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Landesschülervertretung Hessen
Finanzielle Entmachtung eines kritischen Gremiums?

Zum 1.Mai darf die Landesschülervertretung in Hessen ihre Projektmittel von 80.000 Euro nicht mehr selber verwalten. Das hessische Kultusministerium überträgt diese Aufgabe dem staatlichen Schulamt Gießen und begründet das mit schlampiger Buchführung. Die Proteste sind groß.

Von Anke Petermann | 30.04.2014
    Ein Schüler einer dritten Klasse der Evangelischen Grundschule in Frankfurt (Oder) meldet sich beim Deutschunterricht, aufgenommen am 14.01.2009.
    Über Schülervertretungen (SV) haben Schüler die Möglichkeit, ihre Schule mitzugestalten. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Schulfrieden und Dialog mit Lehrern, Eltern und Schülern hat sich Hessens neue schwarzgrüne Landesregierung auf die Fahnen geschrieben. Doch über die kurzfristig angekündigte Kassenauslagerung habe der neue Kultusminister Alexander Lorz von der CDU bislang nicht mit sich reden lassen, kritisiert Landesschülersprecher Armin Alizadeh. Funkstille herrsche zwischen der Landesschülervertretung und dem Ressortchef. Bisher war ein Vertrauenslehrer dafür zuständig, die Mittel für Flugblätter, Broschüren und Schülerkongresse zu bewilligen und die Verwendung zu kontrollieren. Wenn die Aufgabe jetzt an das staatliche Schulamt Gießen übergehe, sei es vorbei mit dem kurzen Dienstweg. Gelder müssten umständlich und langwierig beantragt werden, das werde die ehrenamtliche Arbeit der LSV einschränken. Genau das beabsichtige das Ministerium, mutmaßt Landesschülersprecher Alizadeh.
    "Wir kritisieren die Umsetzung von G 8 in Hessen, wir kritisieren die Umsetzung von Inklusion, wir fordern mehr Ganztagsschulen, wir sind immer kritischer Begleiter im Bildungsweg, und das Kultusministerium möchte jetzt wahrscheinlich versuchen, die außerparlamentarische Opposition etwas zu schwächen."
    Gängelung befürchet
    Dass der christdemokratische Kultusminister das kritische Schülergremium politisch gängeln und in seiner Autonomie beschneiden will, argwöhnen auch Sozialdemokraten, Linke, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie die DGB-Jugend. Das Ministerium weist den Vorwurf als absurd zurück und begründet den Entzug der Kassengewalt damit, dass die Landesschülervertretung jahrelang bei der Buchführung geschlampt und dafür wiederholt vom Landesrechnungshof gerügt worden sei. Ressortchef Lorz äußert sich nicht. Sein Sprecher Christian Henkes wirft dem Schülergremium unter anderem vor, Druck- und Catering-Aufträge vergeben zu haben, ohne die vorgeschriebenen Vergleichsangebote eingeholt zu haben.
    "Der hessische Steuerzahler hat einen Anspruch darauf, dass die Mittel ordentlich abgerechnet werden. 80.000 Euro im Jahr, das ist eine Summe, da müssen die Abrechnungsmodalitäten (stimmen), da muss es Quittungen geben, und das muss ordentlich abgerechnet werden, sodass ordentlich nachvollziehbar ist, wie diese 80.000 Euro im Jahr ausgegeben werden. Einen Einfluss muss man ganz entschieden zurückweisen. Die Landesschülervertretung ist vollkommen frei, wie sie die Mittel verwendet, welche Broschüren, Flugblätter oder Kongresse sie veranstaltet. Inhaltlich findet dort keinerlei Einflussnahme statt."
    Nur zwei Problemfälle
    Die Landesschülervertretung räumt Fehler in der Buchführung ein, will aber die Mahnungen beherzigt und die Buchführung verbessert haben. Im vergangenen Jahr habe es nur noch zwei Problemfälle gegeben. Auch die oppositionellen Sozialdemokraten bescheinigen der LSV Fortschritte, das Ministerium erkennt jedoch keine. Der Landeselternbeirat mahnt Fehlertoleranz an. Die Politik solle den engagierten Nachwuchs in seiner ehrenamtlichen Tätigkeit unterstützen und nicht demotivieren, meint Reiner Pilz als stellvertretender Vorsitzender.
    "Ich denke, dass es wichtig ist, dass Jugend in der Lage ist, eigenständig zu handeln. Dazu gehört auch, dass sie ihre Mittel eigenständig verwalten können. Ich denke, dass die Mängel, die bisher beanstandet wurden, dass die Landesschülervertretung sich alle Mühe gibt, dem abzuhelfen und dass die Mängel auch nicht so großartig sind, dass man in einem Hauruckverfahren so plötzlich eine Entscheidung herbeiführen muss und die sofort umsetzten, muss."
    Seine Kritik teilt der Landeselternbeirat dem Ministerium auch brieflich mit. Dass man der Entzug der Kassenhoheit noch abzuwenden ist, glaubt das Elterngremium allerdings selbst nicht. Als Koalitionspartner der CDU wollen die Grünen in dem Streit vermitteln. Fraktionschef Mathias Wagner:
    "Beides jetzt zusammenzubringen, die Selbstverantwortung der Schülervertretung und einen ordnungsgemäßen Kassenvollzug, das ist die Aufgabe der nächsten Wochen. Wir Grünen werden darauf achten, dass es zu keinen Einschränkungen der Landesschülervertretung durch diese organisatorische Maßnahme kommt."