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Landschaftskunst
Ein Park für Dorsten

Die Kleinstadt Dorsten bekommt einen Stadtpark auf Zeit. Die niederländische Künstlergruppe Observatorium richtet an den Ufern der Lippe für 70 Tage den "LippePolderPark" ein. Der Fluss, der sonst den Ort teilt, soll so zu einer Begegnungsstätte werden.

Von Susanne Luerweg | 01.07.2015
    Ist das hier noch Dorsten? Die Stadt, in der ich 18 Jahre lang zur Schule gegangen bin? War ich hier schon einmal? Auf diesem kleinen Acker, fernab der Straße zwischen Lippe und Wesel-Datteln-Kanal, wo in diesen Tagen ein weltweit beachtetes Werk der Rotterdamer Kunstgruppe Observatorium entsteht? Auf jeden Fall ist dies ein schöner, idyllischer Ort für ein ambitioniertes Landschaftskunstprojekt. Das meint auch die in Dorsten geborene Kuratorin, Marion Taube:
    "Ich glaube, das hat hier so seine Wurzeln im Acker, aber den Kopf in der Welt. Ich glaube, das ist ein Ort, der ist gut für alle Menschen. Tatsächlich, wenn du dich im Central Park wohl gefühlt hast, dann wirst du dich hier auch wohl fühlen, weil es so ein bestimmter, netter Spirit ist, der hier unterwegs ist."
    Als ich die Aufbauarbeiten an diesem Morgen besuche, herrscht hektisches Treiben. Geert van de Camp, Mitbegründer von Observatorium, baut mit zahlreichen Helfern zwei ineinander verschlungene Deichringe. Parallel errichten sie noch eine Schreibhütte und nach und nach verwandelt sich ein Stück Brache in ein interessantes Fleckchen Erde. Gemeinsam mit Marion Taube gestaltet Observatorium den LippePolderPark, der meinen kleinen Heimatort auf die große kulturelle Landkarte heben soll.
    "Und so fügt sich das auch mit der Arbeit von Observatorium, wir sind alle immer auf der Suche, wir sind alle immer grundsätzlich offen, auf der Suche nach Wahrnehmung sozusagen, auch Transformation. Und unser tiefes Motto: das Gras wachsen hören, das wächst halt wirklich durch alles durch."
    "Dorsten wird schick"
    Der "LippePolderPark" entsteht in einer Art Niemandsland. Er liegt hinter einem neu gebauten Jachthafen. Dorsten wird schick, denke ich beim Vorbeifahren, schön eher nicht. Doch dann der Blick auf eine wunderbare auf Fichte gebaute Holzskulptur, die die Künstler gerade aufrichten. Zwei Achten, jede so groß wie ein am Boden stehendes Karussell, werden am Ende zu sehen sein.
    Ähnlich wie bei ihrem Emscherkunst-Projekt "Warten auf den Fluss" will Observatorium mit dem LippePolderPark Menschen für Kunst begeistern, die sonst eher Berührungsängste haben, erzählt mir der Gründer der Künstlergruppe, Geert van de Camp:
    "Na ja, Emscherkunst war das auch die Idee von einer Brücke, die so zick-zack macht. Und hier ist das Stück auch der Park, das haben wir hier gesehen, die Natur ist auch wichtig, das soll sich nicht ändern. Wir finden das schön, wenn dieses Gebiet nicht nur Acker ist, sondern auch ein Park."
    Ein Park zum Verweilen, ein Park um sich zu treffen, sich auszutauschen, Musik zu hören, Lesungen zu lauschen. Eine Begegnungsstätte wie es sie nicht gab, als ich hier wohnte, wie ich sie mir, zusammen mit vermutlich vielen anderen, gewünscht hätte.
    Das Herzstück des Parks ist der sogenannte PolderPavillon.
    "Eigentlich ist es ein offener Pavillon, man kann sich hinsetzten oder ein bisschen im Schatten oder in Sonne hinlegen. Es gibt natürlich ein Programm. Das ist für uns immer wichtig, dass es nicht nur eine Skulptur ist. Das Schöne ist auch: Man spürt das Wasser durch die Deiche, aber man ist hier auch so auf einer Insel."
    Das Wasser war in Dorsten immer da, und doch war es für die Bürger nicht erreichbar. Genauso wie das Grün. Von beidem satt. Aber keine stadtplanerischen Ideen, um sie für die Menschen zugänglich zu machen . Mit dem LippePolderPark soll sich das ändern.
    "Und diese ganze Zone zwischen Lippe und Kanal in grün zu tauchen, was so eine ganz frühe Idee von uns war, war ja dann der Gedanke - okay Central Park, Central Park für Dorsten. Nicht, weil wir endlich so sein wollen wie New York, das ist ja nicht das, was man meint, sondern in dieser Offenheit einzuladen und zu sagen: Kommt vorbei, bringt alle eure Talente ein, eure Wünsche ein, eure Hoffnungen", sagt Kuratorin Marion Taube.
    70 Tage im Fluss
    Und diese Idee geht offenbar schon jetzt auf: Die Anwohner lassen die Künstler bei sich wohnen, die Stadt hat das Land zur Verfügung gestellt, die jungen, hippen Barbetreiber der Kneipe Schaukelbaum zimmern aus dem restlichen Holz eine Lounge. Und die geplanten Aufführungen auf dem Gelände sind, wie die Umgebung auch, ständig im Fluss.
    70 Tage wird der Park, samt Deichpavillon, in Dorsten bleiben. Wie es danach weitergeht, ist noch offen.
    "Vielleicht ist es ein Ansatz, neue Gedanken zu machen, was hier passieren könnte, auch eine Art Vorschlag natürlich und vielleicht, dass das nächsten Sommer wieder steht, vielleicht geht es in eine andere Stadt, mit den Leuten, mit dem Programm. Das hoffen wir natürlich. Und wenn das keine gute Idee ist, dann verschwindet es einfach."
    Wer wie ich aus einer Kleinstadt geflohen ist, kennt den kritischen Blick zurück. Das Gefühl, dass man vielleicht mal zum Sonntagsnachmittagskaffee wieder hinfährt, aber ja nicht länger. Doch der LippePolderPark in Dorsten lohnt einen längeren Zwischenstopp. Das temporärere Landschaftskunstprojekt fügt sich integrativ in die Struktur der Stadt ein. Es zeigt, dass mit dem richtigen Zusammenspiel von Kunst, Natur und Menschen überall auf der Welt, ob in New York oder in der Provinz, eine kreative Atmosphäre für alle entstehen kann. Das ist vielleicht Trost und Ansporn zugleich, für alle nicht ganz glücklichen Kleinstadtbewohner.
    Der LippePolderPark wird am Sonntag, 5. Juli 2015, eröffnet und bleibt bis zum 14. September bestehen.