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Landesverrat-Affäre
"Maas hat die Unabhängigkeit der Justiz respektiert"

Der SPD-Rechtsexperte Johannes Fechner hat die Entmachtung von Generalbundesanwalt Harald Range verteidigt. Dieser sei nicht wegen einer Fehleinschätzung entlassen worden, sondern wegen eines zerstörten Vertrauensverhältnisses, sagte Fechner im DLF. Range hätte wissen müssen, welche Konsequenzen seine öffentliche Kritik an Justizminister Maas habe.

Johannes Fechner im Gespräch mit Gerd Breker | 05.08.2015
    Johannes Fechner von der SPD
    Johannes Fechner von der SPD (imago stock & people)
    In der Affäre um die Ermittlungen gegen das Blog "Netzpolitik.org" hat der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, Kritik an Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zurückgewiesen. "Maas hat die Unabhängigkeit der Justiz respektiert", sagte er im DLF. Für Extremfälle müsse das Weisungsrecht erhalten bleiben. Der Rechtsausschuss des Bundestages müsse nun über Konsequenzen beraten, etwa wie Journalisten besser geschützt werden können.

    Das Interview in voller Länge:
    Gerd Breker: Am Telefon sind wir nun verbunden mit Johannes Fechner, er ist der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Herr Fechner!
    Johannes Fechner: Hallo, Herr Breker, guten Tag!
    Breker: Eine Sondersitzung des Rechtsausschusses, wie von Linken und Grünen gefordert, macht doch im Interesse der Aufklärung eigentlich Sinn. Sind Sie auch dafür?
    Fechner: Auch wir in der SPD-Fraktion haben Fragen zu diesen ganzen Vorgängen, zum Beispiel, warum das Innenministerium als zuständige Fachaufsicht für den Bundesverfassungsschutz die Informationen über das Verfahren und die Strafanzeige nicht an den Minister weitergegeben hat, sondern warum da Informationen bei der Staatssekretärin hängen geblieben sind. Das möchten wir besprechen. Wir sind allerdings der Meinung, dass so eine Sitzung sorgfältig vorbereitet werden muss und dass deswegen diese Sitzung im September stattfinden kann. Wir haben dem Bundespräsidenten, der die Sondersitzung ja genehmigen muss, mitgeteilt, dass wir erst im September diese wichtigen Fragen beantworten möchten, um genügend Vorlauf zu haben.
    "Das Vertrauensverhältnis war einfach unwiederbringlich zerstört"
    Breker: Herr Fechner, Heiko Maas, der Justizminister, bleiben wir erst mal bei dem, dem blieb eigentlich gar nichts anderes übrig, als Harald Range nach dessen Auftritt gestern zu entlassen.
    Fechner: Das sehe ich genauso. Wenn ein Generalbundesanwalt sich so offen gegen den vorgesetzten Minister stellt - und Herr Range musste wissen, welche Konsequenzen das hat, dann musste er entlassen werden. Das Vertrauensverhältnis war einfach unwiederbringlich zerstört, und der Urheber hierfür ist Herr Range.
    Breker: Maas hat gesagt, als er die Beantragung der Entlassung beim Bundespräsidenten verkündet hat, in Sachen Gutachten habe er Einvernehmen mit Range am Freitag erzielt. Range spricht hingegen von einer Weisung des Ministers. Beides kann nicht stimmen, eins ist ein wenig gebogen.
    Fechner: So ist es, und wenn ich auf die Pressemitteilung des Generalbundesanwaltes vom 2.8., also vom Sonntag, verweisen darf: Dort verweist er darauf, dass der weitere Gang des Verfahrens nach der Einschätzung des Justizministeriums erfolgen wird, und damit bestätigt er doch die Version von Maas selber durch diese Pressemitteilung.
    "Beim Generalbundesanwalt lag auch eine Fehleinschätzung vor"
    Breker: Landesverrat, Herr Fechner, ist ein ganz schweres Geschütz, erst recht, wenn man erst ein Gutachten braucht, um zu klären, ob es überhaupt Staatsgeheimnisse waren.
    Fechner: Das ist richtig. Ich meine, dass hier beim Generalbundesanwalt auch eine Fehleinschätzung vorlag. Ich meine, dass es keine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, wie erforderlich für den Straftatbestand des Landesverrats gibt und gab durch die Veröffentlichungen bei Netzpolitik. Und deswegen meine ich, dass das Verfahren längst hätte eingestellt werden müssen.
    Breker: Der Verfassungsschutz, kommen wir jetzt zu dem, Herr Fechner, der Verfassungsschutz stellt eine Anzeige und will herausfinden, wo denn das Leck eigentlich in der eigenen Behörde ist. Das ist doch irgendwo auch ein Eingeständnis des eigenen Versagens.
    Fechner: Das kann man in der Tat so werten, und in der Tat hätte der Verfassungsschutz zunächst einmal auf dem eigenen Hof kehren müssen, dort Untersuchungen anstellen sollen, wo das Leck ist, anstatt Journalisten einzuschüchtern. Und ich habe auch den Verdacht, dass es hier schon darum ging, ein gewisses Exempel gegenüber kritischen Journalisten zu statuieren.
    "Ich finde, dass Heiko Maas hier alles richtig gemacht hat"
    Breker: Im Zuge dieser Affäre, Herr Fechner, ist das politische Weisungsrecht des Justizministers gegenüber dem Generalbundesanwalt infrage gestellt worden. Muss es dabei bleiben, kann es dabei bleiben, oder kann man es nicht aufheben, um zu dokumentieren, dass die Justiz voll und ganz unabhängig ist?
    Fechner: Ich finde, dass Heiko Maas hier alles richtig gemacht hat. Er hat ja gerade keine Weisung erteilt, weder im Mai noch im Juni, sondern nur seine Einschätzung übermittelt. Die Entlassung von Herrn Range, die ist ja nicht wegen dessen Fehleinschätzung erfolgt, sondern wegen dem zerstörten Vertrauensverhältnis. Also insofern meine ich, dass dieses Weisungsrecht, von dem ja absolut selten Gebrauch gemacht wird, hier von Herrn Maas nicht gebraucht wurde und, dass das ein Beleg dafür ist, dass sehr sorgfältig mit dieser theoretischen Möglichkeit umgegangen wird, in der Praxis so gut wie nie. Und für Extremfälle möchte ich das doch erhalten wissen.
    Breker: Herr Fechner, haben Sie denn eine Erklärung dafür, warum der Justizminister, also Heiko Maas, so lange gebraucht hat, ehe er eingegriffen hat. Zweieinhalb Monate hat er es schleifen lassen.
    "Eine Schutzklausel für Journalisten und für Berichterstattung mit aufnehmen"
    Fechner: Schleifen lassen ist aus meiner Sicht der völlig falsche Begriff. Er hat eben die Unabhängigkeit der Justiz respektiert. Er hat gerade respektiert, dass die Justiz zunächst einmal selbst prüft, ob eine Straftat vorliegt. Er hat Hinweise gegeben, aber von einem Eingriff durch ein Weisungsrecht hat er bewusst abgesehen. Das halte ich auch für richtig. Die Justiz muss unabhängig bleiben. Es darf keine politischen Ermittlungsverfahren geben.
    Breker: Es muss ja von Beginn an, Herr Fechner, klar gewesen sein, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, den Informanten beim Bundesverfassungsschutz herauszufinden, aber gewiss war von Beginn an, weil sie auch in ihrem Blog mit ihrem eigenen Namen unterschrieben haben, dass die Pressefreiheit tangiert wäre. Das muss doch eigentlich jedem klar gewesen sein in der Generalbundesanwaltschaft, im Verfassungsschutz, im Justizministerium wie auch im Innenministerium.
    Fechner: Natürlich. Deswegen wundert es mich, dass ein so brisanter Fall nicht sofort dem Innenminister zugeleitet wird. Und natürlich hätte Herr Range auch sofort das Verfahren einstellen können. Aus meiner Sicht müssen wir uns aber überlegen, gerade im Rechtsausschuss, welche Konsequenzen wir hieraus ziehen, wie wir den Schutz für Journalisten verbessern können. Ich schlage eine Prüfung vor, ob wir nicht, wie wir es auch in anderen Bestimmungen des Strafgesetzbuches haben, in die Vorschrift des Landesverrates eine Schutzklausel für Journalisten und für Berichterstattung mit aufnehmen, wie wir es in anderen Vorschriften im Strafgesetzbuch haben.
    Breker: Also das wäre durchaus konsensfähig, denn das ist ja eine Forderung, die auch vonseiten der Opposition kommt.
    Fechner: Das mag sein. Wir werden da sicherlich offen prüfen, und wer unsere guten Vorschläge unterstützt, der ist natürlich willkommen.
    "Entlassung erfolgte eben nicht wegen der Fehleinschätzung des Generalbundesanwaltes"
    Breker: Nun lesen wir von dem Vorsitzenden des Bundes der Deutschen Kriminalbeamten, der den Justizminister scharf kritisiert, dass er findet, dass der Justizminister die beispielhafte Karriere eines Vorzeigejuristen unschön beendet habe, die Arbeit der Staatsanwaltschaft öffentlich diskreditiert habe und das Vertrauen in eine objektive Strafverfolgung beschädigt hat. André Schulz, das ist der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Kriminalbeamten, fordert, dies muss Konsequenzen haben. Was sagen Sie dem Vorsitzenden des BDK?
    Fechner: Mit dem habe ich demnächst einen Gesprächstermin, schon länger vereinbart. Ich schätze den Sachverstand vom Herrn Schulz, aber ich glaube, hier liegt er falsch, denn die Entlassung erfolgte eben nicht deswegen, wegen der Fehleinschätzung des Generalbundesanwaltes, sondern weil er in einer sehr heftigen Form, wie ich finde, ohne jegliche Absprache und Vorabinformation den Justizminister massiv kritisiert hat. Und das geht nicht, dass der Vorgesetzte sich derart heftige Verunglimpfungen gefallen lassen muss. Ich glaube, der Herr Schulz muss diesen Aspekt mehr berücksichtigen. Es ging nicht Herrn Maas darum, Herrn Range zu entlassen wegen seiner Fehleinschätzung zum Landesverrat, sondern wegen des verlorenen Vertrauens und dieser heftigen, fast schon beleidigenden Kritik an ihm.
    Breker: Und zur Klärung des ganzen wird es im September eine Sondersitzung des Rechtsausschusses geben.
    Fechner: Ich gehe davon aus, dass es eine reguläre Sitzung geben wird im September und dass wir auch dort über die Punkte beraten. Herr Lammert wird heute oder vermutlich spätestens morgen Vormittag darüber entscheiden, ob am Freitag eine Sondersitzung stattfindet, die ich aus den genannten Gründen nicht für erforderlich halte.
    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Einschätzung des rechtspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner. Herr Fechner, ich danke für dieses Gespräch!
    Fechner: Herzlichen Dank, schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.