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Landesjagdgesetz NRW
Kein Halali aus ethischen Gründen

Vor einem Jahr hat NRW ein neues Landesjagdgesetz verabschiedet. Es nimmt die Tiere und Naturschützer mehr in den Blick und hat für große Proteste unter der Landesjägerschaft gesorgt. Doch um die in Deutschland bestehende Jagdpflicht ablehnen zu können, müssen Antragsteller einige Mühe auf sich nehmen.

Von Vivien Leue | 19.05.2016
    Ein Jäger trägt einen Jagdhut.
    Seit einem Jahr ist das neue Jagdgesetz in NRW in Kraft. (Imago / Thomas Müller)
    "Also das ist jetzt ein Gelände insgesamt von ungefähr 5,5 Hektar, also 55.000 Quadratmeter privates Naturschutzgebiet."
    Til Macke streift durch das Naturschutzgebiet in Königswinter bei Bonn angelegt. Er hat es selbst angelegt. In jahre-, ja, jahrzehntelanger Arbeit und mit viel Liebe.
    "Dann habe ich hier diese große Blumenwiese angelegt. Wenn die blüht, dann sind da Schmetterlinge, Grashüpfer, wir haben hier etwa 35 Libellenarten, was fabelhaft ist."
    Außerdem besuchen bis zu 80 Vogelarten Til Mackes Wald und den See, der mitten in seinem Landschaftsgarten liegt. Einige dieser Vögel haben sich hier sogar niedergelassen und brüten.
    "Also hier ist schon eine große Artenvielfalt. Und wir haben hier eben das Problem, dass das Ganze zu einer Jagdgenossenschaft gehört."
    Das heißt: Mindestens einmal im Jahr sind die Jäger gekommen und haben über dem See Enten geschossen.
    "Sie haben mich auch angerufen, meistens um den 20. Dezember, dann sind sie gekommen, mit Hunden, haben hier eine Kette gebildet, ich weiß nicht, wie viele, mindestens sieben Jäger waren das. Aber ich habe das nie gesehen, denn ich konnte das nicht ertragen und bin ich weg."
    Jagdpflicht darf aus ethischen Gründen abgelehnt werden
    Till Macke erzählt, dass sein Gelände nach der Jagd zertrampelt war, tote und verletzte Enten herumlagen und Vögel für Wochen vertrieben worden seien. Deshalb hat er immer wieder versucht, die Jäger zur Einsicht zu bewegen. Ohne Erfolg. Denn es besteht nun einmal Jagdpflicht in Deutschland, erklärt der Vorsitzende des Naturschutzbundes NRW, Josef Tumbrinck:
    Das heißt: Die Fläche muss bejagt werden, unter anderem, um den Bestand an Tieren zu regeln. Wer nicht selbst jagt, muss das Grundstück an Jäger verpachten.
    Vor zwei Jahren klagte allerdings ein Mann genau wegen dieser Jagdpflicht vor dem Europäischen Gerichtshof – und gewann. Seitdem darf die Jagd aus ethischen Gründen abgelehnt werden. Auch Nordrhein-Westfalen hat dieses Recht in sein erneuertes Jagdgesetz vom Mai letzten Jahres aufgenommen.
    NABU-Chef Tumbrink hat heute zwar eine vorwiegend positive Bilanz des neuen Gesetzes gezogen. Es hat zum Beispiel den Tierschutz stärker ins Visier genommen, zum Beispiel indem die jagdbaren Arten von 100 auf 27 reduziert wurden. Allerdings kritisierte Tumbrinck, dass es Menschen, die ihr Land befrieden, also von der Jagd ausschließen wollen, immer noch sehr schwer gemacht werde, das durchzusetzen.
    Jagdausschluss ist sehr aufwendig und teuer
    "Das was wir nach einem Jahr sehen, ist dass das eben sehr restriktiv und für die Leute auch sehr belastend umgesetzt wird."
    Die Menschen würden quasi auf einen Spießrutenlauf geschickt und müssten ihr Innerstes nach Außen kehren, um zweifelsfrei darzulegen, dass sie wirklich aus moralischen Gründen die Jagd ablehnen.
    "Und da gibt’s sehr sehr, sagen wir mal, sehr weitgehende Anforderungen. Dass sie vorsprechen müssen, dass das Thema dann im Jagdbeirat noch mal erörtert wird und dass sie dann mit 700, 800 Euro allein an Antragsgebühren belastet werden."
    Tumbrinck schätzt, dass die restriktive Haltung der Behörden abschreckend wirken soll. Denn die Jägerschaft wolle nicht, dass Menschen aus der Jagd austreten. Sie befürchtet, dass ein Flickenteppich entsteht, an den sich zwar die Jäger halten müssen, aber natürlich nicht die Tiere.
    Das sei bisher so nicht eingetreten, sagte Tumbrinck heute, nur ganz wenige Flächen wurden befriedet:
    "0,02 Prozent der Jagdfläche von NRW waren das, also mit Verlaub, das ist weniger als ein Fliegenschiss auf der Landkarte aber es ist kein Flickenteppich oder eine Zersplitterung der Jagd."
    Auch Til Macke stellte den Antrag auf Befriedung seines Grundstücks – er wurde abgelehnt.
    "Die haben gesagt: Nee, also der Macke, das glauben wir dem gar nicht, dass das hier aus Gewissensgründen ist, der will nur die Ruhe für sein privates Naturschutzgebiet haben."
    Aber Till Macke gab nicht auf und klagte.
    "Und das zog sich auch hin, also mit Widersprüchen der Jagdbehörde und so weiter. Und am 17. Dezember letzten Jahres kam es zur Verhandlung und da wurde meiner Klage stattgegeben."
    Endlich hat Till Macke also seine Ruhe. Die Vögel dürfen nisten, brüten, sich wohlfühlen – und werden nicht mehr verjagt.