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Labour-Partei nach dem Brexit-Votum
Corbyn will um Vorsitz kämpfen

Es glich einer schallenden Ohrfeige, mit welcher Deutlichkeit die Abgeordneten der Labour-Fraktion im britischen Parlament ihrem Vorsitzenden Jeremy Corbyn das Vertrauen entzogen haben. Doch der 67-Jährige will nicht aufgeben und beruft sich auf das Votum der Parteimitglieder im vergangenen Jahr. Viele Labour-Politiker befürchten, Corbyn werde die Partei zerstören.

Von Thomas Spickhofen | 29.06.2016
    Der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn.
    Der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn. (dpa/picture-alliance/Hannah Mckay)
    Alastair Campbell ist eigentlich um Worte nicht verlegen. Aber wenn es um den aktuellen Zustand seiner Labour-Partei geht, dann muss auch der enge Berater und Regierungssprecher von Tony Blair einen Moment nach Worten suchen. "Wir werden zur Lachnummer", meint Campbell.
    Die Labour-Fraktion im Unterhaus hat ihrem Parteichef Jeremy Corbyn das Vertrauen entzogen, mit einer schallenden Ohrfeige. 229 Abgeordnete hat Labour im Unterhaus. Ganze 40 von ihnen sprachen dem Parteichef ihr Vertrauen aus, 172 stimmten gegen ihn. Trotzdem: Corbyn will Labour weiter führen.
    "Corbyn davon abhalten, die Partei zu zerstören"
    Irgendwas müsse in den nächsten Wochen passieren, das Jeremy Corbyn davon abhalte, die Partei zu zerstören, sagt Alastair Campbell. Corbyn beruft sich darauf, dass er von der Parteibasis gewählt wurde. 60 Prozent stimmten im vergangenen Jahr für eine neue Politik mit ihm, die könne er jetzt nicht im Stich lassen, sagt Corbyn.
    David Anderson, Labour-Abgeordneter aus Nordirland und Unterstützer von Corbyn, ist ratlos, wie es jetzt weitergehen soll.
    "Ich habe keine Ahnung. Es hängt davon ab, was Jeremy jetzt macht. Wenn er sagt: Ich bin von 400.000 Leuten an die Spitze gewählt worden und muss eine Chance bekommen, dann hat er das Recht dazu. Wenn jemand anderes glaubt, diese Vertrauensabstimmung gibt ihm das Recht nach der Führung der Partei zu greifen, dann hat er genau das gleiche Recht dazu."
    Mehr als die Hälfte seines Schattenkabinetts hat Corbyn seit dem Wochenende verloren, nach der Niederlage in der Fraktion kamen gestern im Laufe des Abends noch mehr dazu. Keine Führungskraft sei Corbyn, sagen sie, mit ihm könne man keine Wahlen gewinnen. Außerdem habe er sich zu wenig für den Verbleib in der EU eingesetzt.
    "Mit ihm kann man keine Wahlen gewinnen"
    Dianne Abbott, eine der wenigen Unterstützerinnen, die Corbyn im Unterhaus noch hat, findet, das geht alles nur die Partei etwas an. Die Zeitungen im Medienviertel Fleet Street oder die Abgeordneten im Parlament in Westminster bestimmen nicht den Chef von Labour, sagt Dianne Abbott.
    Jeremy Corbyn wurde im vergangenen Jahr durch einen Mitgliederentscheid zum neuen Parteichef von Labour gewählt. Seine Unterstützung an der Parteibasis gilt weiterhin als groß. Nicht auszuschließen, dass sich der Alt-Linke dort ein neues Votum holt.