Mittwoch, 24. April 2024

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Personalmangel
"Junge Menschen wissen nicht, wie vielfältig der Öffentliche Dienst ist"

Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, müssten junge Menschen für eine Karriere im Öffentlichen Dienst begeistert werden, sagte Karoline Hermann vom Jugendverband des Deutschen Beamtenbundes im Dlf. Dafür müssten vor allem das Gehalt angehoben und Weiterbildungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Karoline Hermann im Gespräch mit Stephanie Gebert | 07.01.2020
Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst
Um Schulabgänger für den Öffentlichen Dienst zu gewinnen, müsste es mehr Gehalt und flexiblere Arbeitsmöglichkeiten geben, so Herrmann (dpa/Axel Heimken)
Stephanie Gebert: Der Staat muss sich was einfallen lassen, um Schulabgänger und Studierende zu erreichen. Das ist jetzt keine neues Problem, aber ein immer akuteres – wir man an den aktuellen Zahlen ablesen kann. Im Moment fehlen im öffentlichen Dienst 300.000 Menschen und durch die anstehenden Pensionierungen werden da nochmal viele weitere oben drauf kommen. Wie neues Personal rekrutiert werden kann, darüber macht sich Karoline Hermann von der dbb-Jugend ihre Gedanken. Ich wollte von ihr wissen, wo denn die konkreten Verbesserungsvorschläge bleiben, nachdem wir schon seit Jahren wissen, dass es Nachwuchsprobleme im öffentlichen Sektor gibt und wir offensichtlich bei der Problem-Beschreibung hängen bleiben.
Karoline Hermann: Das ist ganz klar, dass wir das, wie Sie ja schon sagen, schon länger fordern, weil der Öffentliche Dienst kaputtgespart wurde. Attraktivitätsverbesserungen wären da natürlich zum einen das Gehalt, das dann nicht von der privaten Wirtschaft abgekoppelt wird, und zum anderen natürlich auch Attraktivitätsmerkmale, die die Work-Life-Balance betreffen, das heißt, Telearbeit, mobiles Arbeiten, da könnte der Öffentliche Dienst punkten, da ist noch Verbesserungsbedarf. Und natürlich auch die Wertschätzung des eigenen Personals. Also das bedeutet, das Personal zu schützen, gerade, man hört das ja immer wieder, dass es Angriffe auf Staatsbedienstete gibt, und da sich auch wirklich entschieden davorzustellen.
Gebert: Was bisher kam, und was Sie auch als erstes sagten, war, dass man vor allem das Geld als Lockmittel nutzen möchte, etwa zum Beispiel, wenn man Mitarbeiter im IT-Bereich braucht, weil es so dringend ist. Das scheint aber lange nicht auszureichen, denn es wurde ja schon eingesetzt, und trotzdem sind nicht genug Mitarbeiter da.
Hermann: Gerade im IT-Bereich ist es ja so, dass oft vieles über Zulagen geregelt wird, womit neue Beschäftigte, die man gewinnen möchte, für den Öffentlichen Dienst gelockt werden, aber das bestehende Personal nichts davon hat, und das sehen wir als großes Problem, was auch die Wertschätzung angeht.
Silberbach, Vorsitzender des Beamtenbundes - "Jetzt rächt sich, dass man über Jahre den öffentlichen Dienst kaputtgespart hat"
Ulrich Silberbach hat die Politik für den Umgang mit dem Öffentlichen Dienst kritisiert. Überall fehle Personal. Dabei hätten "junge Menschen wieder Spaß am öffentlichen Dienst", sagte er im Dlf.
"Es muss etwas zum Schutz der Mitarbeitenden passieren"
Gebert: Jetzt ist ja ein Plus im Öffentlichen Dienst, dass ich einen sicheren Arbeitsplatz habe. Wer aber gerade ein Studium abgeschlossen hat, ist vielleicht nicht unbedingt auf der Suche nach einem Job auf Lebenszeit, sondern sucht gute Karriereoptionen. Ist das ein Punkt, wo die Verwaltungen sich besser aufstellen müssten?
Hermann: Natürlich. Perspektiven spielen gerade für junge Menschen immer eine Rolle, also dass man wirklich auch noch Entwicklungsmöglichkeiten hat, und auch da ist es natürlich ausbaufähig, da wirklich vernünftige Personalentwicklungskonzepte zu haben, wo die jungen Menschen auch sehen, okay, wenn ich eine gewisse Leistung bringe, kann ich da auch noch mich weiter fortbilden und weiterbilden und entsprechend dann auch vielleicht perspektivisch auch weiterkommen im Job. Die eine Stelle, die ich habe, ist nicht in Stein gemeißelt.
Gebert: Jetzt sagen Sie, das ist ausbaufähig, wir wünschen uns gerne, wir fordern seit Jahren – warum passiert nix?
Hermann: Weil man wahrscheinlich nicht früh genug erkannt hat oder erkennen wollte, dass man da ein Personalproblem hat, dass man lieber sparen wollte. Überall steht die schwarze Null im Raum, und das ist wahrscheinlich ein großes Problem gewesen, dass es immer noch irgendwie ja noch funktioniert hat, denn wir haben einen leistungsfähigen Öffentlichen Dienst, weil wir tolle Mitarbeitende haben, und diejenigen, die wuppen das. Aber wir sehen auch, dass Krankheitsstände sich verändern, und dementsprechend muss da zum Schutz der Mitarbeitenden endlich was passieren.
"Die jungen Menschen wissen nicht, wie vielfältig der Öffentliche Dienst ist"
Gebert: Gibt es vielleicht auch andere Ausspielwege, andere Werbemittel, die benutzt werden müssen, um junge Leute, die gerade aus dem Studium kommen oder von der Schule kommen, anzusprechen? Was ist Ihre Idee als dbb-Jugend? Wie kann man an die entsprechenden möglichen Kandidaten herankommen?
Hermann: Also natürlich sollte man auch verstärkt die sozialen Medien nutzen wahrscheinlich, um an die jungen Menschen heranzutreten, um mit denen zu kommunizieren. Und auch, was wir ganz oft feststellen, ist, dass die jungen Menschen gar nicht wissen, dass ihnen gar nicht bewusst ist, wie vielfältig der Öffentliche Dienst auch ist, also dass man in vielen, vielen verschiedenen Bereichen arbeiten kann, dass man, wenn man einmal eine Ausbildung oder ein Studium gemacht hat, dass man dann nicht auf eine Schiene festgefahren ist, sondern wirklich in vielen verschiedenen Bereichen arbeiten kann und da auch durchaus mal wechseln kann noch.
09.04.2018, Berlin: Karoline Herrmann, Bundesjugendvorsitzende des dbb beamtenbund und tarifunion spricht bei einer Kundgebung des dbb. 
Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes müssten besser geschützt werden, findet Karoline Herrmann (picture-alliance / dpa / Arne Bänsch)
Gebert: Das heißt, dass möglicherweise auch Werbung für den Öffentlichen Dienst beziehungsweise das Kennenlernen des Öffentlichen Dienstes mehr in die Schulen muss schon?
Hermann: Definitiv. Dort muss viel mehr klargestellt werden, welche Möglichkeiten es da gibt und welche Perspektiven man dort auch hat und dass man da einen vielfältigen und keinen staubtrockenen Arbeitgeber hat.
Gebert: Jetzt mag aber auch gegen großartige Werbung für den Öffentlichen Dienst sprechen, solche Meldungen von Übergriffen auf Mitarbeiter, zum Beispiel der Stadt Köln oder auch Polizisten und andere Behördenmitarbeiter. Das wirkt sicherlich abschreckend, oder welche Erfahrung machen Sie da?
Hermann: Definitiv. Also auch wenn Schülerinnen und Schüler sich direkt nach Schulabschluss für eine Ausbildung oder ein Studium entscheiden, dass auch die Meinung der Eltern eine Rolle spielt, und wenn die sich Sorgen um ihr Kind machen müssen, spielt das natürlich eine Rolle. Da braucht es auch deutliche Zeichen von Politik und Verwaltungsführung oder Führungen im Öffentlichen Dienst im Allgemeinen, zu sagen, wir stellen uns vor unsere Mitarbeitenden und ergreifen da Maßnahmen, um Gewaltdelikte zu verhindern, anstelle sie unter den Teppich zu kehren. Das fängt unserer Meinung nach auch schon bei Beleidigungen an.
Gebert: Wird da zu wenig getan bislang?
Hermann: Wir erleben das in der Praxis so, dass da schon zu wenig getan wird. Also es schickt sich nicht, wenn es in der eigenen Verwaltungseinheit oder Behörde solche Vorfälle gibt, und dementsprechend möchte man damit auch nicht in der Presse landen und wird da lieber doch mal nicht so viel drüber gesprochen, als das vielleicht notwendig wäre.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.