Chris Dercon äußert sich öffentlich

Künstler: Narren der Politik

Der Ex-Volksbühnenintendant Chris Dercon
Der frühere Volksbühnenintendant Chris Dercon © Paul Zinken/dpa
Marten Hahn im Gespräch mit Andrea Gerk · 27.04.2018
Vor zwei Wochen nahm der umstrittene Intendant der Berliner Volksbühne, Chris Dercon, seinen Abschied. Erstmals seit seinem Abgang äußerte er sich in London nun öffentlich und beklagte, Künstler seien nur Narren der Politik.
Das Londoner Goethe-Institut hatte zu einer Konferenz über die Krise des europäischen Theaters eingeladen. Die "Causa Dercon" habe die Diskussionen dominiert, sagte unser Korrespondent Marten Hahn im Deutschlandfunk Kultur, der an der Konferenz "Systemische Krisen im Europäischen Theater" des Goethe-Instituts in London teilnahm.

Austeilen gegen Politik und Presse

"Auf den ersten Blick wirkte er sehr gut gelaunt, er hat Witze gemacht und einige Lacher im Publikum kassiert", beschrieb Hahn den ersten öffentlichen Auftritt von Chris Dercon, der vor zwei Wochen seinen Intendantenposten an der Berliner Volksbühne hingeschmissen hatte. "Aber, wie verletzt er dann doch war, das sah man, wenn er ausgeteilt hat, zum Beispiel gegen die Politik." Dercon habe gesagt, Künstler seien nur Narren der Politik und habe gegen den Berliner Kultursenator Klaus Lederer gewettert. Dercons Kritik habe sich auch gegen die Presse gerichtet. Er sei nicht bereit gewesen, Interviews zu geben oder Fragen der anwesenden Journalisten zu beantworten.
Das Gebäude der Volksbühne in Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
Wie es mit der Berliner Volksbühne nach dem Weggang von Chris Dercon weitergeht, ist bislang auch noch unklar © picture alliance / ZB / Jens Kalaene

Klare Fronten in der Debatte

"Aber das Publikum, das war sehr wohlwollend", sagte Hahn. Dercon sei als früherer Direktor der Tate Modern Gallery sehr angesehen und habe sich bei der Konferenz unter Gleichgesinnten gefühlt. Ein anwesender Theaterwissenschaftler habe Berlin angesichts des Streits um die Volksbühne mit Papua-Neuguinea verglichen. "Da waren dann bald die Fronten klar, auf der einen Seite das kleinbürgerliche, engstirnige, linke Berlin gegen das weltoffene, neoliberale London." Genau das, seine Jahre in der Finanzmetropole London, habe man Dercon in Berlin auch vorgeworfen, sagte Hahn.

Verwirrung nach dem Konflikt

Dercon beklagte, man habe ihn in der deutschen Presse mit Klischees bedacht, ein neoiliberaler Globalist zu sein. In München hätten ihm dies die Konservativen vorgeworfen, als er dort am Haus der Kunst tätig war. Nun komme dieser Vorwurf von den Linken. Er sei darüber verwirrt. Als Begründung für seinen Weggang sagte Dercon, er habe angesichts der geringen Zuschauerzahlen nicht gewollt, dass die eingeladenen Künstler an der Volksbühne unter seiner Anwesenheit zu leiden hätten. Einen Plan B habe er nie gehabt und suche jetzt einen neuen Job. (gem)
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