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Kurdisches Neujahrsfest
Feiern auch für die Landsleute in Afrin

Am 21. März feiern die Kurden ihr Neujahrsfest Newroz - so auch in Berlin. Es wird getanzt und gesungen - trotz des Leids, das die Landsleute derzeit in der kurdischen Region Afrin in Syrien erfahren. Als Zeichen des Widerstands, sagen die Festgäste in Berlin.

Von Kemal Hür | 21.03.2018
    Röcke in den kurdischen Landesfarben
    Die schlimme Lage des kurdischen Volkes in der Region Afrin beschäftigte auch die Teilnehmer des Festes in Berlin (dpa/ MAXPPP)
    "Es ist Neujahr, alle Blumen blühen. Lasst uns feiern", heißt es in dem bekanntesten Lied über das kurdische Neujahr Newroz. Eine Sängerin singt dieses Lied auf der Bühne einer kurdischen Feier in Berlin. Hunderte Kinder, Frauen und Männer feiern in einem Saal. In zwei Reihen tanzen junge Leute den Reigentanz Govend – dem türkischen Einmarsch in Afrin zum Trotz, sagen einige.
    "Sehr wichtig, dass wir heute hier sind und unser Fest feiern"
    Frau: "Afrin ist leider jetzt aktuell, aber die Kurden werden seit Jahrhunderten bombardiert und zerdrückt überall in allen Ländern, wo wir verteilt sind. Dennoch müssen wir als Kurden zusammenstehen und dürfen unsere Feier nicht untergehen lassen – auch für die Leute in Afrin."
    Mann: "Newroz heißt für mich Widerstand, heißt für mich Identität, heißt Kultur. Es ist heute umso wichtiger, dass wir Newroz feiern; auch wenn wir viele Tote haben, ist es sehr wichtig, dass wir heute hier sind und unser Fest feiern."
    Die Feier wurde aus terminlichen Gründen vor dem eigentlichen Neujahrstag, dem 21. März, organisiert. Gastgeber ist der "Verband der Vereine aus Kurdistan in Deutschland – KOMKAR". Der bundesweite Verband wurde 1979 gegründet und setzt sich seitdem für eine politische Lösung der Kurdenfrage ein. Den bewaffneten Kampf lehnt Komkar ab. Rohat Geran ist der Bundesvorsitzende der Dachorganisation. Der 34-jährige Arzt ist der Meinung, dass die Kurden wie schon oft in der Geschichte einmal mehr von den großen Mächten allein gelassen würden.
    "Wir wünschen uns mehr Unterstützung in Afrin"
    "Mal wieder wird das kurdische Volk verraten, verraten von den Verbündeten im Kampf gegen den IS, von den USA, aber auch verraten von Deutschland, dem Land, in dem wir leben. In Deutschland leben über 1,5 Millionen Kurdinnen und Kurden. Deutschland ist unsere Heimat. Wir wünschen uns mehr Unterstützung in Afrin, aber auch in allen anderen Teilen Kurdistans."
    Auf der Bühne steht nun eine kurdische Musikerin aus dem Iran. Auch zu ihrer eher melancholischen Ballade tanzen ein paar Besucher der Newroz-Feier. Munzur Çem schaut zu und lächelt. Çem ist Autor mehrerer Romane und wichtiger Fachbücher zur kurdischen Geschichte und Kultur.
    "Die Kurden haben eine Besonderheit. Sie sind ein Volk, das auch feiert, wenn es Leid erfährt. Es gibt viele traurige kurdische Lieder. Die Kurden tanzen aber auch zu dieser Musik. Von daher muss Newroz gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Barbarei und Besatzung gefeiert werden – als Zeichen des Widerstandes."
    "Newroz-Fest ein wichtiger Teil der Identität"
    Dem Newrozfest liegt eine mythologische Legende zugrunde. Es heißt: Vor über 2600 wurde das kurdische Volk von einem Tyrannen unterdrückt. Nach langen Jahren traurigen Leidens organisierte ein Schmied Namens Kawa das Volk gegen den Tyrannen und erschlug ihn mit einem Schwert. Um die Nachricht von der Befreiung kundzutun, zündete er auf einem Berg ein großes Feuer an. Das Feuer wird fortan zum Symbol der Befreiung. Jedes Jahr zünden die Kurden in der Nacht vom 20. auf den 21. März Feuer an, tanzen im Kreis und springen über die Flammen.
    "Und heute ist das Newroz-Fest ein wichtiger Teil der Identität", sagt der Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak.
    "Und trotz Afrin wird das kurdische Volk auch dieses Jahr in seinen Trachten das Neujahr feiern, zwar traurig, aber die Hoffnung zelebrieren, dass eine Hoffnung für die Kurden auch Unterdrückung, Krieg und ohne das Erlöschen ihrer Kultur vorgesehen ist."
    Vor dem Bundestagsgebäude in Berlin bauen Kurden einen Zeltpavillon auf. Bis Freitag dieser Woche wollen sie hier in einen Hungerstreit treten, sagt die Berliner Sprecherin des PKK-nahen Verbands Nav-Dem, Melek Yula.
    "Die haben in Afrin alles zerstört. Zivilisten wurden ermordet. In Afrin leben nicht nur Kurden, sondern auch zahlreiche andere Ethnien, auch Flüchtlinge von den anderen Gebieten. Sie wurden jetzt vertrieben. Es gibt auch viele Menschen, die ihr Leben verloren haben. Deswegen wollen wir einen Hungerstreik anfangen, damit diese deutsche Regierung darauf reagiert, weil Deutschland hat mit diesem Krieg zu tun."
    Kritik an den deutschen Waffenlieferungen
    Nav-Dem feierte das Newroz-Fest bereits letztes Wochenende in Hannover mit einer großen Demonstration, an der mehr als 10.000 Menschen teilnahmen. Die Polizei hatte die Veranstaltung zunächst verboten, weil sie darin eine Unterstützung der verbotenen PKK sah. Ein Gericht hob das Verbot aber auf. Nav-Dem wie auch andere kurdische Verbände kritisieren die deutschen Waffenlieferungen an die Türkei. Die Übergangsregierung erteilte auch nach dem Einmarsch des türkischen Militärs in Syrien 20 Exportgenehmigungen für deutsche Rüstungsgüter im Wert von 4,4 Millionen Euro.
    Alle Parteien im Bundestag außer der AfD haben die Bundesregierung mehrfach aufgerufen, die Waffenlieferungen an die Türkei zu beenden – auch die Regierungsparteien. Doch die Regierung schweigt.