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Landwirtschaftsminister Schmidt
Einer, der kein Fettnäpfchen auslässt

Seit seiner Berufung zum Landwirtschaftsminister ist Christian Schmidt bei den Bürgern vor allem aus Satiresendungen bekannt. Für seine bisherige Arbeit wird er unter Fachleuten scharf kritisiert.

Von Stefan Maas | 19.02.2015
    Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt
    Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (Deutschlandradio / Heiner Kiesel)
    "So, und jetzt nehmen wir noch ein bisschen Paprika, wollten wir da auch ein bissel was reintun..."
    Christian Schmidt hat die Hemdsärmel hochgekrempelt. An seinen Händen klebt Hackfleisch. An einer Berliner Schule kocht der Minister an diesem Tag mit Schülerinnen und Schülern in der Schulküche.
    "Hackfleischbällchen mit Semmel und Milch. Und dann eine Tomatensoße dazu."
    Das essen die Kinder besonders gerne. Und Schmidt, der als Minister nicht nur für Landwirtschaft, sondern auch für Ernährung zuständig ist, hat sichtlich Freude. Brav folgt er den Anweisungen von Fernsehkoch Tim Mälzer.
    Mälzer: "Ruhig in die Hände nehmen, die Hände sind ja sauber."
    Schmidt: "Ja, hab sie gewaschen."
    Mit Elan knetet er das Hackfleisch in der großen Metallschüssel. Er kocht gerne.
    Seit fast genau einem Jahr ist Christian Schmidt im Amt. Nachdem Hans-Peter Friedrich nach nur wenigen Monaten wegen der Edathy-Affäre als Minister zurücktreten musste, brauchte die CSU schnell einen Nachfolger. Voraussetzung: Wie Vorgänger Friedrich – aus Franken. Bei ihren Amtsträgern legen die Christsozialen nämlich Wert darauf, alle Regionen im Freistaat zu bedienen. Sonst gibt es Ärger zuhause in Bayern, des Machtproporzes wegen. Fündig würden sie im Entwicklungshilfeministerium. Dorthin war Schmidt kurz zuvor als Staatssekretär aus dem Verteidigungsministerium gewechselt.
    Seitdem hat er eine App vorgestellt, für diejenigen, die wissen wollen, wie bienenfreundlich ihre Balkonpflanzen sind, hat die Tierwohlinitiative ins Leben gerufen, bei der es vor allem um Haltungsbedingungen für Nutztiere geht. Ländlicher Raum, gemeinsame europäische Agrarpolitik, Dünge- und Ökoverordnung, also die Kennzeichnung von Ökoprodukten. Einige der Themen, mit denen sich der Minister beschäftigen muss.
    Peter Röhrig der Geschäftsführer des Bundes der ökologischen Lebensmittelwirtschaft zieht eine...
    "... gemischte Bilanz. Uns als Biobereich beschäftigt besonders die Revision der Ökoverordnung, da erleben wir einen sehr engagierten Minister, der sich sehr für die Belange der ökologischen Lebensmittelwirtschaft einsetzt. Wenngleich wir uns an der ein oder anderen Stelle freuen würden, wenn es noch nuancierter käme."
    Dezente Kritik. Andere Gesprächspartner sind weniger zurückhaltend, wollen sich dann aber doch nicht im Deutschlandfunk hören. Beratungsresistent sei er, zu kurz die Leine, die CSU-Parteichef Horst Seehofer seinen Ministern lasse, zu stark der Einfluss des Bauernverbandes, der sich ein "Weiter so" in vielen Fragen wünsche und wenig von ökologischer Landwirtschaft halte.
    Anruf in München, bei Walter Heidl, dem Chef des bayerischen Bauernverbandes. Wie zufrieden ist er mit seinem Bundeslandwirtschaftsminister?
    "Wir haben hier ja das Problem, dass wir bei der Anlagenverordnung, bei der Düngeverordnung und beim Arzneimittelgesetz eine Ressortabstimmung haben mit einem SPD-Ministerium in Berlin, zwar SPD-geführt, aber grün dominiert, dass wir im Bundesrat erleben, wie die Grünen Meinung machen, wenn es um Agrarpolitik geht. Und Minister Schmidt hier ständig mit dem Rücken an der Wand steht."
    Bekannt aus der ZDF Heute Show
    Schmidt, der getriebene Minister? Von den Bauern? Von den Grünen? Von der eigenen Partei?
    Jedenfalls muss er damit leben, dass er zu den Ministern gehört, die kaum auffallen. Vor allem, weil ihm mit großen Teilen des Verbraucherschutzes, für die jetzt Justizminister Heiko Maas von der SPD zuständig ist, auch ein Thema abhandengekommen ist, mit dem sich seine Vorgänger noch deutlich stärker in der Öffentlichkeit darstellen konnten. Erst bei einem neuerlichen Lebensmittelskandal könnte der Ernährungsminister zeigen, dass er mehr kann, als die Interessen der Landwirte zu verteidigen. Die aber vertritt Christian Schmidt mit Biss – sogar auf der Weltbühne:
    "One apple a day keeps Putin away."
    Reimte der Minister, als der russische Präsident den Import von ausländischen Produkten stoppte. Plötzlich stand der Franke im Rampenlicht. Toll, sagt Walter Heidl:
    "Sein Beispiel mit den Äpfeln. Da ist er ja öffentlich rübergekommen. Letztes Jahr wie die dramatischen Einbrüche auf dem Apfelmarkt waren bei den Preisen. Wo er dafür geworben hat, dass man jeden Tag einen Apfel isst, jeder."
    Anfang dieses Jahres sank die Begeisterung der Lebensmittelwirtschaft – vor allem der bayerischen - für ihren Minister schlagartig. Der hatte zum Thema Freihandelsabkommen mit den USA im Interview gesagt "Wir können nicht jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen."
    Auf den Aufschrei der Branche, er opfere Deutschlands regionale Produkte für den Freihandel, erklärte Schmidt, da sei er missverstanden worden. Er sei für klarere Regeln bei der regionalen Kennzeichnung.
    "Deswegen bin ich ja als einer, der sich ja für den fränkischen Bocksbeutel und den Aischgründer Karpfen persönlich damals eingesetzt hat, dass er geschützt ist, der erste Vorkämpfer für Regionalität."
    Dieser Leidenschaft fürs Regionale gab sich der Minister auch auf der Grünen Woche im Januar hin.
    Heute Show: "Die Hersteller der Greußner Salami haben uns gebeten, ob Sie vielleicht für die Greußner Salami stehen könnten, zur Greußner Salami stehen könnten. Und bitte das in die Kamera halten..."
    Bittet der Reporter der ZDF-Heute-Show. Auf dem Schild zu lesen: "Je suis Greußner Salami". Das Attentat von Paris ist zu diesem Zeitpunkt nur wenige Tage her. Für Christian Schmidt kein Hinderungsgrund. Er hat angebissen...
    Schmidt: "Greußner Salami. Und ich hätte da noch ein paar andere Dinge, die ich dann sagen würde. Zum Beispiel Nürnberger Lebkuchen, zum Beispiel"
    Reporter: "OK, je suis Nürnberger Lebkuchen"
    Schmidt: "Je suis auch schwäbische Spätzle."
    Der frühere Regierungssprecher Bela Anda fordert nach diesem Auftritt per Twitter Schmidts Rücktritt. Der steht dazu. Schmidts Sprecher hat inzwischen den Job gewechselt.
    Schmidt selbst hat andere Termine, die schönere Schlagzeilen produzieren. Kochen mit Kindern zum Beispiel.