Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Lage der Rohingyya in Myanmar
Das Elend der Ungewollten

Vor der Militärgewalt sind fast 600.000 Rohingya nach Bangladesh geflohen. Aber auch innerhalb Myanmars gibt es Flüchtlinge, die sich zu Tausenden in die Lager bei Sittwe gerettet haben. Hungernd, lethargisch und gehasst inzwischen auch von der buddhistischen Bevölkerung warten sie auf Hilfe.

Von Holger Senzel | 23.10.2017
    Das Bild zeigt muslimische Kinder im Lager Da Paing IDP bei Sittwe im Bundesstaat Rakhine.
    Mehr als die Hlfte der geflüchteten Muslime sind Kinder (AFP / Hla Hla Htay)
    Es gibt unterschiedliche Realitäten in Myanmar. Da sind die Vereinten Nationen, die von "ethnischer Säuberung" sprechen im Zusammenhang mit den Rohingya. Die USA fordern das burmesische Militär auf, die Tragödie zu beenden, Human Rights Watch klagt Menschenrechtsverbrechen an. Und da ist De-facto-Staatschefin Aung San Suu Kyi, die keine Ahnung davon haben will, warum die Royhingya fliehen und wieso dieser Exodus im Rakhine Staat stattfindet.
    "Wir wollen das aber herausfinden, was die Ursachen dieses Exodus sind."
    Hass eher noch gewachsen
    Zwar hat die Armee ihre als Anti-Terror-Kampf bezeichneten Einsätze im Rakhine Staat seit dem 15. September gestoppt - doch der Hass auf die Rohingya ist eher noch gewachsen in der allerärmsten Provinz Myanmars. Die massive internationale Kritik an der Verfolgung der muslimischen Minderheit hat zu einer Art Solidarisierung der buddhistischen Bevölkerung geführt. Hilfstransporter für die Rohingya werden angegriffen, ausländische Reporter attackiert - Mönche in karmesinroten Roben rufen in Hetztiraden zur Vertreibung der Muslime auf.
    Miserable Versorgungslage
    Fast 600.000 Rohingya sind über die Grenze nach Bangladesh geflohen - mehr als die Hälfte von ihnen Kinder. Dabei werden oft die Flüchtlinge innerhalb Myanmars vergessen, Tausende haben sich in die Lager bei Sittwe vor der Gewalt gerettet. Graubraune, öde Wüstenflecken mit langen Reihen Holzhütten, die Menschen sitzen lethargisch in der prallen Sonne - sie dürfen die Lager nicht verlassen, Militär hat das Gelände abgeriegelt, die Versorgungslage ist miserabel. Kinder betteln die Besucher der Hilfsorganisationen um Essen an:
    "Bitte gebt mir etwas", fleht dieser Junge. "Ich habe seit drei Tagen nichts gegessen - etwas Reis, bitte gebt mir etwas."
    Die Lage hier ist sehr schlecht, ergänzt eine Frau mit Säugling auf dem Arm.
    "Meine älteste Tochter ist krank, aber es kommt kein Arzt. Das Dorf, aus dem ich geflohen bin, wurde angezündet, alles brannte lichterloh, dann fielen Schüsse, viele starben. Ich habe meine Kinder genommen und bin nur gerannt. Ich weiss nicht, wo mein Mann ist, ob er noch lebt. Ich wollte über die Grenze nach Bangladesh - aber da soll es genauso schlecht sein."
    Die wahre Macht hat immer noch die Armee
    Some Hope - etwas Hoffnung, so heißt das Lied über Aung San Suu Kyi, das sie immer noch mehrmals täglich im Radio spielen. Sie ist eine Heldin, fast Heilige für die meisten Burmesen, und das könnte sich schnell ändern, wenn sie sich stärker für die ungeliebten Rohingya einsetzen würde. Es ist unwahrscheinlich, dass sie die wahre Lage der Rohingya nicht kennt - auch wenn sie deren Verfolgung relativiert. Der tatsächliche Einfluss von Mutter Suu ist ohnehin begrenzt: Die wahre Macht in Myanmar hat immer noch die Armee. Auch wenn die Generäle es perfekt verstanden haben, die Friedensnobelpreisträgerin als Verantwortliche ins Rampenlicht zu schieben.