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Lärm im Krankenzimmer

Nicht nur Anwohner klagen über den gestiegenen Fluglärm in Frankfurt. Auch in der Mainzer Uniklinik ist es lauter geworden. Mit drastischen Folgen für die Patienten klagen die Ärzte.

Von Ludger Fittkau | 07.02.2012
    "Die Spitzenschall-Pegel, die erreicht werden, liegen bei 70 bis 75 Dezibel. Ich persönlich kann sagen, dass bei gekippten Fenstern ein auskultieren der Patienten praktisch gar nicht mehr möglich ist."

    Auskultieren – das ist das Abhören eines Patienten mit dem Stethoskop. Es sind Herzpatienten, die Professor Thomas Münzel an der Mainzer Uniklinik untersucht. Seit die neue Nordwest Landebahn des Frankfurter Flughafens im Herbst in Betrieb ging, sieht Münzel eine unerträgliche Belastung für seine Patienten:

    "Ja, sie müssen sich vorstellen, hier liegen Kinder, die schwer krank sind, die besonders lärmempfindlich sind. Hier liegen Herzinfarkte, die absolute Ruhe brauchen. Also ich glaube, wir wissen es noch nicht genau, dass durch die zusätzlichen Belastungen, die durch die neue Landebahn gekommen sind, sicherlich eine Gefährdung ausgehen wird."

    Gleich drei Mainzer Krankenhäuser sind unmittelbar durch die Anflüge der Jets auf die neue Nordwest Landebahn am 20 Kilometer östlich gelegenen Frankfurter Flughafen betroffen. Thomas Münzel ist vor einigen Jahren aus Baden an das Mainzer Uniklinikum gekommen, wo er jetzt eine der 60 Fachkliniken leitet. Er kann nicht begreifen, dass die rheinland-pfälzische Politik diese Flugrouten zugelassen hat und fordert eine Klage des Landes, um die Belange der Universitätsmedizin zu wahren. Zuständig ist das Mainzer Wissenschaftsministerium. Der dortige sozialdemokratische Staatssekretär Michael Ebling versichert, man habe durchaus an den Klageweg gedacht:

    "Diese Frage haben wir ausdrücklich prüfen lassen, durch das Verkehrsministerium und der Rat war, das die Chancen, wenn die Universitätsmedizin als belastete Universitätsmedizin selbst klagt, außerordentlich gering seien. Deswegen wurde darauf verzichtet. Nichtsdestotrotz weiß ich, dass viele Klinikchefs, dass auch der Vorstand selbst sich gegen weitere Belastungen engagieren, das ist schon mal ein wichtiger Beitrag."

    Auch der Mainzer Bürgermeister Günter Beck von den Grünen hält es für unerträglich, dass die Flugzeuge nun unmittelbar über drei Mainzer Kliniken und die südlichen Stadtviertel ihren Landeanflug auf Frankfurt am Main durchführen:

    "Das ist für viele Menschen eine psychische Belastung, führt zu Schlafstörungen und zu Herz-Rhythmus-Störungen und das muss man ernst nehmen."

    Der Kardiologe Thomas Münzel von der Mainzer Universitätsmedizin verweist auf eine Studie, die am Londoner Flughafen Heathrow bereits abgeschlossen worden sei und die Gesundheitsschäden bei Anwohner festgestellt habe. Auch an seiner Klinik laufen gerade zwei große Studien zu Lärmbelastungen in der Region, in denen auch die Auswirkungen des Fluglärms mit untersucht werden:

    "Also ich denke, dass diese neue Landebahn mit ihren Überflügen über Mainz und Rheinhessen, dass vor allem die Kinder mitbetroffen sein werden. Wir wissen ja von Studien, die in Heathrow durchgeführt wurden, dass es zu psychomotorischen Entwicklungsstörungen der Kinder kommt, dass Konzentration und Lernfähigkeit doch dramatisch zurückbleiben, das sind Dinge, die schon bekannt sind, die man nicht erst studieren muss und insofern muss es doch ein höchstes Anliegen der Politik sein, hier zu reagieren, um solche negativen Auswirkungen auf die Entwicklung unserer Kinder zu verhindern.
    Ich denke auch, wenn wir es nicht schaffen, den Fluglärm, wie er aktuell über Mainz ist und unter der Perspektive, dass noch einmal 250.000 Flugbewegungen hinzukommen - dann ist Rheinhessen und Mainz sicherlich am Ende."