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Kunstturnen
Legende Vera Caslavska gestorben

Sie war eine der Sportstars der Tschechoslowakei und zugleich eine politische Symbolfigur bis heute: Vera Caslavska, siebenfache Olympia-Siegerin und vierfache Weltmeisterin im Kunstturnen, ist gestern Abend im Alter von 74 Jahren in Prag gestorben.

Von Peter Lange | 31.08.2016
    Die tschechische Turnerin und siebenfache Olympiasiegerin Vera Caslavska am Barren bei den tschechoslowakischen Meisterschaften in Litvinov am 16. Juni 1968
    Die tschechische Turnerin und siebenfache Olympiasiegerin Vera Caslavska am Barren bei den tschechoslowakischen Meisterschaften in Litvinov am 16. Juni 1968 (picture alliance / dpa / CTK Photo / Jiri Krulis)
    Als heute morgen der Tod von Vera Caslavska gemeldet wurde, änderte das tschechische Fernsehen sofort sein Programm. Das allein sagt schon einiges über diese Frau, die hier so populär ist wie in Deutschland Steffi Graf, Heide Rosendahl oder Ulrike Meyfarth.
    "Für mich ist das ein riesiger Verlust, sagt die Filmemacherin Olga Sommerova, die einen Film über die Sportlerin gedreht hat. Sie war eine der wunderbarsten Frauen, die wir hatten. Und sie hat soviel für dieses Land getan."
    Vera Caslavska hat die Höhen und Tiefen des 20 Jahrhunderts am eigenen Leib erfahren. Drei Goldmedaillen bei den Spielen in Tokio und vier Jahre in Mexiko-City vier Mal Gold und zwei Mal Silber. Vladimir Drbohlav, damals Sportkommentator, erinnert sich:
    "Vera war die Königin der Spiele von Mexiko. Was sie dort geleistet hat, vergißt man nicht. Sie gehört in die Reihe der besten Sportler der olympischen Geschichte."
    Aber ihre Medaillen von Mexiko 1968 widmete sie Alexander Dubcek, der Leitfigur Prager Frühlings, der wenige Wochen zuvor von der Sowjetunion niedergeschlagen worden war. Damit geriet sie vollends ins Visier des neuen Regimes. Denn sie gehörte zu den Unterzeichnern des "Manifests der 2000 Wörter" für eine Fortsetzung des Reformkurses. Vera Caslavska verlor alle Privilegien und erhielt Berufsverbot. Eigentlich war sie diplomierte Trainerin, aber zeitweilig musste sie sich als Putzfrau durchschlagen.
    "Es ist ein Schandfleck auf dem tschechischen Sport, dass die Kommunisten sie als beste Sportlerin der Welt aus dem tschechischen Sportverband ausgeschlossen haben, sagt der frühere Dissident Jan Urban.. Und bis her hat sich niemand dafür entschuldigt."
    1989 wurde Vera Caslavska an der Seite von Vaclav Havel zu einer der Symbolfiguren der Samtenen Revolution. Vor zwei Jahren erinnerte Sie sich in einem Interview:
    "Nach meinen Erfahrungen mit den Kommunisten wollte ich nie wieder öffentlich auftreten. Als ich dann aber sah, wieviele Menschen sich auf dem Wenzelsplatz versammelt hatten, hat mich das sofort inspiriert. Ich schrieb ganz schnell eine Rede und rannte zum Wenzelsplatz."
    An diese Rede erinnern sich die Prager bis heute. Als Havel Präsident wurde, wurde sie seine Beraterin und außerdem Präsidentin des tschechischen Olympischen Komitees.
    Dann traf ihre Familie ein privates Verhängnis, das wieder alles veränderte. Ihr Ex-Mann geriet 1993 mit dem gemeinsamen Sohn aneinander und kam dabei zu Tode. Der Sohn wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt und später begnadigt.
    Dieser Schlag traf Vera Caslavska schwerer als alle politischen Schikanen und Demütigungen früher.
    Nun ist diese mutige Frau gestorben, und Ministerpräsident Bohuslav Sobotka sprach sicher vielen Landsleuten aus der Seele, als er heute sagte.
    "Vera Caslavska hat viel für den tschechischen Sport getan und auch für den guten Namen der damaligen Tschechoslowakei im Ausland."