Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Langes Warten aufs Gepäck in Tegel

Der neue Großflughafen BER soll Tegel ersetzen, doch jetzt muss das Provisorium noch weitere ein bis zwei Jahre herhalten. Im vergangenen Jahr seien dort 17 Millionen Passagiere abgefertigt werden, dabei sei Tegel nur für acht Millionen konzipiert, sagt Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft.

Klaus-Peter Siegloch im Gespräch mit Dirk Müller | 09.01.2013
    Dirk Müller: Air Berlin hatte fest damit gerechnet, aber auch die deutsche Lufthansa, auch Germanwings und viele andere mehr, von den ausländischen Airlines ganz zu schweigen, die Fluggesellschaften, die ihre Logistik, ihre Flugpläne, ihr Personal darauf eingestellt haben: auf den großen Umzug, auf den großen Transport in Richtung Berlin-Schönefeld zum neuen Megaflughafen. Startklar waren sie zum Herbst 2011. Dann kam alles anders. Zum vierten Mal ist die Eröffnung nun verschoben. Nächster Termin unbekannt, frühestens 2014, einige nennen sogar 2015. Die politischen Verantwortlichen stecken in der Klemme, Klaus Wowereit und Matthias Platzeck, auch die technisch Verantwortlichen, die Airlines aber auch. Das Flughafendesaster in Berlin, darüber sprechen wir nun mit Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Guten Morgen!

    Klaus-Peter Siegloch: Ja! Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Siegloch, wäre Bonn nicht doch besser Hauptstadt geblieben?

    Siegloch: Na ja, der Flughafen in Bonn - das wäre ja auch keine Alternative gewesen. Nein! Ich glaube, wir sind uns einig, das ist schon ein Trauerspiel, was wir da mit ansehen, bei dem einem langsam auch die Worte fehlen. Aber ich meine, es hilft alles nichts. Wir müssen nach vorne schauen. Und unsere Mitglieder, die Fluggesellschaften und die Flughäfen, die sind natürlich auch pragmatisch. Sie sagen, was können wir nun aus dieser Situation machen. Es hilft ja nichts, nur zu klagen. Und uns liegt natürlich daran, das Wohl der Passagiere, dass die nun nicht besonders darunter zu leiden haben. Und da geht es besonders natürlich auch darum: Was passiert jetzt in Tegel? Ich meine, man darf nicht vergessen: Das ist ein Flughafen, der ursprünglich mal für acht Millionen Passagiere konzipiert worden ist, und im vergangenen Jahr sind 17 Millionen Passagiere da abgefertigt worden.

    Müller: Wenn wir darüber reden, dass die Öffentlichkeit in regelmäßigen Abständen und Dosen darüber informiert wird, dass wieder verschoben wird, sind Sie da enger dran, wussten Sie früher Bescheid?

    Siegloch: Nein. Das ist das, was uns natürlich auch verwundert hat. Jede dieser Verschiebungen habe ich auch oder hat auch unser Verband aus den Medien erfahren. Und das ist sicherlich etwas, was auch die Airlines und die anderen verwundert hat, dass wir nicht sehr rechtzeitig in solche Entscheidungen eingebunden worden sind.

    Müller: Haben Sie keine Kontakte zur Politik?

    Siegloch: Die Politik ist zum Teil ja offensichtlich auch überrascht worden. So haben es jedenfalls einige Aufsichtsratsmitglieder auch gesagt. Also ich glaube, das ist jetzt nicht primär eine Frage der Politik.

    Müller: Sehen Sie eine Verantwortung der Politik?

    Siegloch: Die Frage der Politik und des Einflusses der Politik im Aufsichtsrat, darüber kann man natürlich lange philosophieren. Auf der einen Seite ist es so, da wird ja mit öffentlichen Geldern gearbeitet und deshalb gibt es auch einen Anspruch, finde ich, der Öffentlichkeit - und die wird über die Politik ja repräsentiert -, ein Auge darauf zu haben. Inwieweit nun jetzt einzelne Entscheidungen, Planungsentscheidungen oder so etwas jeweils durch die Politik im Aufsichtsrat beurteilt werden können und sollen - ich halte das auch für problematisch. Die große Linie sicherlich, die muss von der Politik verantwortet werden. Die Politik hat sich ja damals entschieden, zum Beispiel keinen Generalübernehmer für den Bau zu beschäftigen, aus Kostengründen damals. Das ist eine politische Entscheidung und da wird man sicherlich dann irgendwann ein Strich darunter ziehen und sagen: War das eine kluge Entscheidung?

    Müller: Und war das für Sie klar, Klaus-Peter Siegloch, Sie haben ja viele Jahre als Journalist gearbeitet, dass das alles viel teurer wird?

    Siegloch: Also gut, ich habe mich ja auch mit anderen Projekten immer wieder beschäftigt. Ich war ja auch lange Korrespondent in Amerika. Ich glaube, keines der großen Projekte, die irgendwo in einer Industrienation gebaut werden, von der öffentlichen Hand oder unter Leitung der öffentlichen Hand, ist am Ende genau so teuer geworden oder genau so billig geworden, wie es geplant worden ist. Da kommen dann auf dem Weg - das ist ja meist die Begründung -, gibt es dann Umplanungen. Und Umplanungen machen die Sache immer teuer, das weiß jeder private Bauherr auch. Und es mag auch die Neigung in der Politik da sein, das ist meine journalistische Erfahrung jedenfalls, dass man am Anfang lieber einen etwas zu niedrigen Preis nennt, um auch eine politische Zustimmung für ein Projekt zu bekommen. Und wenn die Preise dann steigen, aber die Hälfte des Baus schon steht, dann vertraut man auch darauf, dass die restlichen Mittel bewilligt werden.

    Müller: Sie haben eben gesagt, dass Sie, auch Ihr Verband, wie dann auch die anderen Beteiligten der Fluggesellschaften, auch erst aus den Medien heraus erfahren haben, wie es tatsächlich um die Bauarbeiten steht. Wenn wir über Kommunikation oder über Ihre Kontakte auch generell reden, aus Sicht des Verbandes jedenfalls - inzwischen werden ja teilweise Kunden gefragt, wie der neue Supermarkt vor Ort aussehen soll -, inwieweit waren die Fluggesellschaften eingebunden in das Konzept?

    Siegloch: Ja, in das Konzept sind wir schon eingebunden gewesen. Die Fluggesellschaften haben natürlich vorher auch ihre Wünsche geäußert. Da ging es ja nicht nur um Abfertigungsschalter, es ging um Lounges und ähnliche Dinge. Diese Beteiligung hat schon stattgefunden.

    Müller: Also da waren Sie eng dran?

    Siegloch: Ja. Das ist das, was ich jedenfalls von den Fluggesellschaften gehört habe. Wir sind ja als Verband nicht unmittelbar daran beteiligt gewesen, aber über unsere Fluggesellschaften ist das schon richtig. Es hat dann die Diskussion darüber gegeben - und das hat sich ja bei den Testabfertigungen gezeigt -, inwieweit die Abfertigungsschalter ausreichend sind. Da hat sich herausgestellt, dass das wahrscheinlich nicht der Fall sein wird. Und deswegen hat es ja so eine Art Provisorium- oder Pavillon-Lösung auch gegeben für weitere Abfertigungsschalter. Das ist dann schon eine Konsequenz gewesen auch der Hinweise der Fluggesellschaften, die gesagt haben, das wird zu Engpässen führen.

    Müller: Reden Sie jetzt jeden Tag viele Stunden über Schadenersatz?

    Siegloch: Nein. Es ist so, dass die Air Berlin ja eine Feststellungsklage eingereicht hat. Sie wissen, dass der Flughafen der Auffassung ist, dass es keinen Anspruch auf Schadenersatz gibt für die Fluggesellschaften. Die Air Berlin besonders sieht das anders, auch bei der Lufthansa, da hat man noch keine Klage eingereicht. Da geht man auch eher davon aus, dass es eine Schadenersatzmöglichkeit gibt, denn es entsteht natürlich Schaden, das ist ja völlig klar. Wenn man das jetzt am Beispiel der Air Berlin mal sieht: Die hatte geplant, ein großes Drehkreuz hier in Berlin zu machen. Das ist ihr zentraler Hub, wie es so schön heißt. Das heißt: Umsteigeverkehre, hier sollten also Menschen herfliegen nach Berlin und von Berlin aus wieder weiterfliegen. Das wäre beim BER, beim neuen Flughafen, ohne größere Probleme wohl möglich gewesen. In Tegel ist es nur mit größeren Problemen möglich, weil zum Beispiel die Gepäckanlage dafür gar nicht ausgelegt ist, einen großen Anteil Transitpassagiere zu haben. Das heißt, es muss Gepäck händisch zum Beispiel von der einen zur anderen Halle dann gebracht werden.

    Müller: Deswegen dauert das häufig auch ein bisschen länger?

    Siegloch: Das geht nicht automatisch. Ich habe es selber auch schon erlebt, aber es werden auch viele Ihrer Bekannten oder Ihrer Zuhörer schon erlebt haben: Man wartet dann auch mal öfter länger auf das Gepäck. Es hat im letzten Dreivierteljahr, oder halben Jahr, wo Tegel ja schon gar nicht mehr arbeiten sollte, eigentlich noch überraschend gut geklappt. Aber die Zahl der Passagiere wächst ja. Wenn wir jetzt noch mal schauen, dass es 2013 auf jeden Fall nicht zu einer Verlagerung nach BER kommt, und 2014 weiß man nicht, wann die Eröffnung sein wird. Herr Amann legt sich ja bewusst nicht fest. Dann kann es maximal sozusagen noch zwei Jahre gehen mit dem Provisorium Tegel und auch mit dieser Gepäckabfertigung. Und da sagen unsere Mitgliedsunternehmen, Air Berlin besonders, aber auch Lufthansa: Da muss nachgebessert werden.

    Müller: Ich hatte nach den Zahlen gefragt beziehungsweise nach Schadenersatz. Da sagen Sie zunächst einmal nein, das ist noch nicht ganz klar. Gibt es Zahlen, die bei Ihnen kursieren, wo man mit gewisser Verlässlichkeit und Berechenbarkeit sagen kann, die treffen zu, 20, 30, 40 Millionen Schaden?

    Siegloch: Ich habe da extra gestern noch mal nachgefragt und gesagt, gibt es konkrete Zahlen, und da haben mir die beiden großen Fluggesellschaften gesagt: Nein, es sind jedenfalls noch nicht Zahlen, die für die Veröffentlichung geeignet sind. Natürlich macht man sich intern Berechnungen. Aber wenn man so etwas dann äußert in der Öffentlichkeit, dann muss das ja auch vor Gericht Bestand haben. Und das wird alles dann noch mal besonders überprüft werden. Nur ich sage, wenn Sie insgesamt einen Strich darunter ziehen, was es alles an Mehraufwendungen gegeben hat, und dann am Ende, sagen wir mal, vielleicht Mitte, Ende 2014 einen Strich darunter ziehen, dann kann das leicht ein dreistelliger Millionenbetrag sein.

    Müller: Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.

    Siegloch: Okay - Tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.