Freitag, 19. April 2024

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Kurzhörspielreihe "Sticks auf den Tisch"
Episode 4: Streuselkuchen

"Auf einem Stick", findet Kommissar Plock eine Anleitung zum Bau von Synchronbomben. Dabei erliegt er dem Charme einer schönen Frau und wird glatt reingelegt.

Von Maximilian Schönherr | 20.12.2014
    Als Plock endlich da war, war sie nicht da.
    "Sie soll gefälligst ihren Stick auf den Tisch legen, wo ist sie?"
    Der Kollege vom Zoll hatte so kurze Beine wie Plocks Oberkörper kurz war. Die beiden standen sich in Augenhöhe gegenüber, aber die Hände des Kommissars steckten viel höher in den Hosentaschen. Es sah bei dem Mann vom Zoll viel lässiger aus. Frau Prodlewa sei auf der Toilette, das dürfe sie doch wohl.
    "Im Übrigen haben wir hier beim Zoll keine Handhabe, die junge Dame weiter festzuhalten. Dass wir bei ihr einen USB-Stick gefunden haben, der so grün-gelb gestreift war, wie Sie in suchen, ist doch kein Beweis für nichts! Wo bleibt hier der Rechtsstaat?"
    "Zeigen Sie mal den Rechtsstaat her."
    Plock hielt seine Hand auf und drehte den Stick im matten Licht der Neonlampe.
    "Auf dem Stick", sagte er mit gebotenem Ernst, "befindet sich eine Anleitung zum Bau von Synchronbomben. Synchronbomben, ich weiß nicht, ob das schon bis zum Zoll durchgedrungen ist, sind nette kleine Dinger, die hier und da und da und da gleichzeitig bu machen!"
    "Ist tatsächlich noch nicht bis zum Zoll durchgedrungen", meinte der Mann vom Zoll. "Es macht wo und wo und wo bu?"
    Stick verschluckt
    Ein Glück wäre es gewesen, wenn in diesem Moment Anna Prodlewa aus der Toilette gekommen wäre, um diesen unsinnigen Wartedialog zu beenden. Und genau das passierte: Die sehr hoch gewachsene Frau ging mit einem Strahlen auf die beiden Männer zu und fragte, ob sie jetzt wieder ihren USB-Stick zurückhaben und gehen könne.
    Plock war eigentlich ziemlich frauenresistent, aber die Schönheit dieser Frau machte ihn sprachlos. Er stand da, vor der Brust die offene Hand, auf der der Stick lag, gelb grün gestreift, mit den Informationen zu Synchronbomben.
    "Danke", sagte Frau Prodlewa in diese Sekundenlähmung, die ihr Charme erzeugt hatte, hinein, griff sich mit einer schlangenartigen Bewegung den Schmuckstick, führte ihn zum Mund und schluckte ihn. Dann ging sie langsam zum Ausgang.
    "Den Stick", rief der Kommissar ihr nach, wie gerade aus einem tiefen tiefen Schlaf erwacht, "den Stick auf den Tisch, sofort!"
    "Früher hätte das geheißen, halt stehenbleiben, oder?" merkte der Kollege vom Zoll an, lief der Frau nach und legte ihr Handschellen an.
    "Früher wären das Handschellen aus Metall gewesen, die richtig geschellt haben; jetzt sind sie aus Plastik, oder?" sagte der Kommissar, offenbar wieder bei Bewusstsein.
    "Handschlaufen zur Einmalanwendung; ist auch hygienischer", grinste der Mann vom Zoll zurück. Die Frau an seiner Hand war wirklich, dachte Plock, wunderschön.
    Stick auf den Tisch
    In der bewachten Station des Krankenhauses wirkte das Abführmittel Wunder. Das gute Stück Datenspeicher war nicht quer in irgend welchen Wurmfortsätzen stecken geblieben, sondern lag nun auf der sterilen Metallschale. Allerdings hatte es seine Farbe und Form verändert: Der Stick war wesentlich dünner geworden, er war nicht mehr grün gelb gestreift, sondern auf seine metallische Innenhaut reduziert.
    "Stick auf den Tisch", sagte Plock zu der Schwester. Diese kannte weder den Kommissar, noch diese direkte Ansprache, legte den USB-Stick aber brav, wie sie nun einmal war, auf den Tisch. Der Kommissar ergriff das etwas glitschige Objekt, putzte es mit seinem Stofftaschentuch ab und setzte es in seinen Notebook-Computer ein. Erstaunlich, dass der Stick noch lebte und Daten anzeigte, wenn auch unscharf.
    "Ein Rezept für Streuselkuchen?" sprach Plock zu sich selbst. "In fünfzehn Sprachen?"
    Ja, auf dem Gerät war ein Rezept für Streuselkuchen gespeichert, in fünfzehn Sprachen, mit Anleitung zum synchronen Backen übers Internet.
    "Sychron-Streuselkuchen, keine Synchronbomben?" fragte der Mann vom Zoll, der gerade hereingekommen war und sich direkt in Augenhöhe vor den Kommissar stellte. „Uns vom Zoll waren Synchronbomben tatsächlich nie vorgestellt worden. Was wir im Kollegenkreis aber häufig tun, und wo Sie, Herr Kommissar, gern dazustoßen können, sind unsere kleinen Synchronbackstündchen. Mit Streuselkuchen haben wir das noch nicht probiert."
    Synchronbacken von Streuselkuchen
    Gut, dass auch diesmal eine Störung von außen kam, um diesen Innendreh der beiden Kollegen mit so unterschiedlichen Beinlängen zu beenden. Die Störung war, wie gehabt, groß und schön, wenn auch etwas blasser als zuvor. Die Schwester, begleitet von einer Kriminalbeamtin, brachte sie, die Verdächtige in den Raum.
    "Frau Prodlewa", sagte Plock, noch nicht ganz wieder Herr der Lage, "Sie sind eine großartige Frau."
    "Sie bringen mich in Verlegenheit, Herr Hauptkommissar."
    "Kommissar, einfach nur Kommissar."
    Das wollte er eigentlich gar nicht gesagt haben, weshalb er schnell und ungebrochen ungeschickt fortfuhr, man werde
    "das Synchronbacken von Streuselkuchen jetzt in kleiner Beamtenrunde beim Zoll weiterverfolgen. Und vielleicht auch in der Mordkommission einführen. Nun aber verraten Sie uns, warum Sie diesen belanglos schönen, grün gelb gestreiften Stick überhaupt geschluckt haben?"
    "Ich habe ihn nicht gleich geschluckt", sagte Anna Prodlewa langsam. "Ich habe ihn gelutscht. Grün gelb, das ist Apfel-Zitrone. Sehr lecker. Ich hab noch einen Stick, Erdbeer-Banane. Wollen Sie mal probieren?"
    Plock lehnte ab. Und verpasste die Gelegenheit. Denn auf dem anderen USB-Stick, Erdbeer-Banane, war natürlich die Anleitung zum Bau von Synchronbomben gespeichert, verfasst von Anna Prodlewa. Aber das bleibt unter uns.