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Langzeitarbeitslose
"Qualifizieren, Qualifizieren, Qualifizieren!"

In Nordrhein-Westfalen leben die meisten Langzeitarbeitslosen der Bundesrepublik. Ausreichende Fördermöglichkeiten fehlen. NRW-Arbeitsminister Schneider plädiert für gezielte Qualifizierungsmaßnahmen. Der Bund müsse mehr in Integrationsprogramme investieren.

Von Stephanie Kowalewski | 07.08.2014
    Stellenangebote auf Zetteln stecken in einer Wandtafel mit der Überschrift "Ausbildungsangebote".
    Eine besondere Gefahr besteht bei jungen Arbeitslosen: Wenn sie nicht unterstützt und motiviert werden, werden viele zu Langzeitarbeitslosen. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene )
    Arbeitsminister Guntram Schneider hat ein Problem. In seinem Bundesland NRW sind deutschlandweit die meisten Langzeitarbeitslosen verzeichnet. Vor allem die Kürzungen von Qualifizierungsmaßnahmen und Weiterbildungsmöglichkeiten macht er dafür verantwortlich.
    "Es ist die Vorgängerregierung, die über diesen Weg ein Stück weit Haushaltssanierung betrieben hat. Dahinter verbarg sich nichts anderes als ein rigides Einsparprogramm zu Lasten der Langzeitarbeitslosen. Und das war arbeitsmarktpolitisch frevelhaft."
    Deshalb fordert er jetzt mehr Geld vom Bund:
    "Das heißt, wenn jemand wirklich über Qualifizierungspolitik Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen will, dann muss dies in NRW, wo denn sonst, beginnen. Ich weiß auch, dass Frau Nahles in dieselbe Richtung denkt."
    Auch Reiner Mathes vom Paritätischen Wohlfahrtsverband denkt so. Er kritisiert, dass nachweislich wirkungsvolle Angebote drastisch zusammengekürzt oder sogar ersatzlos gestrichen wurden.
    "Wir hatten früher "Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen", so hießen die, die sind weggefallen. Wir haben gehabt Förderung von Arbeitsverhältnissen, das war die "Jobperspektive". Das war ein gutes Angebot, das ist leider dem Rotstift zum Opfer gefallen. Wir haben die 'Arbeitsgelegenheiten', die es zwar heute noch gibt, aber die deutlich zusammengestrichen worden sind."
    Langzeitarbeitslose wieder ins Berufsleben zu integrieren, war noch nie ganz einfach, sagt er, aber durch die nahezu Halbierung der Mittel ist es jetzt fast unmöglich. Laut Paritätischem Wohlfahrtsverband bekommt heute nur noch jeder zehnte Langzeitarbeitslose in NRW überhaupt eine Qualifizierungs- oder Integrationsmaßnahme angeboten.
    Als Folge bleiben zunehmend mehr Menschen dauerhaft arbeitslos. Und dass es hierzulande kaum noch Stellen für ungelernte Arbeitskräfte gibt, verschärft das Ganze noch, sagt Werner Marquis von der NRW-Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit.
    "Wir haben insgesamt 15 Prozent Angebote für Helferstellen. Auf der anderen Seite sind 51 Prozent der Arbeitslosen, die derzeit eine Helferstelle suchen, weil das ihrem Qualifikationsniveau entspricht."
    Gefährliche Situation für junge Arbeitslose
    Denn rund 60 Prozent der Langzeitarbeitslosen haben keine Ausbildung und keine sonstige berufliche Qualifizierung. Besonders dramatisch ist das bei den jungen Arbeitslosen. Wenn hier nichts geschieht, sind sie die Langzeitarbeitslosen von morgen, warnt Werner Marquis:
    "Wir sehen, dass immer noch rund 10.000 unserer jugendlichen Arbeitslosen keinen Hauptschulabschluss haben, 75 Prozent der jugendlichen Arbeitslosen unter 25 haben keine Berufsausbildung."
    Sie bräuchten dringend eine Art "assistierte Ausbildung" und "assitierte Reintegration", sagt er, damit die noch recht hohe Abbrecherquote sinkt.
    "Dass man sowohl dem Betrieb als auch dem Integrierten Betreuer zur Verfügunug stellt, als neutrale Instanz, wenn es Probleme gibt. Dann kann man vielleicht noch mal einen PC-Kurs hinterher schieben oder so. Die Idee ist: dann lieber 500 Euro noch einsetzen, ehe das Arbeitsverhältnis kaputt geht und sich langsam zurückzuziehen, wenn der Mensch sich auch stabilisiert hat."
    Langzeitarbeitslose müssen weiterqualifiziert werden
    Für den NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider gibt es nur einen Weg, Langzeitarbeitslose dauerhaft wieder in Beschäftigung zu bringen:
    "Qualifizieren, Qualifizieren, Qualifizieren!"
    Dazu müssten auch wieder mehr staatlich subventionierte Arbeitsplätze her, wie es sie bei der abgeschafften Jobperspektive gab, sagt er:
    "Über diese Jobperspektive ist es gelungen, Langzeitarbeitslose in den Erwerbsprozess zu integrieren und gleichzeitig weiterzuqualifizieren."
    Um diesen sozialen Arbeitsmarkt massiv ausbauen zu können, müsse geklotzt und nicht gekleckert werden, fordert Guntram Schneider:
    "Hier geht es um große Millionenbeträge. Letztendlich muss die Einsicht reifen, dass die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit immer sinnvoller ist, als die Finanzierung von Arbeitslosigkeit. Das muss auch Herr Schäuble einsehen."