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KZ-Gedenkstätte
Gestohlenes Eingangstor wieder in Dachau

2014 wurde das Eingangstor des ehemaligen Konzentrationslagers in Dachau gestohlen. Die Ermittler glaubten es bereits verloren, bis die norwegische Polizei es Ende 2016 in Bergen fand. Am Mittwochmittag traf das eiserne Tor mit der menschenverachtenden Aufschrift "Arbeit macht frei" wieder in Dachau ein.

Von Susanne Lettenbauer | 22.02.2017
    Sie sehen eine Gruppe von Menschen, zweite von rechts ist die Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann, links von ihr Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle.
    Das gestohlene Tor des früheren Konzentrationslagers ist in Dachau eingetroffen. (Deutschlandradio / Susanne Lettenbauer)
    Es wirkt klein, dieses Eisentor, wie es da auf dem Gelände der Gedenkstätte Dachau vom LKW heruntergeholt wird. Vorsichtig wird die Pappe- und Plastikumhüllung entfernt. Hervor kommt ein ziemlich verrosteter Eisenkoloss:
    "Ja, wir sind sehr, sehr erleichtert, dass dieses zentrale Symbol wieder in die Gedenkstätte zurückkommt. "
    Die Leiterin der Gedenkstätte Gabriele Hammermann wirkt erleichtert. Dass diese weltweit verurteilte Schändung eines ehemaligen Konzentrationslagers einen nun glimpflichen Abschluss gefunden hat, ist für sie unglaublich:
    "Wir hatten die Hoffnung in der Tat aufgegeben, denn wir hatten in der Zwischenzeit überhaupt nichts gehört. Es sind ja die Ermittlungen weitergelaufen, aber wir hatten keinerlei Hinweise. Insofern hatten wir nicht mehr daran geglaubt, dass es gefunden wird.
    Man hatte sich schon damit abgefunden, dass das Tor verloren ist
    Auch Karl Freller kann es noch immer nicht glauben. Heute nach zweieinhalb Jahren kann der Leiter der Gedenkstätten in Bayern das 2014 gestohlene Eingangstor in der KZ-Gedenkstätte Dachau vom Lastwagen holen. Vorgestern war es per Kunsttransport aus Norwegen eingetroffen:
    "Also ich habe nicht damit gerechnet, es sei denn ein Zufall hätte es uns zugeführt. Und so war es ja auch. Deshalb freue ich mich, keine Frage. Wobei, wenn man in die Geschichte zurückblickt, wäre es mir lieber gewesen, es hätte dieses Tor nie gegeben. Es ist kein Kunstwerk, wie ein Dürer-Bild, sondern es ist ein schrecklicher Metallgegenstand, der die Menschen daran gehindert hat, jemals wieder ihre Freiheit zu sehen."
    Anfang Dezember 2016, also vor gut drei Monaten, erhielt Freller von der zuständigen Kriminalinspektion Fürstenfeldbruck die für ihn unglaubliche Nachricht, dass sich die norwegische Polizei gemeldet hätte. Das Tor stünde - etwas ramponiert und angerostet, aber sonst unversehrt - auf einem kleinen Parkplatz in der Nähe der norwegischen Hafenstadt Bergen. Die Ermittlungen waren da in Deutschland längst eingestellt worden. Man hatte sich damit abgefunden, dass das Tor verloren ist, gibt der zuständige Kriminaloberrat Manfred Frey zu. Nach dem Fund sind nun auch die Ermittlungen in Norwegen eingestellt worden:
    "Nun gut, die norwegischen Kollegen haben keine weiteren Ansatzpunkte mehr. Die anonyme Mitteilung konnte nicht verifiziert werden. Das steht soweit fest, und es gibt keine weiteren Hinweise, wer das Tor dort angelegt haben könnte. Insofern haben die Norweger ihre Ermittlungen jetzt abgeschlossen. Sollte von unserer Seite noch etwas nachkommen, werden die Norweger ihre Ermittlungen wieder auflegen."
    Erst vor zwei Tagen besuchte US-Vizepräsident Mike Pence die Gedenkstätte, Freller musste ihm erklären, warum das Originaltor fehlt. Pence blieb über eine Stunde – Dachau als das erste Konzentrationslager auf deutschem Boden ist noch immer das wichtigste Symbol für die Nazi-Zeit.
    Noch immer kann Hammermann nicht ganz die unerträgliche Situation vergessen, vor der sie Monate nach dem Raub des Tores, im Mai 2015 stand. Zur Gedenkfeier zum 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau hatte sich zum ersten Mal Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt samt zahlreicher Überlebender aus aller Welt. Ein Kunstschmied wurde kurzfristig beauftragt, ein Duplikat des Tores anzufertigen - gegen den Willen der Gedenkstättenleiterin Hammermanns, die lieber eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Raub gesehen hätte:
    "Die Gedenkstätte und ich haben unsere Bedenken geäußert, wir haben uns ja gegen eine Rekonstruktion ausgesprochen. Es gibt eine Entscheidung des Stiftungsrates und des internationalen Dachau-Komitees mit vielen Überlebenden, und diesem Votum fühlen wir uns natürlich gebunden.
    Zur Gedenkfeier am 30. April soll das Tor wieder zugänglich sein
    Mit der Rückkehr des gestohlenen Eisentores verbleibt das Duplikat jetzt im Eingangsbereich, das hat der Stiftungsrat der Gedenkstätte einstimmig beschlossen. Auch das verschärfte Sicherheitskonzept, das vor zwei Jahren mit der örtlichen Polizei entwickelt wurde, bleibt bestehen. Nach einer behutsamen Sanierung wird das Originaltor Bestandteil der Dauerausstellung, die derzeit neu konzipiert wird.
    In der Gedenkstätte ist man sich einig, dass das Tor auf jeden Fall zur diesjährigen Gedenkfeier am 30.April wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Das gestohlene und nun wiedergefundene KZ-Lager-Symbol soll dann so präsentiert werden, wie es gefunden wurde – mit allen Spuren seiner wechselvollen über 80-jährigen Geschichte.