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Kunstmesse Art Düsseldorf
Instagram als Tool und Trigger

Mittlerweile ist es für Künstler und Galerien unerlässlich geworden, sich in den sozialen Medien zu präsentieren. Besonders Instagram sticht als Plattform für die Darstellung von Kunstwerken hervor. Hat das Auswirkungen auf den Kunstmarkt? Eine Spurensuche auf der Kunstmesse Art Düsseldorf.

Von Peter Backof | 15.11.2018
    Auf dem Bild sind Tontafeln zu sehen, auf die der türkische Künstler Berkay Tuncay Tweets des Rappers Kanye West eingraviert hat.
    Auf dem Bild sind die Tontafeln zu sehen, auf die der türkische Künstler Berkay Tuncay Tweets des Rappers Kanye West eingraviert hat. (Sanatorium)
    Gesammelte Tweets von Kanye West aus den letzten fünf Jahren hat der türkische Künstler Berkay Tuncay auf Tontafeln graviert. Aber nicht auf irgendwelchen Tontafeln: Es sind Schrifttafeln der Sumerer, die mutmaßlichen Erfinder der Schrift. Die Tafeln haben Pi mal Daumen die gleichen Abmessungen wie aktuelle Smartphones. Wow! – ein Blickmagnet, den man nicht so schnell wegwischt: Tweets in Keilschrift, schön kryptisch, bei Instagram gepostet, als Appetizer für das Sortiment der Art Düsseldorf. Vor der Messe 157 Herzchen dafür. Und nach der Messe? Viel Potenzial nach oben:
    "Ja, Instagram spielt in der Kunstwelt immer mehr eine bedeutende Rolle. Also wir reden hier von visuellen Dingen, die lassen sich natürlich über Fotos gut erzählen. Und Instagram ist ein wunderbares Tool, um überall - irgendwie - mit dabei zu sein und sich dann zu entscheiden: Was will ich mir wirklich live angucken?", sagt Walter Gehlen, Leiter der Art Düsseldorf.
    Abseits vom Bling Bling der Königsallee
    Und allein das wäre schon einen Instagram-Post oder ein "Unpacking"-Video wert: Wie die auf Euro-Platten gestapelte Ware von 91 internationalen Ausstellern den Weg in die Kojen findet, auf dem Areal Böhler; ziemlich weit abseits vom Bling Bling der Königsallee. Das andere, das kunstsinnige Düsseldorf soll sich hier – zum zweiten Mal – "zelebrieren", sagt der Macher-Typ mit Post-Hipster-Bart: in der postindustriellen Peripherie Düsseldorfs.
    Das Instagram-Logo ist auf einem gesprungenen Display eines iPhones zu sehen
    Instagram soll helfen für Kunstausstellungen Appetit zu machen. (imago / Eigner)
    "Doch, das macht schon Sinn. Die Art Düsseldorf versteht sich nicht als globale Messe, die irgendwo auf der grünen Wiese gemacht werden kann, weil alle Sammler sich weltweit überlegen: 'Wir fliegen da jetzt mal hin'- da gibt es eine Handvoll sehr erfolgreicher Messen, die das geschafft haben, als es halt noch nicht so viele globale Messen gab: Momentan würde es keinen Sinn machen, weitere globale Messen entstehen zu lassen, weil einfach der Kalender des international reisenden Sammlers gefüllt ist."
    Der Auftritt bei Instagram ist unerlässlich geworden
    Es ginge schlicht um Fragen der Terminlegung, ergänzt Walter Gehlen. Jedoch gibt es längst und zahlenmäßig wachsend, die Möglichkeit und Unerlässlichkeit, sich in den sozialen Medien zu präsentieren. Der Auftritt, eben bei Instagram, ist für eine Galerie, wie auch für die Art Düsseldorf, effektiver als die eigene Homepage, denn Inhalte strahlen per Abo und Newsline ab: Das soziale Medium kommt zu Mir; ich muss nichts suchen! Und Kunstsammler könnten ja, mal etwas auf Zukunft angespitzt, den Kunstmarkt wie einen Online-Shop abklappern: "Was gibt’s wo? Und ist es auf Lager? Kunden, die dies kauften, interessierte auch...?" - Skepsis bei Walter Gehlen:
    "Es ist eben nicht entscheidend, ob viele Menschen das schön finden; weil dann reden wir eher über Dekoration als über Kunst. Das ist natürlich eine große Diskussion auch unter Messeveranstaltern. Der Onlinemarkt ist etwas, was sehr stark zunimmt. Es ist aber tatsächlich so - und deshalb bin ich als Messeveranstalter zuversichtlich -, dass Messen auch in den nächsten Jahrzehnten eine wichtige Rolle spielen werden. Der Großteil der Kunst lässt sich einfach nicht auf einer digitalen Abbildung erfahren. Und da kann Instagram - beispielsweise - nur Appetit machen. Aber dafür ist es natürlich wunderbar geeignet, um genau das zu tun."
    Noch ein Hingucker aus der Art Düsseldorf Instagram-Preview: "Einkaufswagen, eine Treppe herabsteigend", von Kristina Schuldt, Galerie EIGEN + ART, Leipzig/Berlin, ein doppelt ironisches Gemälde. Einmal nimmt es mit dem Supermarktwagen den Kunstmarkt aufs Korn. Und dann gab es ja auch noch "Ema, eine Treppe herabsteigend" von Gerhard Richter, ein Werk mit politischem Inhalt, es ging um Nazi-Vergangenheit. Und heute ist Richter womöglich der weltweit teuerste Maler. Kristina Schuldt indes ist keine Trittbrettfahrerin, ihr Einkaufswagen könnte für viel Geld weggehen: Weil Walter Gehlen sich auf der Messe Besucher erhofft, die die Codes darin lesen können.
    "Hier redet man über Kunst und nicht über das Geld. Deshalb sind Inhalte hier im Vordergrund und nicht unbedingt, was sie kosten. Es gibt unterschiedliche Marktsegmente, das ist schon richtig. Es gibt Sammler, die sich für Kunst im siebenstelligen Bereich interessieren; Investment-Gedanken spielen da eine Rolle."
    Instagram nur Tool und Trigger
    Denen verkauft Walter Gehlen auch gerne etwas, "siebenstellig" klingt zumal nach einem guten Geschäft - aber eigentlich schlägt sein Herz für: Den "Post-Lehman"-Bereich, wie eine Messenische heißt.
    "Ja, es gab eine Finanzkrise, die fing an mit dem Niedergang der Lehman-Brothers-Bank. Jetzt kürzlich war ja das zehnjährige 'Jubiläum' dieser Pleite."
    Die sich eklatant auch bei Kunstverkäufen niederschlug. Die Art Düsseldorf protegiert und prämiert daher: Galerien, die nach 2008 gegründet wurden. Auch dabei sind Plattformen wie Instagram nur Tool und Trigger. Kunstsinn, Kunstverstand und auch einfach das Gefühl, zur Szene zu gehören, was auch viele zur Messe locken wird, kann der digitale Raum bis auf Weiteres nicht ersetzen, meint Walter Gehlen.
    "Es ist, wenn man so will, ein Old-School-Markt, weil einfach es viel mit Vertrauen zu tun hat. Es ist ein Handshake-Business!"