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"Geld Macht Politik"

In ihrem Buch "Geld Macht Politik" beleuchten die Stern-Journalisten Wigbert Löer und Oliver Schröm die sogenannte Niedersachsen-Connection. Hauptfiguren sind der Finanzunternehmer Carsten Maschmmeyer, Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder und der gestürzte Bundespräsident Christian Wulff. Es geht um Gefälligkeiten, politische Einflussnahme und Geld.

24.11.2014
    Wenn ein Buchtitel "Geld Macht Politik" laute, dann sei eigentlich erst einmal Misstrauen angebracht. Konstatieren Christoph Hickmann und Klaus Ott auf "Süddeutsche Zeitung Online". Denn zu viele Werke seien auf dem Markt, die mit dick aufgetragenen Thesen und dünnen Belegen das Bild vom korrupten Volksvertreter zeichneten. Nicht so im vorliegenden Fall:
    "Was die Stern-Journalisten Wigbert Löer und Oliver Schröm ( ... ) vorstellen, ist allerdings von einem anderen Kaliber. ( ... ) (Es) konzentriert sich auf die Männerfreundschaft zwischen Maschmeyer und Schröder ( ... ), ob zu dieser Freundschaft ein Geben und Nehmen gehörte, wie es zwischen einem Finanzunternehmer mit mindestens durchwachsenem Ruf und einem Bundeskanzler nicht vorkommen sollte."
    Die beiden markerschütternden Fragen lauten: Hat Schröder während seiner Zeit als Kanzler die Riester-Rente, jenes System der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge, so konzipieren lassen, dass Carsten Maschmeyers Finanzdienstleister AWD davon profitierte? Und: Wurde Schröder am Ende seiner Amtszeit 2005 von seinem vermögenden Freund aus der Wirtschaft dafür belohnt? Hickmann und Ott:
    "Den Beleg für diese Theorie, die seit Jahren um die beiden Männer und ihre Beziehung herumwabert, liefern auch die Stern-Autoren nicht. Wie sollte das auch gehen - schließlich liegt es im Wesen der Lobbyarbeit, dass sie nicht nach solch simplen Schemata funktioniert, sondern deutlich subtiler."
    Am Abend nach seinem Zapfenstreich im November 2005 hätten der gerade abgetretene Kanzler und er, Carsten Maschmeyer, sich auf eine sogenannte Nutzungsüberlassung geeinigt, die die für 2006 angekündigten Erinnerungen Schröders betraf. Der gezahlte Vorschuss belief sich auf die atemberaubende Summe von 2.016.380, 37 Euro inklusive Umsatzsteuer.
    Auf seinem Blog "Sprengsatz" legt der frühere Wahlkampfmanager Michael Spreng die Frage nach, warum Gerhard Schröder nicht die Charakterstärke besessen habe, "den Umgarnungen des umtriebigen und umstrittenen Finanzmanagers zu widerstehen".
    "Zumindest gilt auch in diesem Fall: Sag mir, wer deine Freunde sind, und ich sage dir, wer du bist. Maschmeyer hatte sich in dem merkwürdigen Freundesbiotop Hannover zielstrebig an führende oder kommende Politiker rangewanzt oder, wie er es nennt, sein Beziehungskonto aufgefüllt, um später davon abheben zu können."
    "Absurd hohes Honorar"
    Die zwei Millionen Euro seien ein "absurd hohes Honorar" gewesen, meint Buchautor Oliver Schröm, beim Vergleich mit den späteren Verkaufszahlen. Eine "Gewinnerzielungsabsicht" sei bei Maschmeyer nicht zu erkennen. Kassierte Schröder also ohne angemessene Gegenleistung? Machte er sich dabei eines Verhaltens schuldig, wofür andere Politiker schon geschasst wurden? Auch Albrecht Müller spekuliert auf seinem linken Blog "Nachdenkseiten" offen über die Korrumpierbarkeit des dritten SPD-Bundeskanzlers:
    "Weshalb sollte jemand den damals Noch-Bundeskanzler Schröder die Rechte an seinem trivialen Machwerk für zwei Millionen Euro abkaufen? Floss hier tatsächlich Geld als Belohnung für erbrachte Dienste, etwa für die Einführung der privaten Rentenversicherung?"
    Andere Kommentare befassen sich mit dem Schaden für Amt und Partei. Nikolaus Blome erinnert auf SPIEGEL-Online an die offenkundige Schwierigkeit, die Rolle eines Ex-Kanzlers anzunehmen:
    "Nachdem er eine große Sozialstaatsreform gewagt hatte, musste Schröder vor rund neun Jahren weichen und wurde Geschäftsmann. Aber auch wenn man aufhört es auszuüben, wird man das Amt des Kanzlers nicht los. ( ... ) Das bringt einiges mit sich, Grenzen für das eigene Handeln und Pflichten. Beides will Gerhard Schröder nicht wahrhaben, weil es ihn dabei behindern könnte, mehrfacher Millionär zu werden. Das ist schlichtweg empörend."
    Für die SPD sind diese neuen Verdachtsmomente gegen ihren Alt-Kanzler nach dem bereits fragwürdigen Gasprom-Deal und seinen skandalösen Äußerungen zur Krise in der Ukraine ein moralisches Desaster. Michael Spreng dazu auf "Sprengsatz":
    "Opfer ist auf jeden Fall die SPD. Sie hat nicht nur einen Parteitagsredner und Wahlhelfer verloren, sondern auch Reputation. Und das angesichts einer Kanzlerin, die moralisch der Gegenentwurf zu Schröder ist."
    Und diesen >Gegenentwurf< umschreibt Günter Bannas in der "Frankfurter Allgemeinen" wie folgt:
    "Frei von Allüren und frei von dem Verdacht, die Vorzüge des Kanzleramtes für private Zwecke zu instrumentalisieren. Ruhm und Ehre seiner Nachfolgerin hat Schröder gemehrt."
    Enthüllungsbuch, das nicht überall gefällt
    Bei so viel Empörung in der Sache sei nicht verschwiegen, dass das investigative Verfahren des Enthüllungsbuches nicht überall Gefallen findet. So gibt Eckhart Lohse im Netz der F.A.Z. zu bedenken:
    "Das Buch lebt davon, Maschmeyer zu zitieren. Eher selten aus Interviews, dafür aber ausführlich aus Mails, Briefen, Mitteilungen ans Finanzamt. Mehrere sogenannte Whistleblower sollen geliefert haben. Der Horror für jeden Verfasser der durchgesteckten Dokumente. Eine Goldgrube für denjenigen, der sie zugesteckt bekommt. Edward Snowden lässt grüßen."
    Wigbert Löer und Oliver Schröm: "Geld Macht Politik. Das Beziehungskonto von Carsten Maschmeyer, Gerhard Schröder und Christian Wulff"
    Droemer Verlag, 320 Seiten, 19,99 Euro