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Länger leben, länger arbeiten

Arbeitsminister Franz Müntefering macht gebetsmühlenartig immer die gleiche Rechnung auf: Wenn die Menschen länger leben, müssen sie auch länger arbeiten, um das Rentensystem nicht in den Kollaps zu führen. Doch so simpel seine Rechung ist, vor Protesten gegen die Rente mit 67 schützt sie den Sozialdemokraten nicht.

Von Melanie Hinter | 08.03.2007
    Ein grauer, verregneter Wintertag in Berlin. Auf dem Dorothea-Schlegel-Platz am Bahnhof Friedrichstraße gibt es heißen Kaffee, Bratwurst, Erbseneintopf - und wütende Gewerkschafter. Erst mit 67 Jahren in Rente gehen, nicht mit ihnen.

    "Weil ich nicht so lange arbeiten möchte, weil ich das nicht schaffe, in der Post arbeite ich, am Schalter. Da verkaufe ich die Riester-Rente, die kein Mensch haben will."

    "Ich bin Sozialarbeiterin. Können Sie sich vorstellen, dass Kinder mit mir mit 67 noch Verstecken oder Haschen spielen wollen? Ich kann es mir nicht vorstellen, ich denke, da gehören junge Leute hin."

    "Bei den wirtschaftlichen Verhältnissen wird keiner bis 67 arbeiten können, jedenfalls nicht die, die schwer arbeiten. Die Herren, die hier mit dem Auto vorgekarrt werden, die werden das vielleicht durchhalten, und bei dem Verdienst kann man das auch mit 70. Aber wer richtig Handwerker ist und wer richtig hart arbeiten muss, zum Beispiel unsere Zusteller, der hält das überhaupt nicht durch."

    Die Gewerkschafterseele kocht. Mit Rasseln und Tröten demonstrieren sie seit Wochen bundesweit gegen eines der wichtigsten Projekte des sozialdemokratischen Arbeitsministers Franz Müntefering. Bis zum Alter von 67 sollen die Deutschen in Zukunft Versicherungen verkaufen, Autos entwerfen und Kinder unterrichten. Das Kabinett hat der Rente mit 67 schon zugestimmt, morgen soll der Bundestag darüber entscheiden. Die Proteste der Gewerkschaften sind auch bis zum Arbeitsminister vorgedrungen, doch für ihn gibt es keine Alternative zur Rente mit 67.

    "Wir tun das, weil wir für den demografischen Wandel und seine Folgen vorsorgen wollen. Dieser demografische Wandel ist ein Fakt, die Zahlen stehen fest, und sind teilweise recht erfreulich, wie gesagt, wir leben länger, klopfen auf Holz, hoffen, Sie sind mit dabei. Das ist eine rundum positive Entwicklung. Aber das Ganze stellt unsere Sicherungssysteme natürlich auch vor große Herausforderungen. Die Balance ist schwierig. 1960 wurden im Durchschnitt 10 Jahre Rente gezahlt, heute 17 Jahre, im Jahr 2030 würden es 20 Jahre sein, wenn wir nichts verändern, von 10 auf 20. Wir leben länger, arbeiten aber nicht länger, sondern insgesamt eher kürzer. Und da muss man gar nicht Mathematiker sein, da reicht halt Volksschule Sauerland, um zu wissen: Kann nicht hinhauen."

    "Warum ich gegen die Rente mit 67 protestiere? Weil ich glaube, dass man damit nur versucht, den Menschen später die Rente zu ermöglichen, sag ich mal, also die Rente später zu bezahlen, zu kürzen, und ich finde, das ist einfach ein Betrug an den Menschen, die lange genug gearbeitet haben."

    Weil es schon mit 50 keine Arbeit geben tut. Deshalb, und es wird ja immer schlimmer. Gibt ja schon wieder Leute, die sagen, dass bis 67 gar nicht mehr reichen tut. Man soll ja schon mit 69 gehen. Wo soll das hinführen? Deshalb bin ich hier."

    "Dass das einfach nicht so geht, dass man schon mit 50 kaputt ist in dieser hektischen Zeit. Das geht auch mit auf die Gesundheit, und das packen Sie nicht mehr bis 67."

    Weil es mich auch betrifft und meine Kinder auch. Ich bis 66 und 2 Monate, möchte ich nicht."

    Doch genau um ihre Kinder geht es Franz Müntefering. Denn die junge Generation muss für die Renten der Älteren aufkommen. Und je früher diese in den Ruhestand gehen, desto teurer wird es für die Jüngeren. Franz Müntefering:

    "Heute kommen in Deutschland auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter 28, die 65 und älter sind. 2050 werden das nicht mehr 28 sein, sondern 60. Anders ausgedrückt: Es werden im Jahre 2050 2 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, 1,9 genauer, dafür zuständig sein, für einen Rentner und eine Rentnerin Beiträge zu zahlen oder Steuern zu zahlen, damit Renten gezahlt werden können. Dieses Verhältnis 1:2 war vor 30 Jahren 1:8, und das ist heute 1:3,2, aber es verändert sich eben dahin, und die Zahlen sind da, davor kann man nicht weglaufen."

    Auch das Statistische Bundesamt prognostiziert eine älter werdende Gesellschaft. Nach seiner jüngsten Prognose wird es im Jahr 2050 doppelt so viele 60-Jährige geben wie Neugeborene. Es zeichnet sich zudem ein Anstieg des Durchschnittsalters der Bevölkerung von heute 42 auf dann 50 Jahre ab. Experten zufolge ist der Schritt dringend notwendig. Sie sagen, zur Rente mit 67 gebe es keine Alternative. Der Wirtschaftswissenschaftler Eckhard Bomsdorf:

    "Dieses Verhältnis verändert sich immer drastisch weiter. Leider haben das auch manche immer noch nicht verstanden, egal von welcher Partei sie sind. Sie haben immer noch Zahlen, vermitteln 4:1. Wenn wir wirklich ein Verhältnis 4:1 hätten, müssten wir alleine schon deshalb über 100 Millionen Einwohner haben. Also, die Situation ist wirklich schwierig ,und wir sollten dieser Rente mit 67 ab 2029, und das muss man noch dazu sagen, nichts in den Weg legen. Meines Erachtens gibt es keine vernünftige Alternative."

    Bert Rürup, Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung:

    "Wir haben eine Zunahme der Lebenserwartung in der Größenordnung von etwa 30 Tagen pro Jahr. Diese Kosten fallen an, und die Politik, die kann nur entscheiden, wo sie sie anlasten wird. Wenn man diese Altersgrenze nicht anhebt, dann fallen die Kosten trotzdem an. Und sie würden dann aber von anderen Gruppen getragen werden. Das werden entweder die Beitragszahler, dann würden die Beiträge entsprechend hoch gehen, oder die Rentner, dann würde das Rentenniveau weiter runter gehen. Wir müssen natürlich auch sehen, dass durch die Anhebung der Altersgrenze die Renten perspektivisch um 1,8 Prozent höher sein werden. Deshalb denke ich, ist das eine richtige und sinnvolle Maßnahme."

    Das Ziel der Reform ist es, den Rentenbeitrag stabil zu halten. Seit Jahresbeginn liegt er bei 19,9 Prozent. Trotz der Alterung der Gesellschaft soll er bis 2020 nicht über 20 Prozent steigen und bis 2030 nicht über 22 Prozent. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla warnt, ohne die Rente mit 67 würden die staatlichen Zuschüsse zur Rentenversicherung ins Uferlose steigen.

    "Aus dem Bundeshaushalt zahlen wir in diesem Jahr bei einem Gesamthaushalt von rund 250 Milliarden Euro 80 Milliarden Euro Zuschuss. Wenn wir diese Entwicklung weiter voranschreiten lassen, dann frisst die Rente unsere gesamte staatliche Finanzierung auf."

    Auch der CDU-Sozialpolitiker Ralf Brauksiepe verteidigt die Rente mit 67 und sagte im Bundestag:

    "Die Altersgrenze 67 steht nicht heute an, auch nicht übermorgen, wie von Kritikern immer wieder suggeriert wird. In den nächsten fünf Jahren ändert sich beim Renteneintrittsalter überhaupt nichts, und erst 2012 beginnen wir sehr behutsam, pro Jahr ein Monat, mit der Erhöhung des Renteneintrittsalters."

    Das Renteneintrittsalter soll stufenweise von 2012 an auf 67 Jahre angehoben werden. Die Umstellung beginnt mit dem Geburtsjahrgang 1947, der bis zur vollen Rente einen Monat länger arbeiten soll. Die 1964 geborenen sind dann der erste Jahrgang, für den das neue Rentenalter gilt. Die Anhebung vollzieht sich bis 2023 in Monatsschritten, danach bis 2029 in Zwei-Monatsschritten.

    Doch die Argumente der Befürworter kommen bei den Deutschen nicht an. Einer Umfrage zufolge lehnen über 80 Prozent die Anhebung des Rentenalters ab. An die Spitze der Unzufriedenen haben sich die Gewerkschaften gesetzt. Der Vorsitzende der Gewerkschaft IG BAU, Klaus Wiesehügel, wirft der Bundesregierung Rentenkürzung vor.

    "Bei denjenigen, die lange Jahre gearbeitet haben, oft mit 16 schon in einen schweren Beruf hineingegangen sind, bei denen ist da einfach Schluss, die können dann auch nicht länger arbeiten. Es geht nicht nur darum, ob die Industrie sie nicht mehr beschäftigt, es geht auch bei vielen darum, dass sie den Job auch einfach nicht mehr machen können in einem bestimmten Alter. Da ist mit 60 eine wirkliche Grenze, und wenn jetzt gesagt wird, mit 67 kannst du erst in Rente gehen und ansonsten nur mit hohen Abschlägen drohen, dann bedeutet das nichts anderes, als den Menschen, die heute 30, 40 Jahre alt sind, schon jetzt zu sagen: Dein Lebensziel ist die Armut."

    Klaus Hartung ist aus Halle an der Saale nach Berlin gekommen. Der 47-Jährige arbeitet auf dem Bau und hatte schon zwei Bandscheibenvorfälle. Erst mit 67 in Rente gehen, für ihn nicht vorstellbar. Und er macht klar, warum. Sein Arbeitsalltag besteht vor allem aus einem:

    "Körperlich schwere Arbeit. Wir haben zwar genug Hilfsmittel heutzutage, wenn man an Technik denkt, aber auf dem Bau bleibt Handarbeit Handarbeit, und ein Stein wiegt drei, vier Kilo, eine Bohle wiegt sein Gelumpe, wir sind bei Wind und Wetter draußen, was natürlich auch auf die Knochen geht. Und aus dem Grund alleine schon ist es gesundheitlich gar nicht machbar, weil: Man ist mit 50/55, die meisten schon eher, körperlich kaputt."

    Die Politiker der Großen Koalition kennen die Einwände. Klaus Brandner, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag und Geschäftsführer der IG Metall Gütersloh:

    "Insbesondere sind die Arbeitgeber gefordert, die Arbeit so zu organisieren, dass man länger in bestimmten Arbeitsverhältnissen bleibt. Zum anderen ist es so, dass man ja auch nicht nur handwerklich auf dem Dachstuhl arbeitet, sondern vorbereitende Arbeiten sind, Lagerarbeiten sind, Planungsarbeiten sind, Dienstleistungen organisiert werden. Das heißt, das im Grunde in unserer Gesellschaft der Teil der produktiven Arbeit eher zurückgeht und der Teil der organisatorischen Dienstleistungen zunimmt."

    Doch nicht nur Appelle an die Arbeitgeber sollen dem Projekt Rente mit 67 die Zustimmung der Bevölkerung sichern. Die Regierung plant eine Reihe von Regeln, die die Ängste zerstreuen sollen. So ist zum Beispiel geplant, dass Versicherte, die bereits 45 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, auch schon mit 65 ohne Abschläge in Rente gehen können. Genau diese Regelung stößt bei Experten und der Opposition auf wenig Zustimmung. Heinrich Kolb, FDP:

    "Darüber hinaus sind die allermeisten Sachverständigen, Tarifparteien, auch Parteien, außer der Koalition natürlich, in ihrer Ablehnung der abschlagsfreien Rente mit 45 Beitragsjahren einig, weil sie systemwidrig und ungerecht ist, auch benachteiligend für schwächere Personengruppen."

    In den mehreren Stellungnahmen bei einer Expertenanhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales hieß es, Bauarbeiter könnten oft schon nach 20 oder 30 Berufsjahren nicht mehr arbeiten. Ihr Körper halte die Belastungen nicht länger aus. Sie könnten diese Regelung daher nicht nutzen. Begünstigt würden stattdessen Facharbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst. Für Axel Reimann, Direktor der Deutschen Rentenversicherung Bund, ist zudem problematisch,

    "'"dass faktisch die Anspruchsvoraussetzungen regelmäßig nur von Männern erfüllt werden können, und auch hier nur in etwa einem Umfang von einem Drittel. Der Anteil der Frauen im Rentenzugang, die diese Voraussetzungen erfüllen, liegt gegenwärtig bei vier Prozent. Selbst wenn man die Verlängerung der Lebensarbeitszeit mit einberechnet und auch die veränderten Erwerbsbiografien, könnte dieser Anteil sich so in der Größenordnung zehn Prozent vielleicht erhöhen. Aber die unterschiedliche Wirkung in Richtung von Frauen und Männern ist hier auf der Hand, und insofern denke ich, ist in der Tat fraglich, ob diese Regelung wirklich sinnvoll ist.""

    Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände warnt, durch diese Regelung falle die angestrebte Entlastung der Rentenkassen im Jahr 2030 um rund zwei Milliarden Euro geringer aus. Zudem biete die Regelung falsche Anreize für diejenigen, die bis 67 arbeiten könnten.

    "Weil das eigentlich ein Betrug für alle arbeitnehmenden Menschen ist, weil: Man muss sich die Frage stellen, wie lange arbeiten Leute realistisch? Viele sind mit 50 vielleicht in der Arbeitslosigkeit, bekommen keinen Job. Es wird doch kein Mensch bis 67 arbeiten. Ab 50 werde ich keinen Arbeitsplatz mehr haben oder die meisten nicht, beziehungsweise 55 - und wenn dann Firmen geschlossen werden, was heißt das? Da ist der Mensch draußen, und dann ist er rucki-zucki Hartz IV, und das ist eine Sauerei, und das haben wir nicht verdient."

    DGB-Chef Michael Sommer: "Wir haben derzeit 1,2 Millionen Arbeitslose im Bereich von 55-Jährigen und Älteren bis 64. Angesichts von 1,2 Millionen Arbeitslosen, älteren Arbeitslosen, über die Verlängerung der Rente nachzudenken, ist schlicht und ergreifend Unsinn, um nicht zu sagen, es ist unsozial, Kolleginnen und Kollegen."

    Tatsächlich sind in Deutschland nach Angaben des Arbeitsministeriums 55 Prozent der über 55-Jährigen nicht mehr berufstätig. Aus diesem Grund plant die Regierung flankierende Maßnahmen. Die Rente mit 67 gibt es zusammen mit 50plus. Der Unionspolitiker Wolfgang Meckelburg:

    "Wir haben mit der Initiative 50plus vor, dass die Beschäftigungsfähigkeit und Beschäftigungschancen Älterer verbessert werden. Das sind zwei Seiten: die Fähigkeit zu verbessern, aber auch die Chance wieder in den Arbeitsmarkt reinzukommen."

    Initiative 50plus - unter diesem Namen hat Arbeitsminister Franz Müntefering eine Reihe von Maßnahmen zusammengefasst, mit denen er die Chancen Älterer am Arbeitsmarkt erhöhen möchte. Er will das Lissabon-Ziel der Europäischen Union erreichen und bis zum Jahr 2010 die Erwerbstätigenquote der über 55-Jährigen auf 50 Prozent anheben. Zu den geplanten Maßnahmen gehört unter anderem ein Kombilohn für ältere Arbeitslose. Wenn diese eine Beschäftigung mit einem niedrigeren Nettogehalt als vor ihrer Arbeitslosigkeit aufnehmen, sollen sie einen Teil dieser Differenz erstattet bekommen. Zudem sollen Unternehmen, die Ältere einstellen, einen Eingliederungszuschuss erhalten können. Und es ist geplant, die Weiterbildung von Älteren zu fördern. Für die Opposition sind all diese Ideen völlig unzureichend. Irmingard Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen:

    "Für uns Grüne ist die Voraussetzung für die Rente mit 67 die Integration Älterer in den Arbeitsmarkt. Aber, Herr Minister Müntefering, ihre Initiative 50plus reicht nicht aus."

    Doch für Arbeitsminister Franz Müntefering ergänzt die Initiative 50plus die Pläne zur Anhebung des Rentenalters:

    "Wir wollen, dass die Lebensarbeitszeit wächst. Ich bekenne mich ausdrücklich dazu, das ist nicht ganz unumstritten, wir kümmern uns auch darum, dass dafür die nötigen Arbeitschancen auch bestehen, und zwar so, dass Erfolge schon da sind, wenn die Anhebung des Renteneintrittsalters 2012 langsam beginnt. Wir müssen die lange Strecke der nächsten zwei, drei Jahrzehnte sehen. Bis 2029 sind es 20 Jahre, da wird sich vieles verändern. Wir müssen jetzt beginnen, wir müssen es jetzt anpacken und müssen jetzt die Konsequenz ziehen für das, was sich da andeutet."

    Für die Gegner des Projekts Rente mit 67, allen voran die Gewerkschaften, reicht das nicht aus. DGB-Chef Michael Sommer:

    "Sie wissen auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Leute nicht bis 67 arbeiten können und arbeiten werden. Einige Universitätsprofessoren vielleicht ausgenommen, die ihre Assistenten für sich arbeiten lassen. Die normalen Menschen sind fertig, wenn sie 65 sind, und an die müssen wir denken."

    Kritik an der Rente mit 67 kommt jedoch nicht nur von den Gewerkschaften. Der Sozialdemokrat Franz Müntefering muss bei der Abstimmung im Bundestag mit Gegenstimmen aus seiner eigenen Partei rechnen. Bei einer Probeabstimmung in der SPD-Bundestagsfraktion erhielt der Gesetzentwurf in dieser Woche etwa 20 Gegenstimmen. Die Abgeordneten des linken Parteiflügels wollen erreichen, dass die Lebensarbeitszeit nur dann verlängert wird, wenn 2010 mehr als die Hälfte der 55 bis 65-Jährigen einen regulären Job hat. Doch der Arbeitsminister ist zuversichtlich, dass die Verschiebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre morgen beschlossen wird.

    "Das ist doch nicht neu. Das ist bei den Gewerkschaften sehr umstritten, und natürlich auch Teile meiner Partei sind da zweifelnd, aber ich bin sicher: Wir werden das Gesetz am Freitag beschließen, übrigens auch das Gesetz Initiative 50plus. Wir werden aber weiter arbeiten, das ist ja auch immer klar gewesen, an der Verbesserung der Altersvorsorge, an der Riester-Rente und an der Humanisierung der Arbeitswelt. Und dieser letzte Punkt ist unendlich wichtig, dass wir altersgerechte, altengerechte Arbeit haben in Deutschland, und daran werden wir arbeiten und sicher, in der Partei und in der Fraktion."

    Erst zu Beginn der Woche hatte das SPD-Präsidium eine Arbeitsgruppe beschlossen. Sie soll bis zum Jahresende Vorschläge zur Abfederung von Härten bei der Rente mit 67 machen. Das Gremium solle vor allem Eckpunkte für einen flexiblen Renteneintritt erarbeiten, hatte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil angekündigt. Im Blickpunkt stünden dabei diejenigen, die das gesetzliche Renteneintrittsalter zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen nicht erreichen könnten. Während dem Arbeitsminister in Deutschland die Abstimmung über sein Reformvorhaben noch bevorsteht, ist die Anhebung des Rentenalters in anderen europäischen Ländern schon beschlossene Sache.

    Da die Bevölkerung immer älter wird, geraten die Regierungen europaweit unter Druck. In Großbritannien hatte die Regierung bereits Ende 2006 ein Gesetz vorgestellt, nach dem das Rentenalter bis zum Jahr 2046 schrittweise auf 68 Jahre angehoben werden soll. Bisher arbeiten Männer dort bis 65 Jahre, Frauen bis 60 Jahre. Zudem soll die Entwicklung der Renten künftig nicht mehr an die Inflation, sondern an die Entwicklung der Einkommen angepasst werden. In Dänemark haben sich die Regierung und die meisten im Parlament vertretenen Parteien auf eine Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre geeinigt. Die Regelung wird ab 2019 schrittweise eingeführt. Trotz der Proteste der Gewerkschaften und des Unmuts in den Reihen der Sozialdemokraten, die Rente mit 67 wird wohl morgen den Bundestag passieren. Doch die Gewerkschaften haben schon klar gemacht, dass der Kampf für sie damit noch nicht zu Ende ist.

    "Selbst wenn an der einen oder anderen Stelle noch etwas nachgebessert werden sollte: Das Grundübel, dass wir bis 67 arbeiten sollen und es nicht können, bleibt. Und deswegen werden wir den Kampf die Rente mit 67 fortsetzen, selbst wenn der Bundestag es beschließt, dann machen wir es zum Thema der Bundestagswahl 2009, Kolleginnen und Kollegen."