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Kunstherz ohne Puls

Am US-amerikanischen Texas Heart Institute ist zum ersten Mal einem Patienten ein Kunstherz eingesetzt worden, das nach einem pulslosen Herzpumpen-Prinzip funktioniert. Solche Pumpen wurden bislang nur als äußere Herzunterstützungssysteme verwendet, die ein vorhandenes, aber krankes Herz entlasten.

Von Thekla Jahn | 20.07.2011
    "Manchmal, wenn man von Experimenten übergeht zum Einsatz beim Patienten, dann erlebt man Überraschungen. Aber in diesem Fall funktionierte technisch alles so, wie wir es vorausgesagt hatten. Alles verlief bestens","

    sagt Bud Frazier, Herzspezialist am Texas Heart Institute. Zusammen mit seinem Kollegen Billy Cohn hat er bei einem Patienten das Herz herausgeschnitten und durch zwei Herzunterstützungspumpen komplett ersetzt.

    Bei diesen Herzunterstützungssystemen - sogenannten Heartmate-II-Pumpen - handelt es sich um axial fördernde Pumpen. Das heißt, ähnlich wie bei einer Schiffsschraube das Wasser wird hier das Blut von vorne nach hinten beschleunigt. Einen Pulsschlag gibt es deshalb nicht. Vergleichbare Pumpen wurden bereits bei Tausenden Patienten zur Unterstützung der linken Herzkammer implantiert. Die Texaner haben sie jetzt für den kompletten Herzersatz umgebaut.

    ""Bei der Heartmate II da sehen wir hier den Einlass der Pumpe, der in die Herzspitze gesteckt wird. Da hat Herr Frazier einen Einlass selber konstruiert, aus medizinisch zugelassenen Materialen, hat ihn also verändert. Dann fließt das Blut dort von diesem nachgebildeten Vorhof durch die Pumpe, wird entlang der Pumpe beschleunigt und fließt jetzt mit erhöhtem Druck aus dem Auslass in die Aorta und somit in den ganzen Körper","

    erläutert Thomas Finocchiaro vom Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik in Aachen. Um ein komplettes Herz, also die linke und rechte Seite zu ersetzten, sind zwei dieser Pumpen notwendig. Zugelassen sind sie für den Komplettersatz nicht. Deshalb haben Bud Frazier und Billy Cohn die speziell designten Zwillingspumpen zunächst bei Kälbern getestet. Nach 38 Tierversuchen war es in diesem April soweit: Sie ersetzten zum ersten Mal ein menschliches Herz durch ihr System. Der Patient war todkrank, er litt an Amyloidose, einer Erkrankung, bei der sich Proteine zwischen den Zellen ablagern und zu Funktionsstörungen der Organe führen. Erst als der 55-Jährige Patient nur noch maximal einen Tag zu leben hatte, wurde sein Herz komplett ausgetauscht.

    ""Fünfeinhalb Wochen lebte der Patient mit den Doppelpumpen. Er erholte sich zunächst, doch die Vorschädigungen an anderen Organen waren zu groß. Schließlich entschied er selbst die Beatmungs- und Dialysemaschinen, an die er angeschlossen war, abzuschalten."


    "Das ist ein sehr interessanter Ansatz, der in Amerika ausprobiert wurde","

    meinen deutsche Forscher wie Thomas Finocchiaro an der RWTH Aachen. Sie sind aber skeptisch, vor allem, weil dieses komplette Kunstherz dauerhaft ohne Puls funktioniert.

    ""Das sieht man beispielsweise bei Patienten, die eine Herzunterstützung vorübergehend eingesetzt bekommen, dann über eine gewisse Zeit keinen Puls mehr haben - das sich die Elastizität der Gefäße grundlegend verändert. Das könnte beispielsweise dazu führen, dass zu viel oder zu wenig Blut durch die Nieren geht, was wiederum den ganzen Kreislauf durcheinanderbringt."

    Auch Schädigungen des Gehirns sind durch zu viel oder wenig Blut auf lange Sicht denkbar. Allerdings ist die Frage, ob der menschliche Organismus einen Puls braucht oder nicht, unter Forschern weder theoretisch noch nachweislich entschieden. Der Vorteil dieses ersten kompletten Kunstherzens ohne Puls ist hingegen klar:

    "Kontinuierlich fließende Pumpen haben noch nie versagt und im Vergleich zu allen anderen bisherigen Kunstherzen, die alle pulsierend arbeiten und damit mehr Verschleißteile haben, sind sie deutlich haltbarer - schätzungsweise 15 bis 20 Jahre - und deshalb bestens für den kompletten Herzersatz geeignet","

    meint der Herzchirurg Bud Frazier. Noch ungeklärt ist ein anderer Aspekt: Ob es durch die Pumpen zur Hämolyse kommen kann, also ob sich durch die Verwirbelung im Rotor rote Blutkörperchen auflösen können. Frazier ist zuversichtlich.

    ""Ich gehe davon aus, dass die roten Blutkörperchen, wenn sie nur kurz gequetscht werden, keinen dauerhaften Schaden nehmen, so wie ein Finger, wenn ich ihn schnell durch eine Flamme ziehe, ja auch nicht verbrennt."

    Natürlich wird man erst dann mehr sagen können, wenn die Doppelpumpe bei weiteren Patienten das natürliche Herz längerfristig ersetzt. Zuvor wollen die Texaner die beiden verbundenen Pumpen zu einer einzigen Kunstherzeinheit weiterentwickeln.

    Wie lange das dauern wird? Mit Prognosen ist Bud Frazier vom Texas Heart Institute vorsichtig.