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Berliner Landwehrkanal
Das Warten nach der Mediation

Der Streit um die Sanierung des Landwehrkanals in Berlin könnte ein Beispiel für einen gelungenen Interessenausgleich sein. Bürgerbedenken wurden in einem sechs Jahre langen Gesprächsprozess Rechnung getragen, die Kosten sanken. Doch die Umsetzung lässt jetzt auf sich warten.

Von Philip Banse | 02.09.2014
    Eine Passantin sitzt am 29.04.2014 in Berlin-Kreuzberg bei milden Temperaturen und Sonnenschein am Ufer des Landwehrkanals.
    Am Landwehrkanal in Berlin-Kreuzberg (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Der Berliner Landwehrkanal. Der über 160 Jahre alte Kanal ist denkmalgeschützt und muss dringend saniert werden. Als 2007 Teile der Ufermauer einbrechen, will das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt Hunderte Uferbäume fällen, weil diese angeblich die Ufermauer belasten. Anwohner ketten sich an Bäume, sammeln Unterschriften und erzwingen ein Mediationsverfahren - eines der größten in der bundesdeutschen Geschichte, sagt einer der beiden Mediatoren, Stefan Kessen.
    "Mit das größte, ich bin immer vorsichtig mit den Superlativen, mit das Größte, was damit zu tun hat, die Komplexität des Verfahrens, die Anzahl der Beteiligten und auch die Dauer des Verfahrens."
    Sechseinhalb Jahre dauert die Mediation. Rund 25 Bezirksämter, Bürgerinitiativen, Reedereien, Landesbehörden, Umweltschutzverbände und Denkmalschützer treffen sich regelmäßig, debattieren über Zuständigkeiten, Spundwände, Brutplätze, bauen Teststrecken und warten auf Statikgutachten. Seit einem halben Jahr ist die Mediation abgeschlossen, gilt die Mediationsvereinbarung: Auf 28 Seiten ist detailliert festgehalten, wie der Kanal saniert wird. Die Bäume bleiben stehen. Die Mediation hatte ein Statikgutachten erbracht, das die Bäume für unbedenklich hält. Michael Scholz, der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamts, das vor sechs Jahren Hunderte Uferbäume hatte fällen wollen:
    "Wir haben neue Sichtweisen bekommen und auch durch die ständige Diskussion, die erquicklich war, haben wir auch neue statische Ansätze durchdacht und in Auftrag gegeben, die wurden dann auch durch Gutachter bestätigt. Das wäre, glaube ich, vor sechs Jahren im ersten Zugriff von uns so nicht geschehen. Wir hätten vielleicht eine andere Variante im Standard vollzogen, die vielleicht dann auch kostenungünstiger geworden wäre. Man kann also sagen, es war sehr positiv, dass wir uns mit den Bürgern und Bürgerinnen unterhalten haben."
    Vor der Mediation wollte die Kanalsanierung 180 Millionen Euro kosten, jetzt sind nur 67 Millionen veranschlagt. Demnach würden durch eine Mediation, die 1,8 Millionen Euro gekostet hat, knapp 130 Millionen Euro eingespart.
    "Der Mediationsprozess war im Großen und Ganzen vorbildlich", sagt Kanal-Anwohner Achim Appel, der die Bäume erhalten wollte und über sechs Jahre an fast allen Mediationssitzungen teilgenommen hat. Ihm gefällt an der Mediation.
    "Dass alle Stakeholder um einen Tisch versammelt waren, dass es verwaltungsebenenübergreifend ganz kurze Wege gab. Das war optimal."
    Sanierung geht Anwohnern zu langsam
    Nur habe er zu lange gedauert, weil ihn Ämter verzögert hätten. Sechs Jahre, über 200 Sitzungen a fünf Stunden und länger - alles ehrenamtlich - bei einer solchen Mediation müssen Sitzungsgelder gezahlt werden. Mediator Kessen sagt, so ein komplexes Verfahren dauere nun einmal so lange.
    "Ich glaube, da ist ganz viel passiert in der Mediation zwischen allen Beteiligten - nicht nur inhaltlich, was die Ergebnisse angeht, sondern vor allem auch die Form der Zusammenarbeit, die gefunden wurde, des gegenseitigen Respekts, der ganz anderen Wahrnehmung. Und da ist eine Menge Positives entstanden und ich hoffe, dass das nicht nur ein kleines Pflänzlein war, was dann im Allltag schnell wieder zertrampelt und zertreten wird, sondern was weiter wachsen kann."
    Ob sich diese Hoffnung erfüllt, ist offen. Seit einem halben Jahr ist die Mediation beendet, muss die Mediationsvereinbarung umgesetzt werden. Doch Anwohner-Vertreterin Appel geht die Sanierung zu langsam.
    "Es passiert nichts. Es stehen für dieses Jahr sieben Millionen Euro bereit, die werden nicht angefasst."
    Der für die Sanierung zuständige Amtsleiter Scholz entgegnet:
    "Sauber planen ist immer besser, als wenn man dann in der Ausführung holpert. Wir planen sauber und kommen dann in die Ausführung."
    Wann die Sanierung beginnt, ist völlig offen. Anwohnervertreter Appel ist genervt.
    "Es flutscht nicht mehr so wie wir das von der Mediation gewohnt sind und wenn sich weitere Konflikte aufbauen, dann müssen wir wieder zurück zur Mediation."