Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Kunstmuseum Basel
Den figurativen Pollock gab es auch

Jackson Pollock war ein US-amerikanischer Maler des abstrakten Expressionismus. Er wurde bekannt mit der von ihm begründeten Stilrichtung des Action Painting. Seine im Drip-Painting-Verfahren angefertigten großformatigen Werke brachten ihm bereits zu Lebzeiten den Spitznamen "Jack the Dripper" ein. Er konnte aber auch anders.

Von Christian Gampert | 07.10.2016
    Jackson Pollock vor seinem Werk "Self Portrait". Jackson Pollock gehörte zu den wichtigsten Malern des 20. Jahrhunderts und etablierte eine eigenständige amerikanische Kunst.
    Jackson Pollock vor seinem Werk "Self Portrait". Jackson Pollock gehörte zu den wichtigsten Malern des 20. Jahrhunderts und etablierte eine eigenständige amerikanische Kunst. (picture alliance / dpa)
    Es gibt ein Leben vor dem Tod - und es gibt ein Leben vor der Abstraktion. Bei Jackson Pollock dauerte dieses Dasein sogar ziemlich lange, fast dreißig Jahre; nur wissen wir erstaunlich wenig darüber. Pollock ist auch für Insider "Jack the Dripper", der Mann, der die Leinwände mit Farben volltropfte. Gewalttätig und depressiv war er nebenbei auch noch, Alkoholiker sowieso. Die Basler Ausstellung will das Bild vom abstrakt orientierten Spritz-Maniac nun relativieren und zurechtrücken, sagt Kuratorin Nina Zimmer.
    "Die These ist, dass Pollock über alle Arbeitsphasen hinweg ein figurativer Künstler war."
    Zugegeben, die späte Phase der reinen Drippings war relativ kurz, von 1947 bis 50 – und sie wird in der Ausstellung vorsichtshalber weitgehend ausgespart, um die These vom figurativen Künstler Jackson Pollock umso heller leuchten zu lassen. Allerdings spricht, wenn man die Werkentwicklung so schön aufgeblättert bekommt wie jetzt in Basel, einiges dafür, dass Pollock bis zum Schluss figurativ dachte und dass sein Abstrakter Expressionismus dieses Bedürfnis nur eruptiv überdeckte – auch beim Kollegen de Kooning waberte übrigens noch sehr spät Gegenständliches durchs Farbgemantsche.
    Gewalttätiger, depressiver Alkoholiker
    Jackson Pollock begann Anfang der 1930er-Jahre ganz traditionell mit Landschaftsstudien zum amerikanischen Mittleren Westen, was auch mit seinem Studium an der New Yorker Art Students League zu tun hatte. Er schulte sich an Michelangelo, El Greco und dem italienischen Barock. Auffällig ist aber eine seiner ersten Arbeiten, ein kleiner, maskenhafter, schwarzer Kopf aus Stein: Das Element der Maske wird in vielen seiner Gemälde auftauchen. Und es gibt schon sehr früh in seinen Bildern eine gedrängte Enge, eine ornamentale Überfülle von Figuren und Formen, ein zwanghaftes Bedecken des gesamten Bildraums, einen Horror Vacui.
    Verantwortlich dafür ist einerseits Pollocks Bewunderung für die mexikanischen Muralisten, die revolutionären Wandmaler um Diego Rivera, aber auch seine Beschäftigung mit Picasso. Man kann in der wunderbaren Basler Ausstellung alle möglichen Einflüsse auf Pollock erkennen, Kandinsky, Miró, sogar Giacometti. Die entscheidende Figur aber ist Picasso. Pollock hatte 1939 das monumentale "Guernica" gesehen und Picassos Technik der Fragmentierung von Körperteilen sofort übernommen.
    "Und sicherlich war Pollocks Ehrgeiz so etwas wie eine amerikanische Neuformulierung von Picasso zu schaffen." Meint Kuratorin Nina Zimmer. Schaut man ein Bild wie Pollocks "Birth" von 1941 an, dann ist in der chaotischen Verwirbelung der Formen, in den gespreizten Schenkeln und mehrfach vorhandenen Köpfen von Neugeborenen etwas zu erahnen, das Picasso schon in der frühkubistischen Phase mit den "Desmoiselles d'Avignon" probierte. Schaut man auf die totemähnlichen Gesichter und ritualhaften Zeichen vieler Bilder der 40er-Jahre, dann ist die Stammeskunst als Referenz spürbar.
    Picasso als Vorbild
    Neben den jungianischen Archetypen ist es nämlich die Sandmalerei der auf dem Boden arbeitenden amerikanischen Ureinwohner, die Pollock beeinflusst. Auch bei seinen Drip Paintings traktierte er die auf dem Boden liegende Leinwand. Allerdings, und hier fördert die Ausstellung Überraschendes zutage, ist ein Gemälde wie "Galaxy" (von 1947) nur eine Übermalung, sozusagen die Verschleierung eines gegenständlichen Bildes – Pollock schüttete Aluminiumfarbe auf das Werk; unter den Drippings sind aber Körperteile, Augen und anderes noch lesbar. Auch die "Black and White Paintings" der 50er-Jahre, die den fulminanten Abschluss der Schau bilden, sind mehr gedrippt als gemalt. Und doch bilden die schwarzen Farbstrudel verzerrte Gesichter und Körper.
    Am Ende ging Pollock so weit, aus der Oberfläche der Drippings Figuren herauszuschneiden. Diese Leerstellen, Cut-outs, haben etwas enorm Gewalttätiges. Nicht die lebenslang betriebene Figuration, sondern die Aggression ist der Schlüssel zu Pollocks Werk.