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Tschechische Traditionsunternehmen (3/5)
Der Trick mit der High-Tech-Faser

Sportler kennen nur Goretex, hat Lukas Hermansky festgestellt. Der ehemalige tschechische Profi-Skifahrer will das ändern: Aus Nanofasern hat der Sohn eines Textilfabrikanten ein Produkt entwickelt, das der US-Marke Konkurrenz machen und den Niedergang der tschechischen Textilindustrie stoppen soll.

Von Kilian Kirchgeßner | 28.03.2018
    Ex-Skifahrprofi Lukas Hermansky ist Chef der Firma Nanomembrane im traditionsreichen Fabrikareal im tschechischen Svitavy
    Ex-Skifahrprofi Lukas Hermansky ist Chef der Firma Nanomembrane im traditionsreichen Fabrikareal im tschechischen Svitavy (Deutschlandradio/ Kilian Kirchgeßner)
    Futuristisch sieht die Maschine aus, vor der sich Lukas Hermansky aufgebaut hat. Zwischen schweren Metallarmen ist aus weißem Stoff eine Art Zelt aufgespannt, das durch ein regelmäßiges Pulsieren erschüttert wird.
    "Das ist das Niedrigdruck-Plasma. Hier bearbeiten wir unsere Plasmen, aus denen die fertigen Produkte entstehen. Das sieht einfach aus, ist es aber nicht."
    Lukas Hermansky hat die Technik mit einem Kollegen zusammen entwickelt: Nanofasern sind es, aus denen ihr Produkt besteht. Sportjacken zum Beispiel können daraus genäht werden, die wasserdicht sind, aber zugleich Schweiß und Dampf nach außen transportieren. Hermansky geht ein paar Schritte durch die Fabrikhalle, wo dünner weißer Stoff auf mächtige Rollen gewickelt ist. Er reibt ihn zwischen den Fingern:
    "Hier ist ein Stück der Membran zu sehen. Das weiße hier, das ist sie. Das sieht aus wie eine Folie, ist aber keine. Die Membran besteht aus Nanofasern; das ist es, was wir produzieren. Dann liegt es am Kunden, was er daraus herstellt."
    Traditionsreiches Fabrikareal mit High-Tech-Maschinen
    Seine Kunden sind Textilhersteller, die die Membran in Kleidungsstücke einbauen. Lukas Hermansky geht auf die 40 zu, er trägt einen Dreitagebart und eine Kurzhaarfrisur. In der Halle sind nur zwei Arbeiter zu sehen, Hermansky nickt ihnen kurz zu. Licht fällt durch große Atelierfenster herein; in der gewaltigen Halle ist neben den paar High-Tech-Maschinen noch jede Menge Platz:
    "Das ist die alte Wäscherei, wir renovieren sie Stück für Stück."
    Hermanskys Firma Nanomembrane siedelt mitten im Areal einer riesigen Textilfabrik. Im mährischen Ort Svitavy nimmt das Gelände den Platz eines ganzen Stadtviertels ein – Werkshalle grenzt hier an Werkshalle, seit mehr als hundert Jahren schon.
    Lukas Hermansky deutet mit dem Kopf in Richtung Ausgang und geht hinüber in den Konferenzraum, der gleich nebenan liegt. Dort erzählt er die Geschichte seiner Wunder-Membran, die vor knapp zwei Jahrzehnten beginnt; damals war Hermansky 20 Jahre alt und einer der besten tschechischen Skifahrer. In der Nordischen Kombination trat er 2002 bei den Olympischen Winterspielen an:
    "Unter den Sportlern habe ich gesehen: Alle kennen nur Goretex. Die meisten tragen nichts anderes, sie haben die Jacken und die Schuhe aus Goretex. Damals dachte ich mir: Mit so einem großen Spieler wie Goretex zu konkurrieren – das wäre eine schöne Herausforderung."
    Großmacht in der Nanotechnologie
    Lukas Hermansky lacht nicht, er meint den Vergleich bitterernst: Er, der Sportler aus Tschechien, gegen den Giganten aus Amerika – das ist der Wettbewerb, den er aufnehmen will. Dahinter steckt keinesfalls Größenwahn: Tatsächlich hat sich Tschechien zu einer Großmacht im Bereich Nanotechnologie entwickelt.
    Die Universitäten mit ihrer langen Tradition im Bereich Textilingenieurwesen zählen zu den weltweit führenden auf diesem Gebiet. Dort entstand auch die "Nanomembrane", auf die Hermansky setzt: Sie funktioniert ähnlich wie Goretex, aber basiert auf Nanotechnologie. Feinste Teilchen sind es, die zu einem Stoff verwoben werden und erstaunliche Eigenschaften mitbringen. Seine Membran, sagt Hermansky, sei um ein Vielfaches durchlässiger für Dampf und dabei auch noch weitaus wasserdichter als die Produkte der Konkurrenz:
    "Es wird eine richtig harte Nuss, die Kunden zu gewinnen. Die Konkurrenz steckt viel Geld in Werbung; wir sind erst noch dabei, die Textilhersteller zu überzeugen und ihnen zu zeigen, dass wir auch da sind und ein gutes Produkt haben."
    Lukas Hermansky hat einen entscheidenden Startvorteil: Er ist Sohn eines Textilfabrikanten – der Familie gehört das riesige Areal, in dem jetzt die Wäscherei zur Nano-Produktion umgewandelt wurde. Genau dort hatte Lukas Hermansky zuvor den Niedergang der tschechischen Textilindustrie hautnah miterlebt:
    "Im neuen Jahrtausend ging der Absturz los, verstärkt dann noch einmal durch die Finanzkrise. Die Konkurrenz aus Asien haben nur diejenigen überlebt, die etwas Besonderes im Angebot hatten, etwas Hochwertiges. Bei unserer Firma sind das die technischen Textilien – Stoffe für die Autoindustrie und für den Bergbau zum Beispiel."
    Ziel: ein Produkt, das die Leute kennen
    750 Mitarbeiter hatte die Firma in ihren besten Zeiten, jetzt sind es 450. Acht Leute davon sind bei Nanomembrane beschäftigt, der Tochtergesellschaft, die Lukas Hermansky zum Welterfolg führen will. Ein überschaubarer Start – aber dass die Pläne groß sind, wird in Svitavy allein schon an Äußerlichkeiten sichtbar: Während bei den meisten Gebäuden auf dem Areal der Textilfabrik der Putz abblättert, ist die Fassade der einstigen Wäscherei aufwendig herausgeputzt.
    Lukas Hermansky steht auf und geht zu einem Kleiderständer, der am Rand des Konferenzraums aufgebaut ist. Ein eleganter Herrenmantel hängt darauf, eine ganze Reihe Sportjacken, auch Sakkos. Ein bisschen, sagt Lukas Hermansky dann, sei es mit seiner Firma Nanomembrane so wie damals im Profisport: Die Konkurrenz ist hochklassig, aber trotzdem wisse man, dass man das Zeug dazu habe, sie zu überflügeln:
    "Ich habe mir als Sportler das Ziel gesetzt, zu den Olympischen Spielen zu kommen, das habe ich geschafft. Hier habe ich das Ziel, ein Produkt herzustellen, das die Leute kennen – daraus ziehe ich meine Befriedigung."