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Kuppel statt Kreuz

Es ist nicht ganz dasselbe, ob man eine Kirche, eine Synagoge oder eine Moschee baut, die Auffassungen vom Sakralraum weisen einige Unterschied auf. Trotzdem machte Mario Botta beim Wettbewerb für die geplante größte Moschee der BRD in Köln mit, den dann Gottfried Böhm gewann. Dieser Wettbewerb ist allerdings nur eine Empfehlung an die Ditib, die Türkisch-Islamisch Union.

Von Jörg Biesler | 08.03.2006
    32 Entwürfe standen zur Auswahl und ihnen allen ist gemein, dass sie sich schwer tun mit dem Thema Moschee. Zwei Heransgehensweisen lassen sich unterscheiden, die eine: Sich der klassischen Moschee verweigern, also keine zentrale Kuppel über einem im wesentlichen kubischen Baukörper vorsehen und keine flankierenden Minarette. Die andere Heransgehensweise: Die klassische Moschee bauen - aber aus Architekturelementen der westlichen Moderne.

    Das macht auch Gottfried Böhm, der Kölner Architekt und Pritzkerpreisträger, der gemeinsam mit seinem Sohn Paul den ersten Preis gewann. Für das Gelände an Kölns meistbefahrener Ringstraße planen sie einen aufgeständerten flachen Baukörper, aus dem sich Kuppel und zwei klassisch konturierte Minarette nach oben schieben. Der Flachbau bildet eine klare Kante zur Verkehrsader, ermöglicht aber wegen des durchgängigen Erdgeschosses zumindest Blickbezüge zu einem Innenhof, der über eine breite Freitreppe zugänglich ist und auf seiner Rückseite von einem dreistöckigen Riegel abgeschlossen wird. darin finden sich Café, Kulturzentrum und Verwaltung. Die Kuppel: eine einzige Versöhnungsgeste. Wie schützende Hände legen sich gewölbte Betonplatten über die Versammlung. Und wie so oft bei Böhm sind es die liturgischen Wege, die das Preisgericht überzeugten. Die Freitreppe nämlich wird überführt in eine lange Rampe, die sanft zum Gebetsraum ansteigt, so bleibt selbst auf dem engen Grundstück Zeit zur Vorbereitung der Gläubigen. Das zweitplazierte Kölner Architekturbüro Wallrath und Weiner stellt zwei Wandscheiben an den Längsseiten des Grundstücks auf und lässt sie mit Schriftzügen bedrucken. Um einen zentralen Platz addieren sich dann die Gebäude für die einzelnen Funktionen. Außer zwei aus den Wandscheiben entwickelten kaminartigen Betonstelen erinnert nichts an ein islamisches Gotteshaus.

    Mit solchen Vorstellungen tun sich die Bauherren der türkisch-islamischen Union offenbar schwer. Die türkisch-islamische Union ist der Dachverband von rund 900 Religionsvereinen in ganz Deutschland, rund zwei Drittel aller deutschen Muslime sind dort organisiert und die Moschee in Köln soll die Zentralmoschee der Union werden. Ob deren Vorstand den Vorschlägen des Preisgericht folgen wird, ist völlig unklar. Gewünscht hat man sich "ein zentrales Gebäude für die deutsch-türkische Integration" wie es in der Ausschreibung heißt, aber gerne in klassisch islamischer Architektursprache. Einige der Entwürfe sprechen diese Sprache, allerdings fehlt ihnen jeder orientalische Luxus, jede Sinnlichkeit der Oberfläche. Der Viertplazierte Ertan Ergöcmen aus Düsseldorf und auch das Düsseldorfer Büro Fritschi, Stahl Baum stellt Minarette neben einen zentralen kuppelbekrönten Kubus. Die Funktion ist so eindeutig ablesbar, aber so eindeutig die Entwürfe sind, so langweilig sind sie auch. Wie schwierig die Gradwanderung ist, zeigen die Entwürfe von so prominenten Architekten wie Mario Botta und Axel Schultes. Botta macht aus den Minaretten veritable Aufzugsschächte von denen ein ganzer Büroblock mühevoll in die Höhe gestemmt wird über einen flachen Sakralraum mit trichterartigem Lichteinlass. Und der Betonplastiker Axel Schultes setzt einem sehr elegant an die Straßenecke gegossenem klaren Körper eine Kuppel auf, die wie eine rahmige Sahnehaube unter ihrer eigenen Last etwas dickleibig geworden ist. Es ist ein architektonischer Eiertanz zwischen Respekt vor religiösen Traditionen und Eigenständigkeit künstlerischer Arbeit. Und im Angesicht der versammelten Belege dieser schwierigen Ausgangslage fragt man sich, ob man nicht einfach einen orientalischen Fremdkörper bauen sollte, der keine Kombination aus Ost und West versucht. Am gelungensten haben vielleicht die Büros von Gerkan, Marg und Partner aus Berlin und Eun Young Yi aus Düsseldorf zwischen den Eiern getanzt. Letzteres wurde mit dem fünften Platz belohnt. Beide Büros lösen die Schwierigkeiten mit gläsernen Kuben, die unter einer interessanten Oberfläche die Geheimnisse des Islam ahnen lassen und dennoch verbergen. So jedenfalls liest sich das für westliche Augen, für Muslime kommt ein glatter Kubus nicht in Frage, er sieht nämlich aus wie die Kaaba.