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Land ohne Kompass

Ein Jahr nach den Parlamentswahlen hat das Königreich Belgien noch immer keine Regierung. Das Land ist einfach zur Tagesordnung übergegangen, aber ohne sich um die Zukunft kümmern zu können. Die geschäftsführende Regierung hat nur begrenzten Handlungsspielraum.

Von Alois Berger | 13.06.2011
    "Wir haben uns entschlossen, uns nicht mehr zu rasieren, bis Belgien wieder eine Regierung hat. Und wenn Sie auch der Meinung sind, dass es höchste Zeit für eine Regierung ist und dass jeder von uns eine kleine Anstrengung machen sollte, dann lassen auch Sie ihren Bart wachsen. Damit zeigen wir uns solidarisch für ein einiges Belgien. Behalten wir unseren Bart, bis sich Belgien erhebt."

    Der belgische Schauspieler Benoit Poelvoorde in einem Spot auf der Internetplattform Youtube. 800 Belgier haben zugesagt, sich erst nach einer Regierungsbildung wieder zu rasieren. Andere haben einen Sexverzicht aller Politikerfrauen vorgeschlagen, um Druck auf die Politiker zu machen. Wieder andere haben eine Website eingerichtet, auf der sie die belgische Regierungskrise als neuen Weltrekord feiern, mit großem Abstand vor Ländern wie Irak und Elfenbeinküste.

    Skurrile Initiativen haben in Belgien Tradition. Sie helfen den Menschen, mit surrealen Situationen fertig zu werden, wie das Land sie gerade erlebt. Denn ein Jahr nach den Parlamentswahlen hat das Königreich Belgien noch immer keine Regierung. Im Grunde haben die Regierungsverhandlungen noch nicht einmal angefangen. Denn in den letzten zwölf Monaten haben sich die flämischen Parteien aus dem reicheren Norden und die wallonischen Parteien aus dem Süden nur über die Vorbedingungen einer gemeinsamen Regierung gestritten:

    Über die Grundzüge einer Staatsreform, die die Frage klären soll, wie viel Belgien es künftig noch geben wird. Praktisch alle Flämischen Parteien wollen den Bundesstaat Belgien weiter aushöhlen, wollen mehr Autonomie für ihre Region Flandern, mehr Reche und weniger Pflichten, vor allem weniger finanzielle Pflichten für das gemeinsame Belgien. Die Parteien aus dem ärmeren Süden dagegen und auch aus Brüssel sehen das mit Unbehagen, sie wollen soviel belgische Gemeinsamkeit erhalten wie möglich.

    Die Staatsreform ist ein Thema, das alle Belgier betrifft und auch interessiert. Doch nach einem Jahr ergebnisloser Gespräche haben die meisten Bürger längst den Faden verloren. Sie haben aufgehört, die politischen Irrungen und Wirrungen noch zu verfolgen. Es scheint, dass sich das ganze Land an die verfahrene Situation gewöhnt hat. Selbst Zeitungen, Radio und Fernsehen berichten nur noch am Rande über die Regierungsverhandlungen. Belgien ist zur Tagesordnung übergegangen - ohne eine gewählte Regierung. Derzeit deutet auch nichts darauf hin, dass sich in den nächsten Wochen irgendetwas bewegen könnte. Die Politiker spüren keinen Zeitdruck, meint der Brüsseler Parteienforscher Pascal Delwit.

    "Die wirtschaftliche Konjunktur ist gut in Belgien, es gibt keine Notmaßnahmen zu beschließen. Wir sind nicht in der Situation wie Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien. Im Gegenteil, das Wachstum ist besser als in vielen anderen europäischen Ländern, die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen. Und die Staatsschulden, unser Hauptproblem, sind unter Kontrolle. Zweitens haben die Föderalstaaten in den vergangenen Jahren bereits sehr viele Kompetenzen übernommen und die Regionalregierungen und die Kommunen funktionieren auch jetzt einwandfrei. Zudem haben wir in Belgien das Konzept der geschäftsführenden Regierung etwas ausgeweitet."

    Solange keine neue Regierung gebildet ist, muss laut Verfassung die abgewählte Regierung die Geschäfte weiterführen. Eigentlich darf sie das Land nur verwalten, darf keine wichtigen und schon gar keine zukunftsweisenden Entscheidungen treffen. Doch die Belgier sehen das nicht so eng und je länger die geschäftsführende Regierung im Amt bleibt, desto lockerer geht sie mit den verfassungsmäßigen Beschränkungen um.

    Selbst die Teilnahme der belgischen Streitkräfte am NATO-Einsatz in Libyen wurde ohne großes Aufhebens beschlossen, ebenso der sonst so umstrittene Staatshaushalt. Niemand im Land hat dagegen Einspruch erhoben. Die Bürger und auch die Parteien akzeptieren, dass die Regierung Entscheidungen trifft, die ihr eigentlich nicht zustehen. Im Grunde sitzt die Regierung des abgewählten Premierministers Yves Leterme heute fester im Sattel als zu den Zeiten, in denen sie gewählt war. Denn es gibt keine Alternative zur geschäftsführenden Regierung. Sie kann nicht gestürzt werden. Und da sie sich nicht um Zukunftsfragen kümmern darf, schon gar nicht um den heiklen Sprachenstreit, steht sie zunehmend besser da, sagt Politikprofessor Delwit:

    "Leterme selbst hat deutlich an Profil und an Popularität gewonnen. Seine Regierung hat zwar nur eingeschränkte Möglichkeiten, aber sie hat auch keine Opposition. Das ist ein eigenartiges Phänomen für eine Demokratie: Im belgischen Parlament gibt es im Moment keine formelle Mehrheit, also auch keine Opposition. Das führt zu einer gewissen Stabilität und zu einer paradoxen Situation: Diese Regierung Leterme, die so schrecklich lange gebraucht hat, um überhaupt zustande zu kommen, und die Belgien von 2007 bis 2010 extrem chaotisch regiert hat, diese Regierung ist heute ein Element der Stabilität in einer instabilen Umgebung."

    Selbst die Wirtschaftsverbände beruhigen, dass Belgien derzeit auch ohne vollwertige Regierung ganz gut funktioniere. Doch die Gefahr sei groß, dass die Politiker daraus den falschen Schluss ziehen, warnt Pierre-Alain De Smedt vom belgischen Unternehmerverband FEB. Die Politiker dürften auf keinen Fall glauben, sie könnten sich weiter Zeit lassen bei der Regierungsbildung. Kurzfristig sei alles in Ordnung, meint De Smedt, aber es gebe eine Reihe von strategischen Entscheidungen, die nur eine gewählte Regierung treffen könne:

    "Wir haben höhere Inflation als in den Nachbarländern, wir haben höhere Energiepreise, wir haben ein strukturelles Problem mit unserer Indexierung der Löhne. Das sind Elemente, die man lösen muss, auch die Probleme gebunden an die Vergreisung. Auch die älteren Leute müssen weiter ihre Pension in der Zukunft kriegen."

    Viele Probleme werden zudem erst mit zeitlicher Verzögerung auftreten. In Behörden, Ministerien und Universitäten bleiben derzeit wichtige Posten unbesetzt, weil niemand die nötigen Entscheidungen treffen kann. Seit einem Jahr sind alle neuen Forschungsprogramme blockiert, Initiativen zur Entwicklung der Städte liegen auf Eis, wichtige Fragen der Bildungspolitik bleiben unbeantwortet. Je länger das Land auf Notstrom fährt, desto länger wird es nachher dauern, bis wieder alles normal läuft. Doch die Wahlsieger vom letzten Jahr scheint das nicht zu beschäftigen. Sie haben ihr eigenes Programm. An erster Stelle steht dabei der Kampf um Punkte im ewigen Sprachenstreit. Vor allem in Flandern, wo 60 Prozent der Belgier leben, hat sich eine Grundstimmung ausgebreitet, dass das schwierige Verhältnis zwischen Flamen und Wallonen jetzt gelöst werden muss. Dass es keinen Aufschub mehr geben darf.

    Sichtbarster Ausdruck dieser Stimmung ist die anhaltende Zustimmung zur Politik der NVA, der neuen Flämischen Allianz. Die NVA mit ihrem charismatischen Frontmann Bart De Wever steht für die Radikallösung. Sie will die Auflösung Belgiens und die Unabhängigkeit Flanderns, nicht sofort und nicht mit Gewalt, sondern langsam und demokratisch. In Zeitungsinterviews lässt Wahlsieger De Wever an seiner Abneigung gegenüber Belgien keine Zweifel aufkommen.

    "Ich bin kein Revolutionär. Ich arbeite nicht auf das sofortige Ende Belgiens hin. Das muss ich auch nicht. Belgien wird sich irgendwann von selbst auflösen. Was wir Flamen jetzt wollen, ist eine eigene Zuständigkeit für die Justiz, die Steuer- und die Sozialpolitik. Die Außenpolitik sehen wir bei der Europäischen Union besser aufgehoben. Der Staat Belgien aber hat auf Dauer keine Zukunft."

    Mit diesem Programm der Schritt weisen Abschaffung Belgiens ist die NVA bei den letzten Wahlen auf fast 30 Prozent der Flämischen Wählerstimmen gekommen - und mit diesem Programm steht sie sich als Wahlsieger seit einem Jahr selbst im Weg. Wie soll man ein Land regieren, fragt Pascal Delwit von der Freien Universität Brüssel, wenn man es auflösen will:

    "Die NVA hat die Wahlen auch mit dem unterschwelligen Versprechen gewonnen: wir lösen die Blockade des belgischen Sprachenkonfliktes auf. Heute steht die NVA als jemand da, der die Situation erst recht blockiert. Man muss sehen, wie lange die Wähler da mitgehen. Im Moment kann man sagen, dass die NVA davon profitiert, dass es keine Regierung gibt. Aber das ist höchst fragil. Das kann sich ganz schnell drehen."

    Bislang haben die Separatisten trotz ihrer offensichtlichen Verantwortung für die Regierungskrise sogar Zulauf. Zwar wollen nach allen Umfragen nur acht bis zwölf Prozent der Flamen ein unabhängiges Flandern, doch weit mehr Menschen unterstützen die Separatistenpartei NVA, weil sie deren forsches Auftreten gegenüber den Französisch-sprachigen Belgiern gut finden.

    Viele Flamen fühlen sich unwohl in diesem Belgien, in dem zwar die Mehrheit Niederländisch spricht, Kultur und Politik aber nach wie vor stark Französisch geprägt sind. Sie sind genervt von der Überheblichkeit vieler frankofoner Belgier, die von den Flamen erwarten, dass sie Französisch verstehen, die sich selbst aber weigern, Niederländisch zu lernen. Und nachdem die früher wirtschaftlich dominierende Wallonie zum Armenhaus Belgiens verkommen ist, fühlen sich viele Flamen auch noch finanziell ausgenutzt. Fünf Milliarden Euro, so rechnen flämische Politiker immer wieder vor, fließen jedes Jahr aus dem wirtschaftlich aufstrebenden Flandern über die gemeinsamen Sozialkassen in die marode Wallonie.

    Seit Jahrzehnten arbeiten Flämische Politiker an einer immer stärkeren Abgrenzung gegenüber den frankofonen Belgiern. Die Universitäten wurden getrennt, die Parteien, die Gewerkschaften, die Sportverbände, alles ist inzwischen fein säuberlich nach Sprachen sortiert. Das früher straff zentralistisch geführte Belgien ist längst zu einem Bundesstaat umgebaut worden, mit den drei Regionen Flandern, Wallonie und Brüssel. Wer in Flandern wohnt, kann nur noch flämische Politiker wählen, wer in der Wallonie wohnt, nur noch Politiker der Französisch-sprachigen Liste. Einen einzigen gemischten Wahlkreis gibt es noch - und um den wird erbittert gestritten. Die letzte Regierung ist über diesen Streit gestürzt.

    Die schrittweise Auftrennung Belgiens hat dazu geführt, dass sich Flamen und Wallonen im Alltag immer weniger begegnen, dass vor allem junge Belgier kaum noch wissen, was in der anderen Sprachgruppe passiert, was die Menschen dort beschäftigt, wie sie leben und wie sie denken. Flandern und die Wallonie, das sind heute zwei verschiedene Welten, die sich nur noch in der gemeinsamen Hauptstadt Brüssel überschneiden.

    Brüssel ist die letzte wirkliche Klammer Belgiens. Der Brüsseler Politiker Charles-Etienne Lagasse ist überzeugt, dass das Land längst geteilt wäre, wenn es Brüssel nicht gäbe.

    "Die Flamen sagen, Brüssel ist traditionell und historisch Flämisch. Aber 90 Prozent der Brüsseler sind heute frankofon. In Brüssel leben weniger Flamen als Marokkaner oder Türken. Das ist eine Tatsache. Die Flamen können sich subjektiv nicht ohne Brüssel aus Belgien verabschieden, und objektiv können sie nicht mit Brüssel gehen. Das ist der Klebstoff, der das Land zusammen hält."

    Wie sie mit Brüssel umgehen sollen, das wissen auch die Separatisten von der NVA nicht. An Brüssel scheitert ihr Konzept, Belgien langsam auszuhöhlen, bis es irgendwann ganz verschwindet. Denn viele Flamen könnten zwar in der Tat gut auf Belgien verzichten, aber nicht auf Brüssel.

    Im Grunde hat die NVA nur ein einziges Ziel: Sie will ein unabhängiges Flandern. Aber sie hat keine Vorstellung, wie das zu erreichen ist. Bislang hat sich die Parteiführung darauf beschränkt, Maximalforderungen aufzustellen. Doch um erfolgreich verhandeln zu können, muss man Kompromisse schließen können. Genau davor aber schreckt die Separatistenpartei zurück. Die Kompromisslosigkeit, die Härte gegenüber den Französisch-sprachigen Parteien, das ist schließlich das Markenzeichen der Neuen Flämischen Allianz. Dafür wurde sie gewählt. Bart de Wever, Elio Di Rupo, Didier Reynders, Johann van Delanotte, Wouter Beke - es gibt kaum einen Politiker von Format, den der Belgische König in den vergangenen zwölf Monaten noch nicht beauftragt hätte, die Möglichkeiten einer Regierungsbildung auszuloten. Sie alle scheiterten nicht zuletzt an der kompromisslosen Haltung der Flämischen Separatistenpartei. Die frankofonen Parteien hatten die NVA von Beginn an im Verdacht, die Verhandlungen nur pro Forma zu führen. Den Separatisten käme es doch gelegen, wenn Belgien sich in einer endlosen Regierungskrise aufreibe.

    Auch bei den Flämischen Christdemokraten macht sich inzwischen das Gefühl breit, dass die NVA kein echtes Interesse an einer Regierungsbeteiligung hat. Doch die Christdemokraten, die sich selbst als die staatstragende Partei Belgiens sehen, stecken in einem Dilemma. Sie wissen, dass es längst an der Zeit wäre, eine Regierungskoalition ohne die unwilligen Separatisten zu bilden. Doch die Christdemokraten fürchten, dass eine Regierung ohne den eindeutigen Wahlsieger bei den Bürgern schlecht ankäme. Bei den nächsten Wahlen könnten dann noch mehr Wähler zu den kompromisslosen Separatisten überlaufen. Der Christdemokrat und Noch-Premierminister Yves Leterme versucht es mit Appellen an den NVA-Chef Bart De Wever.

    "Immerhin 73 Prozent der flämischen Wähler haben nicht für Bart De Wever gestimmt. Es gibt also nicht nur De Wever in Flandern. Aber die Parteien müssen natürlich den Wählerwillen respektieren und das Ergebnis der letzten Wahlen ernst nehmen. Das heißt aber auch, dass Bart De Wever Verantwortung übernehmen muss. Er kann nicht das Land als Geisel nehmen und eine Politik verfolgen, die das Land zerstört. Er muss endlich Verantwortung übernehmen."

    Von NVA Chef De Wever ist seit einigen Monaten kaum etwas zu hören. Er schweigt und genießt die wachsende Zustimmung zu seiner kompromisslosen Haltung. So wie es aussieht, brauchen die Flämischen Parteien noch einige Zeit, bis sie ernsthaft über eine Koalitionsregierung ohne die Separatisten nachdenken.

    Doch das ist nur der erste Schritt, denn dann beginnen die wirklichen Verhandlungen mit den frankofonen Parteien. Und dort ist in den letzten Monaten einiges in Bewegung geraten. In der Wallonie und in Brüssel sind die Sozialisten die stärkste Kraft. Bis vor kurzem lehnten die Wallonischen Sozialisten jede Veränderung am Staatsaufbau ziemlich kategorisch ab und schürten damit die Wut vieler Flamen. Denn für alle wichtigen Entscheidungen ist die Zustimmung beider Sprachgruppen nötig. Die frankofone Minderheit blockiert die Flämische Mehrheit, schnaubten Flämische Politiker und die Separatisten rieben sich die Hände.

    Seit in Flandern offen über eine Teilung Belgiens diskutiert wird, bröckelt die wallonische Ablehnung. Vor allem der ständige Vorwurf, die Wallonen würden sich von den Flamen durchfüttern lassen, hat Spuren hinterlassen, meint Politikwissenschaftler Pascal Delwit:

    "Es hat sich einiges geändert. Vor allem unter den Französisch-sprachigen Belgiern hat sich eine politische Stimmung ausgebreitet, dass es jetzt reicht. Die Art, wie die Frankofonen von den Flamen dargestellt werden, die Art, wie die Wallonie und mehr noch Brüssel, als industrielle Wüste dargestellt werden, als eine Region von faulen Menschen, die nicht arbeiten wollen. Das alles hat zu einem Überdruss geführt, auch zu einem Überdruss an der anhaltenden Blockade des Landes. Anders als noch 2007 sagen heute viele, wenn Flandern gehen will, dann soll es gehen. Aber Brüssel bleibt. Flandern kann gehen, aber ohne Brüssel."

    Dass Flandern tatsächlich unabhängig wird ist unwahrscheinlich, allein schon, weil es keine Lösung für Brüssel gibt. Doch die Parteien in den Französisch-sprachigen Teilen Belgiens haben begriffen, dass es ein Problem gibt in Belgien, dass sich die Mehrheit nicht wohl fühlt in diesem Land und dass es den Flamen ernst ist mit der Forderung nach mehr Autonomie. Der Chef der Sozialisten, Elio Di Rupo, lernt schon seit längerem Niederländisch, um als künftiger Premierminister in Frage zu kommen. Vor kurzem überraschte er die Flamen damit, dass er nicht nur ihre Sprache, sondern auch ihre Forderungen annahm:

    "Ich bin überzeugt, dass wir den Schwerpunkt der Politik von der Bundesebene auf die Teilstaaten verschieben müssen. Wir brauchen ein neues Gleichgewicht zwischen unseren Institutionen mit einer größeren Autonomie für die Regionen und die Sprachgruppen. Und mit einem Bundesstaat, der in der Lage ist, seine Aufgaben auf lange Sicht und in einem stabilen Umfeld zu erfüllen."

    Den Schwerpunkt der Politik von der Bundesebene auf die Regionen verlagern, soviel hat den Flamen noch kein Französisch-sprachiger Politiker versprochen. Ob das reicht, wird sich zeigen. Die meisten flämischen Parteien zögern noch und die Separatisten sperren sich. Bis aus der Annäherung eine Regierungskoalition wird, das kann ohnehin noch dauern. Pierre Alain De Smedt vom belgischen Unternehmerverband hofft, dass Belgien bis August wieder eine Regierung hat. De Smedt war früher Manager bei Volkswagen und weiß, dass die lange Regierungskrise im Ausland kritisch gesehen wird. Aber Belgien ist anders, sagt er, und rät zu Gelassenheit. Belgier finden immer eine Lösung, meint er, auch wenn die einfachste Lösung eine schnelle Regierungsbildung wäre.

    "Wenn das nicht klappt, werden wir wieder unsere Kreativität benutzen, um mit der heutigen Regierung noch etwas länger arbeiten zu können, aber doch einige Entscheidungen zu treffen, die notwendig sind für das weitere Funktionieren vom Staat."