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Kunststudenten protestieren
Tag der geschlossenen Tür

Die Berliner Universität der Künste öffnet jedes Jahr im Sommer ihre Ateliers für drei Tage und lädt Kunstinteressierte zu einem Besuch ein. Diemal ist alles anders: Viele Studierende der Fakultät Bildende Kunst haben ihre Türen nicht geöffnet, oder sie haben ihre Ateliers leer geräumt. Damit wollen sie auf die prekäre Situation aufmerksam machen, die in ihrem Fachbereich herrsche.

Von Kemal Hür | 17.07.2015
    Die Berliner Universität der Künste öffnet jedes Jahr im Sommer ihre Ateliers für drei Tage und lädt Kunstinteressierte zu einem Besuch ein. Der Rundgang beginnt traditionell mit einem Sommerfest. Aber viele Studierende der Fakultät Bildende Kunst haben ihre Türen nicht geöffnet, oder sie haben ihre Ateliers leer geräumt. Damit wollen sie auf die prekäre Situation aufmerksam machen, die in ihrem Fachbereich herrscht. Statt ihre Kunst zu präsentieren, laden sie bis Sonntagabend zu Gesprächen ein. Kemal Hür hat mir Studierenden und dem Universitätspräsidenten gesprochen.
    Schlechte Lehrbedingungen
    Ein etwa 80 Quadratmeter großer Raum mit sehr hohen weißen Wänden. Völlig leer. Nur in der Mitte liegt ein Stapel Flugblätter. Überschrift: "Sie befinden sich in einem leeren Raum". Dieser Raum wird sonst von Studierenden der Bildenden Kunst als Atelier benutzt. Zum traditionellen Sommer-Rundgang der Berliner Universität der Künste haben die Kunststudenten ihre Werke ausgeräumt. Damit wollen sie auf die aus ihrer Sicht schlechten Lehrbedingungen aufmerksam machen, erklärt Carolin Bernhofer. Sie ist die Sprecherin des Protestes.
    "Wir haben uns dafür entschieden, keine Ausstellung zu machen, nicht das übliche Programm, sondern stattdessen unser leeres Atelier auszustellen. Und wir nennen die Sache ja auch Innehalten."
    Viele Ateliers geschlossen
    Viele der benachbarten Ateliers sind verschlossen. Etwa 50 der 160 Studierenden beteiligen sich an der Aktion Innehalten. Bauchschmerzen macht ihnen, dass an ihrem Fachbereich viele Professoren nur zeitlich befristete Verträge haben und diese Gastprofessoren nur für die Dauer der Vorlesungszeit bezahlt werden. In der vorlesungsfreien Zeit können die Studierenden nicht betreut werden. Doch genau in dieser Zeit bräuchten sie die Professoren, sagt Carolin Bernhofer, die im vierten Semester studiert.
    "Atelierzeit in der vorlesungsfreien Zeit wird auch genutzt, um Projekte zu machen, wirklich am Stück zu arbeiten, sich intensiv mit etwas auseinanderzusetzen und da konzentriert zu arbeiten. Und da möchte man gerne Betreuung und Rücksprache mit seinem Professor halten. Insofern ist die vorlesungsfreie Zeit fürs wirklich freie künstlerische Arbeiten sehr wichtig."
    Bundesweit hat die Zahl der Professoren laut dem Statistischen Bundesamt in den letzten 10 Jahren um gut 7.000 Stellen zugenommen. Im selben Zeitraum hat sich aber die Zahl der geringfügig bezahlten Lehrbeauftragten verdoppelt.
    Die größte deutsche Kunsthochschule
    Die Berliner UdK ist mit über 200 Professoren die größte deutsche Kunsthochschule. Etwa ein Drittel der Lehrstellen ist mit Gastprofessoren besetzt. Dieser Zustand sei unhaltbar und wirke sich negativ auf die Arbeit der Studierenden aus, sagt Norgard Kröger, Konzeptkünstlerin im 8. Semester.
    "Das äußert sich ganz konkret darin, dass ich das Gefühl hab, dass es hier wenig Lehrende gibt, die mir mit Neugier begegnen. Und das finde ich eine Grundvoraussetzung dafür, dass Lernen und Lehren stattfinden kann, dass man irgendwie neugierig ist aufeinander und auf das, was man da aneinander hat und voneinander gewinnen kann."
    UdK-Präsident Martin Rennert begleitet den Regierenden Bürgermeister Michael Müller auf einem Rundgang durch die offenen Ateliers. In den Flügel mit den geschlossenen Ateliers wird der Regierende aber nicht geführt. Die Schließung findet der Präsident schade, aber verkraftbar.
    "Das ist schmerzlich, allerdings ist das auch ein großes Fest. Es gab immer einen Anflug, dass man die Ateliers schließen wollte. Das ist kontraproduktiv, und ich weiß auch, dass sehr viele Studierende sehr traurig waren mit dieser Entscheidung, zuzumachen und haben aber aus Solidarität mitgemacht."
    Die Sorgen der Studierenden
    Die Sorgen der Studierenden seien aber nicht unbegründet, gibt Rennert zu. Die Berufungsverfahren für Professoren seien schwieriger geworden, Lehrstühle teilweise nicht besetzt. Dennoch sei das Hauptproblem nicht die beklagte schlechte Betreuung der Studierenden; sie sei gewährleistet. Schwierigkeiten gebe es bei der Neubesetzung von Lehrstellen, wenn Professoren in Ruhestand treten.
    "Was in Gefahr ist, ist diese schleichende Erosion. Wir haben Generationswechsel in allen Fakultäten. Die UdK hat 220 Professuren, wenn man alle dazu zählt, die es gibt. Natürlich ist dann in einem speziellen Bereich der Generationswechsel nicht geglückt."
    Über all diese Probleme wollen die Studierenden der Bildenden Kunst ab heute mit dem Lehrpersonal, Kommilitonen und Gästen diskutieren. Dafür bauen Studenten eines ihrer Ateliers zu einem Studio mit zwei Bühnen um. Von Freitag, den 17.07.2015 sollen hier bis Sonntagabend, den 19.07.2015 immer um 18 Uhr Diskussionen stattfinden.