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Landwirtschaft
Pflanzenforscher findet die Brokkoli-Formel

Wann ist das Gemüse reif? Forscher der Universität Hannover haben ein Computermodell entwickelt, das auf Basis von Wetterdaten Prognosen für den Erntezeitpunkt von Brokkoli liefert.

Von Veronika Köberlein | 25.02.2015
    Gekochte Brokkoli-Röschen in einem Sieb über einem Handtuch
    Gekochte Brokkoli-Röschen in einem Sieb über einem Handtuch (imago / Westend61)
    Karsten Zutz: "Man pflanzt einheitlich große Pflanzen, in der Hoffnung diese auch innerhalb von ein bis zwei Tagen gleichmäßig ernten zu können. Aber das ist nicht so."
    Den Brokkoli hält sich nicht an leicht zu durchschauende Regeln, er wächst völlig unberechenbar. Der Erntezeitpunkt des Gemüses lässt sich dementsprechend schwer vorhersagen.
    "Man geht tatsächlich ins Feld und da sieht man, dass direkt neben einer Pflanze, die einen Kopf hat mit vielleicht einem Durchmesser von 12 bis 13 Zentimeter, direkt daneben kann eine Pflanze mit ein bis zwei Zentimeter Kopfdurchmesser stehen."
    Karsten Zutz von der Universität Hannover hat das Prognoseprogramm ProgKOLI entwickelt. Ziel seiner Masterarbeit am Institut für Gartenbauliche Systeme war es, in der scheinbar chaotischen Entwicklung von Brokkoli ein Muster zu finden. Denn durch das unterschiedliche Pflanzenwachstum sind manche Köpfe gut ausgebildet und können geerntet werden, während andere dagegen noch einige Tage brauchen. Karsten Zutz und seine Kollegen haben die Pflanzenentwicklung über Jahre hinweg genau beobachtet, um sie mit mathematischen Modellen zu erklären.
    "Es ist so, dass im Brokkolianbau mit Jungpflanzen gearbeitet wird, das heißt, es werden Jungpflanzen im Gewächshaus angezogen, zur Verfrühung, dann werden die zu Beginn der Saison oder des Anbausatzes ins Freiland rausgepflanzt."
    Früh zeigt sich, wann geerntet wird
    Dabei zeigt sich, dass der Brokkoli sich schon in seiner Jugend sehr unterschiedlich ausprägt. Die Forscher formulierten eine erste Vermutung: Die unterschiedlichen Erntezeiten sind auf das ungleiche Wachstum der Jungpflanzen zurückzuführen. Um das zu überprüfen, pflanzten die Gartenbauingenieure unterschiedlich ausgebildete Jungpflanzen auf einem Versuchsfeld an.
    "Dann haben wir tausende Jungpflanzen vermessen und verschiedene Bestände aufgepflanzt. Einen gleichmäßigen Bestand, einen Bestand nur aus kleinen Jungpflanzen, einen Bestand nur aus großen Jungpflanzen, einen streuenden Bestand, wo wir eine kleine Jungpflanze gezielt neben eine große Jungpflanze gesetzt haben. Und haben uns dann angeguckt, wann werden diese verschiedenen Bestände erntefähig?"
    Das Resultat: Das Wachstum der Jungpflanzen folgt keinem erkennbaren Muster und auch der Reifeprozess der Pflanze scheint völlig zufällig. Die Forscher wussten aber, dass die Entwicklung des Brokkoli stark von der Temperatur abhängt.
    In seiner Jugend braucht er es warm, am liebsten um die 26 Grad Celsius. Sobald er reift und beginnt, einen Kopf zu entwickeln, bevorzugt die Pflanze kühlere zehn Grad. Um die Wirkung der Temperatur auf die Pflanze besser zu verstehen, pflanzten Karsten Zutz und seine Kollegen Brokkoli in einer Klimakammer an. Ziel der Versuche unter konstanten Umweltbedingungen war es, den Zusammenhang zwischen Pflanzenentwicklung und Temperatur genau zu charakterisieren.
    "Wir haben einen riesigen Satz, mehr als tausend Jungpflanzen zu einem Zeitpunkt ausgesät, haben darauf geachtet, dass jede Pflanze die exakt gleiche Blattzahl hatte, bevor der Versuch gestartet ist, und haben sie verschiedenen Temperaturen ausgesetzt.
    Wir konnten dann anhand dieser Ergebnisse ein Modell anpassen, das uns jetzt in Abhängigkeit von dieser konstanten Temperatur die Entwicklungsrate ausrechnen lässt."
    Preisgekrönte Brokkoli-Formel
    ProgKOLI basiert auf der Kombination aus einem stochastischen Modell und Beobachtungen auf dem Feld. Füttert man das Programm mit festen Größen, wie Dauer der Kopfbildung im Verhältnis zur Temperatur und Variablen wie aktuellen Wetterdaten und Wettervorhersagen, spukt es eine Prognose für die Erntezeit eines Bestandes aus. Für die "Brokkoli-Ernte-Formel" wurde Karsten Zutz mit dem Grow Award ausgezeichnet, dem höchstdotierten Innovationspreis im Gartenbau.
    Warum sich Brokkoli so uneinheitlich entwickelt, das hat Karsten Zutz aber selbst nach der jahrelangen Studie nicht entdeckt. Um die Ursache dafür zu finden, müsste sich der Pflanzenforscher auch die Gene des Saatguts genauer ansehen. Mit seinem Programm kann er die Uneinheitlichkeit der Entwicklung grob vorher sagen, ausschalten kann er sie jedoch nicht.