Aparte, auf Deutsch etwa "Zusammen und jeder für sich", statt. Arbeiten von Künstlern von beiden Seiten der Grenze und aus anderen Ländern zum Thema globale Migration werden in der kolumbianischen Stadt Cúcuta gezeigt. Aníbal Jozami, Leiter der Bienal Sur:
    "Nach unserem Verständnis hat Kunst eine soziale und politische Funktion. Wir sehen die Biennale als Instrument der regionalen Integration – Integration durch Kunst und Kultur. Aber es geht nicht nur um praktische Grenzüberschreitungen, sondern auch um die Überwindung symbolischer Grenzen: Die Kunst soll zu mehr Menschen gelangen."
    Die elitäre Welt von Museen verlassen
    Will heißen, sie soll die oft elitäre Welt von Museen und Kunstmessen verlassen. Bei der Bienal Sur sind bekannte und weniger bekannte Namen vertreten: Die Installationskünstler Christian Boltanski aus Frankreich und Pedro Cabrita Reis aus Portugal gehören zweifellos zu den Stars.
    Der Brasilianer Eduardo Srur präsentiert sein Skulpturenprojekt PETS. Auf argentinischen Gewässern lässt er monumentale bunte Plastikflaschen treiben. Schüler aus den heruntergekommenen Vierteln am verschmutzten Riachuelo-Fluss in Buenos Aires können sie mit ihren Zeichnungen und Botschaften füllen. Mülllawinen, Umweltzerstörung - Eduardo Srur schafft mit seinen PET-Flaschen ein Bewusstsein dafür, doch es geht ihm um noch mehr:
    "Mein Werk spielt nicht nur auf recycelbares Material an. Ich will erreichen, dass die Betrachter ihre Ideen, ihre Weltsicht recyceln. Und es geht um ein Recyceln der Funktion von Kunst. Zu meinem künstlerischen Schaffen sollen die Leute Zugang haben."
    Auch der iranisch-französische Fotokünstler Reza Deghati bezieht Menschen in seine Arbeit ein. Wie zuvor in Kriegsgebieten und Flüchtlingslagern hat Reza in Buenos Aires Workshops für Jugendliche aus Armenvierteln abgehalten. Die beeindruckenden Fotos der Teilnehmer werden nun auf der Plaza San Martín in der Innenstadt gezeigt.
    "Ich habe den Jugendlichen beigebracht, sich umzuschauen, mithilfe von Fotos ihre Geschichte zu erzählen. Kunst, Fotografie können das Denken von Menschen verändern. Und diese Menschen werden dann die Welt verändern."
    Grenzgänger wie der Fotograf Reza passen perfekt in das Konzept der Bienal Sur, die sich unter anderem auch vorgenommen hat, die Grenzen zwischen den lokalen Kunstszenen durchlässiger zu machen. Biennale-Präsident Aníbal Jozami:
    "Wir wollen die südamerikanische Kunst aus dem Getto holen, in das sie oft gesteckt wird. Unser Denken ist global, aber es geht bei dieser Biennale vom Süden aus."
    In einem Kulturzentrum auf dem Gelände des einstigen Diktaturgefängnisses ESMA in Buenos Aires zeigt Voluspa Jarpa ihre Installation, die sich mit US-Geheimdienstoperationen in Lateinamerika beschäftigt. Bereits in früheren Werken hatte die Chilenin deklassifizierte CIA-Dokumente aus der Zeit des Kalten Kriegs künstlerisch verarbeitet.
    "Meiner Ansicht nach zeigen die Geheimdienstakten vor allem eins: Die bis heute schwach ausgeprägte politische und wirtschaftliche Souveränität der Staaten Lateinamerikas."
    In künstlerischer Hinsicht jedenfalls zeigt sich Südamerika mit seiner ersten Bienal Sur souverän und selbstbewusst.