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Landarzt
Kein Nachfolger in Sicht

Lühmannsdorf ist ein kleines Dorf im Hinterland der Ostseeküste in Vorpommern. Es gibt eine Kita, einen Friseur, einen kleinen Laden und Landarzt Dr. Hans Dieter Seibodt – all das gibt es hier noch, insofern ist Lühmannsdorf ein ungewöhnliches kleines Dorf. Denn immer mehr Landärzte schließen ihre Praxen, weil sie keine Nachfolger finden.

Von Almuth Knigge | 22.07.2014
    Vor der Praxis von Dr. Seibodt ist kein Parkplatz zu bekommen.
    Das Wartezimmer ist voll.
    Im Sprechzimmer des Doktors sitzt Frau Bertling. Ein alte Dame - ein wenig in sich zusammengesunken. Sie hat vor Kurzem ihren Mann verloren - und sitzt heute mit einem Haufen Krankenkassenformulare bei Dr .Seiboth im Sprechzimmer.
    "Machen Sie sich keine Sorgen ... wir helfen Ihnen."
    "Das ist ein Großteil unserer Hausärztlichen Betreuung . Nicht nur, dass wir Medikamente verordnen, wir müssen uns um das Wohl und Wehe unserer Patienten kümmern und die Masse wird alt und älter und damit steigen solche Probleme."
    Das Alter ... Dr. Seibodt ist selber 74 Jahre alt und praktiziert in dem Bundesland mit der ältesten Bevölkerung, die die meisten Volkskrankheiten hat - Mecklenburg-Vorpommern.
    Stoffwechselkrankheiten - Nerv eingeklemmt - Schlaganfall
    Dr. Seibodt kennt meist die gesamte Familie viele Diagnosen sind da einfacher – und ersparen die kostspielige Apparatemedizin - aber das hat noch keiner so richtig auf der Rechnung.
    Seit dem 1.1.1990 ist er Hausarzt in Lühmannsdorf - sein Vorgänger hat in den Wirren der Wendezeit "rübergemacht" - die Praxis stand auf einmal leer - der Arzt war weg - und er hatte Lust, mit 50 noch mal was Neues anzufangen.
    50 Stunden Woche
    Und mit 74, wo seine Kollegen schon längst auf dem Golfplatz stehen, hat er immer noch eine 50 Stunden Woche mit 70 Patienten täglich - im Schnitt und - turnt seinen jüngeren Patienten noch Yogaübungen vor.
    "Ich will gerne arbeiten ich würde auch noch weiter arbeiten und ich habe einfach Sorgen, die Praxis zu zuschließen, und warte sehnsüchtig auf eine Nachfolgemöglichkeit."
    Er schaut verschmitzt die die Richtung eines jungen Mannes, der schon den ganzen Morgen neben seinem Schreibtisch sitzt und aufmerksam zuhört. Sein Praktikant - Gert Klinkmann, Medizinstudent an der Uni Greifswald - 8. Semester.
    "Wär das was?"
    "In meinem Fall eher nicht"
    "Warum nicht?"
    "Ja ich hab da eher andere Ambitionen was Forschung und so angeht."
    Dr. Seibodt seufzt - wieder kein Nachfolger in Sicht - aber wie lange er noch machen will - das sagt er auch nicht.
    "Da meine liebe Mitarbeiterin die da dort in der Ecke sitzt nicht verunsichert werden soll, weil sie eine lebensfrohe Natur ist, und das müssen wir uns erhalten, würde ich erst mal keine genaue Zahl sagen."
    Das Image ist schuld - selbst alle Folgen Landarzt für Studienanfänger verpflichtend im 1. Semester würden das nicht ändern.
    "Man muss dazu natürlich irgendwie auch geboren sein - es geht nicht, dass man nach Feierabend die Tür zuschließt, und nicht mehr erreichbar ist, vieles wird über den Gartenzaun erledigt.. Ich kann nicht sagen, 16 Uhr ist Feierabend und dann zieh ich mich zurück in mein Schneckenhaus."
    Hausarzt Stipendium könnte hilfreich sein
    Aber wie will man wissen, ob man diese "innere Einstellung hat" - Gert Klinkmann, der Student, der lieber in die Forschung möchte - hätte da eine Idee - ein spezielles Hausarzt Stipendium - schließlich gibt es für alles irgendwie ein Stipendium.
    "So hat man die Leute, die sich über das ganze Studium unsicher sind, offen für alles sind aber so richtig nicht wissen, was sie jetzt wollen schon vorgeprägt und wenn man da früh ansetzt und nicht erst nach dem Studium oder der Facharztausbildung, da ist es meiner Meinung nach zu spät. Und es lohnt auch nicht den Bürgermeister zu sagen nun gebt mal den Ärzten attraktive Arbeits- und Lebensbedingungen, indem wir kreditfrei ein Haus kriegen oder 5 Jahre keine Miete bezahlen müssen oder was weiß ich, das löst das Problem nicht."
    Und eine Imagekampagne muss her.
    "Also hier muss gearbeitet werden, das heißt, die Attraktivität des Arztberufes auf dem Lande muss verbessert werden - und wehe wir tun es nicht."
    Dann ist der drohende Ärztemangel auf dem Land tatsächlich nicht mehr aufzuhalten und die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ist nicht mehr gewährleistet. An diesem völlig normalen Vormittag sind um 10.30 schon rund 30 Patienten versorgt. Der Nächste bitte.
    "Wie geht es Ihnen was macht der Rücken?"
    "Der Rücken ist ok - der Hals tut weh- und sonst so?"
    "Wir machen ein kleines Gespräch dabei auch und das ist ein bisschen ja wie soll ich sagen familiär - ja es ist ein bisschen wie familiär hier er nimmt sich auch die Zeit für ein paar private Fragen.
    "enn ich den Kopf dann so halte wie soll ich denn dann mein Bier trinken?"
    Was wäre wenn der Dr. seinen wohlverdienten Ruhestand antreten würde
    "Das kann ich ihm nicht zu gestehen - ich hab dem Doktor gesagt, wenn er hier geht dann seh ich schwarz - wo soll ich dann hingehen?"