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Lamers: Sicherung des Friedens ist eine Notwendigkeit

Der Friedensnobelpreis ist hoffentlich nicht nur eine Anerkennung für die bisherigen Leistungen, sagt Karl Lamers (CDU). Er hoffe, dass der Preis auch Ansporn sein werde: zur Lösung der europäischen Probleme und für andere Teile der Welt den Frieden nach europäischem Vorbild zu sichern.

Karl Lamers im Gespräch mit Peter Kapern | 12.10.2012
    Peter Kapern: Mitgehört hat der europapolitische Vordenker der CDU, Karl Lamers. Guten Tag, Herr Lamers!

    Karl Lamers: Guten Tag, Herr Kapern.

    Kapern: Herr Lamers, jetzt will ich zu Beginn des Gespräches mal ein bisschen Wasser in den Wein gießen. Es gibt ja ein Zitat des tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus, und der sagt: "Ich halte die Vergabe des Friedensnobelpreises an die Europäische Union für einen Scherz." Lachen Sie auch?

    Lamers: Nein. Ich lache über Herrn Klaus, den ich gut kenne und dessen engstirnige und nationalistische Einstellung ja aller Welt bekannt ist.

    Kapern: Was halten Sie denn von der Entscheidung des Nobelpreiskomitees?

    Lamers: Nun, ich kann eigentlich dem, was zuvor an Reaktionen gemeldet worden ist, nicht viel hinzufügen. Ich sage zunächst einmal, dass ich mich einfach gefreut habe und auch ein bisschen stolz bin, weil ich einen sicher ganz kleinen und bescheidenen Beitrag aber auch zu dem Aufbau dieses Europas geleistet habe. Und so wird es allen gehen, den Tausenden, ja Millionen, die sich da engagieren, und ich hoffe, wie ja auch schon manch anderer gesagt hat, dass diese Preisverleihung nicht nur als Anerkennung für die bisherigen Leistungen aufgefasst wird, sondern auch als Ansporn, die Probleme, die wir ja zweifelsfrei in der EU haben, zu lösen, und dass es auch ein Ansporn ist für andere Teile der Welt, wo der Frieden ja keineswegs dauerhaft gesichert ist, nach dem Vorbild der Europäischen Union den Frieden zu sichern, das heißt, sich zu vereinigen.

    Und ich hoffe auch, dass gesehen wird, dass es ja eigentlich nicht nur etwas ist, was man aus Gründen des Ideals leisten muss, sondern weil es eine Notwendigkeit ist, in dieser einen Welt den Frieden zu sichern, weil sonst die ganze Welt keine Zukunft hat. Und insofern denke ich immer, dass der Jean Monnet mit seiner wunderbaren Definition Europas als einen Beitrag zu einer besseren Welt Recht hatte. Und schließlich hoffe ich nicht zuletzt, dass die enge und ängstliche Diskussion in unserem Lande zur Eurokrise überwunden wird. Das geht mir wirklich, ich sage es mal salopp, auf den Nerv. Ich könnte es auch pathetischer sagen, könnte sagen, das ist unserer nicht würdig, gerade wo wir ja doch in der gegenwärtigen Situation eine sehr, sehr wichtige Rolle in Europa spielen. Deswegen hoffe ich, dass auch diese Diskussion jetzt überwunden wird.

    Kapern: Herr Lamers, jetzt muss ich aber noch mal etwas aufgreifen, was Sie gesagt haben. Sie haben die Freude bei den Machern, bei denen, die am Werk der EU mitgebaut haben oder mitbauen, beschrieben. Sie haben aber auch eingangs unsere kleine Umfrage gehört unter Kölner Bürgern, und da sagte einer, bevor die den Friedensnobelpreis kriegen, sollen die erst mal was leisten. Jetzt stellt sich doch die Frage, bestätigt das nicht die Vermutung, dass es sich bei der EU um ein Eliteprojekt handelt und draußen auf der Straße noch gar nicht angekommen ist, was diese EU geleistet hat?

    Lamers: Na ja, das ist zum Teil nicht angekommen. Das liegt aber auch mit Verlaub gesagt an den Medien. Ich möchte wirklich ausdrücklich Ihren Sender ausnehmen.

    Kapern: Danke schön!

    Lamers: Ganz im Gegenteil! Es ist zwar merkwürdig, aber trotzdem möchte ich Sie mal loben, denn Sie informieren sachlich und umfassend und mit einer Grundhaltung, die eben nicht von Enge und Angst bestimmt ist. Also es liegt an den Medien. Es liegt natürlich auch daran, dass die Politik nicht die notwendige Aufklärung in der notwendigen Form leistet, auch einmal in einer sowohl sachlichen, verständlichen wie auch in einer Form, die eben die Hintergründe und die weiter reichenden Ziele der Europäischen Union beschreibt. Das ist so, dass viele Bürger das noch nicht verstanden haben. Es herrscht bei denen auch viel Kleinmut und Ängstlichkeit. Aber jeder ist verantwortlich doch dem Maß seiner Einsichten und Fähigkeiten, und da muss ich sagen, da müssen die Medien eben und die Politik vor allen Dingen anders auftreten als bislang.

    Sie müssen überhaupt mal sich mehr melden. Wissen Sie, ich freue mich ja, wenn Sie mich immer wieder anrufen, und heute Morgen oder gestern war das "NRC Handelsblad" bei mir und alle möglichen anderen ausländischen Zeitungen. Das schmeichelt meine Eitelkeit. Aber das liegt doch nur daran, dass gegenwärtige Politiker sich nicht genügend engagieren. Es gibt über 600 Abgeordnete, wer äußert sich da jemals mal zu den europäischen Fragen. Also ich hoffe, dass alle einen Anstoß bekommen durch diese Entscheidung von Oslo, die ja zurecht ein so hohes Renommee in der Welt hat.

    Kapern: Herr Lamers, vielen Dank, dass Sie heute Mittag Zeit für uns hatten. Ihr Kompliment wird sich unser Intendant bestimmt an die Pinnwand heften. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und sage auf Wiederhören.

    Lamers: Danke, wünsche ich Ihnen auch.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.