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Laos: 40 Jahre später
Das schwierige Erbe des US-Bombenkriegs

Vor 40 Jahren, 1975, endete der sogenannte geheime Krieg in Laos. Jahrelang hatten die USA zuvor das Land bombardiert, um kommunistische Kämpfer am Vorrücken zu hindern - am Ende wie in Vietnam erfolglos. Hinterlassen haben die Amerikaner das am stärksten bombardierte Land der Welt, überall schlummern Blindgänger im Boden.

Von Caroline Eichhorn | 14.02.2015
    Landschaft im Goldenen Dreieck auf thailändischer Seite. Im Vordergrund Bananenstauden. Das Goldene Dreieck, ein hügeliges Grenzgebiet zwischen Thailand, Myanmar (Birma) und Laos, ist vor allem durch den Anbau und Schmuggel von Schlafmohn, aus dem Opium und Heroin gewonnen werden, bekannt geworden.
    Mehr als eine viertel Milliarde Streubomben warfen US-Kampfjets zwischen 1964 und 1973 über Laos ab. (picture alliance / dpa / Jerzy Dabrowski)
    Ein Bauernhof im Nordosten von Laos. Stolz präsentiert ein Bauer eine Hütte, in der er Tierfutter aufbewahrt. Sie besteht aus Holz - und Bomben-Teilen.
    Mit seinen Händen ahmt der Mann eine Explosion nach. Vor einem halben Jahrhundert fiel hier ein mannshoher amerikanischer Sprengkörper vom Himmel. Aus den Trümmern hat sich der Bauer Stelzen zusammengebaut und darauf das Häuschen gesetzt.
    So ist das hier auf der sogenannten Ebene der Tonkrüge in Laos, eine der am stärksten von Bomben umgepflügten Landstriche - weltweit.
    Wenn man heute mit dem Motorrad über die holprigen Straßen fährt, sieht man immer wieder Überreste amerikanischer Streubomben als Zaunpfähle am Straßenrand, als Stahlträger.
    Mehr als eine viertel Milliarde Streubomben
    Selbst die Schulglocke der Bezirkshauptstadt Phonsavanh ist aus solchem Militär-Schrott gegossen worden. Ein Dorf in der Nachbarschaft stellt aus den Metallteilen Löffel her. - Ein gefährliches Geschäftsmodell, denn viele der "Bombies", wie die Einwohner die Streubomben nennen, enthalten immer noch Sprengstoff. Mehr als eine viertel Milliarde Streubomben warfen US-Kampfpiloten zwischen 1964 und 1973 über Laos ab. Neun Jahre lang fiel durchschnittlich alle acht Minuten ein Sprengkörper auf laotisches Gebiet.
    Das strategische Ziel: Unbemerkt von der Weltöffentlichkeit wollte die US-Regierung dem kommunistischen Gegner die Luft abschnüren. Schätzungsweise ein Drittel dieser Bomben, Granaten und Raketen, ist bis heute nicht explodiert und schlummert als Blindgänger-Last im laotischen Boden - eine tickende Zeitbombe. Wie gefährlich dieses Erbe ist, bekam der heute 22-jährige Phongsavath Manithong zu spüren.
    "Als ich 16 Jahre alt war und von meiner Schule heimlief, fand einer meiner Freunde irgendeinen kleinen Gegenstand auf dem Boden. Ich war neugierig und fragte meinen Freund, kann ich es ansehen? Er gab es mir. Es explodierte in meiner Hand, alles passierte sehr schnell."
    Tickende Zeitbomben im Boden
    Als Phongsavath aufwacht, hat er beide Hände verloren und ist blind.
    "Als ich nach Hause zurückkam, war auf einmal alles anders. Manche Leute hatten sich nicht geändert und mochten mich weiter. Manche aber mochten mich nicht mehr. Denn ich konnte nicht mehr zur Schule, zur Arbeit, ich bleibe eben nur zu Hause."
    Heute lebt Phongsavath unterstützt von der Hilfsorganisation "Handicap International" in der Hauptstadt Vientiane und setzt sich seinerseits für Bombenopfer ein. Er singt, ist begeisterter Breakdancer und organisiert Benefizkonzerte, um seinen Leidensgenossen Mut zu machen - doch ein Leben lang wird er selbst ebenso auf Hilfe angewiesen sein. Jedes Jahr werden immer noch etwa 50 Laoten von Sprengkörpern getötet oder schwer verletzt, meist trifft es Kinder.
    "Einige Menschen wissen nicht Bescheid, denn die Bomben stecken tief in der Erde. Sie graben sie aus. Kleine Kinder wissen oft nicht, was das ist und spielen damit. Andere wissen Bescheid, aber: Die wollen die Eisenteile ausgraben. Auch wenn sie wissen, dass das gefährlich ist. Sehr gefährlich."
    "Es sind so viele Bomben, dass sie wirklich ein Teil der Landschaft geworden sind, ein Teil der Umwelt. Also, es ist kein Fremdkörper mehr, sondern es ist ein Teil dieses Ökosystems. Sie sind einfach immer da. Wie Wasser, Steine, Bäume, Bomben."
    Bomben als Teil der Umwelt und Landschaft
    Der Freisinger Andreas Hofmann lebt seit drei Jahren in Laos, arbeitet für einen Reiseveranstalter und promoviert darüber, wie sich Tourismus und das Bomben-Problem in Zentrallaos gegenseitig beeinflussen. Denn Laos hat Reisenden viel zu bieten: Spektakuläre Berge und Täler, unberührte Natur, Überreste von Hochkulturen, die mehr als 2000 Jahre alt sind. Eine Menge wirtschaftliches Potenzial – theoretisch. Wären da eben nicht die Blindgänger überall.
    "Zum Beispiel gibt es hier sehr viele Eisen und Goldvorkommen. Man kann sie nicht wirklich abbauen, weil man sie erst von den Minen befreien muss, oder von den Bomben. Das kostet so viel, diese Minen zu beseitigen, sodass man diese Rohstoffe kaum richtig ausbeuten kann, es wird zu teuer. Oder ganz einfach, wenn man ein Haus baut und man muss erst mal schauen, ob da keine Bomben sind, das wird sehr, sehr teuer."
    Auch Michael Boddington ist mit diesem Problem vertraut. Der Brite kam 1994 als einer der ersten westlichen Entwicklungshelfer nach Laos, hat unzählige Minen-Entschärfer begleitet, eine Hilfsorganisation für Bomben-Opfer aufgebaut. Er beobachtet, wie langsam die Räumungs-Arbeiten der Nichtregierungsorganisationen vorangehen.
    "Es gibt Schätzungen, dass sie seither eine halbe Million Bomben unschädlich gemacht haben. Eine halbe Million von mehr als 80 Millionen! Rechnen Sie mal nach: Bei diesem Tempo wären wir dann in 3.200 Jahren fertig."
    Zusammenarbeit mit Schrottsammlern
    Eine Lektion hat Boddington im Verlauf von 20 Jahren gelernt: Alle Bomben lassen sich nicht räumen, es dauert zu lange und ist zu teuer. Zwischen 100 und 250 Dollar koste es, eine einzige faustgroße Bombe professionell zu beseitigen, alles bezahlt von der internationalen Staatengemeinschaft. Genauso wichtig wären aber Investitionen in Bildung, Aufklärung und Opferhilfe, mahnt Boddington. Und er hat noch eine Idee:
    "Erstaunlich ist: Blindgänger sind sehr wertvoll. Ihr Metall wird dringend benötigt, um Stahlträger für die Baubranche herzustellen. Die Bomben sind aus qualitativ hochwertigem Stahl gemacht. Die Menschen in den Dörfern gehen die ganze Zeit ins Feld, sie haben gelernt, damit umzugehen. Sie wissen, wie man viele Blindgänger beseitigt."
    Wertvolle Blindgänger
    Boddington ist überzeugt: Der Schlüssel, um die Wirtschaft anzukurbeln und zugleich die Bomben zu beseitigen, liegt in der Zusammenarbeit mit den Schrottsammlern.
    "Sie verwenden sehr schlechte vietnamesische Metalldetektoren, Mickey-Maus-Dinger. Erstaunlich, dass es nur so wenige Unfälle gegeben hat. Unterstützen wir diese Menschen, geben wir ihnen lieber richtig gute Ausrüstung, Training, bestimmte Arbeitsrichtlinien - zu einem Bruchteil der aktuellen Kosten."