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Rechnen mit Röhrchen
Forscher bauen Computerchip aus Kohlenstoff-Nanoröhren

Die Erwartungen waren groß, als Anfang der 1990er-Jahre Kohlenstoff-Nanoröhren entdeckt wurden. Die haarfeinen und extrem stabilen Makkaroni aus Kohlenstoff sollten die Elektronik revolutionieren. Nun haben US-Forscher tatsächlich erstmals einen Mikroprozessor aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen gebaut.

Von Frank Grotelüschen | 29.08.2019
Computer-Prozessoren der Firma Intel.
Heutige Mikroprozessoren basieren auf Silizium-Technologie, künftige möglicherweise auf Kohlenstoff-Nanoröhren. (AFP / Thomas SAMSON)
"Sie sind extrem dünn, nur einen Nanometer im Durchmesser. Dennoch können sie fantastisch Strom leiten. Sie sind geradezu dafür prädestiniert, Transistoren draus zu bauen."
Für Max Shulaker, Professor für Elektrotechnik am MIT in Boston, sind Nanoröhrchen aus Kohlenstoff die idealen Bausteine für die Elektronik der Zukunft. Denn die derzeitige Technik – Mikroprozessoren aus Silizium – dürfte irgendwann ausgereizt sein: Sehr viel kleiner als heute werden sich die Transistoren, die einzelnen Schaltelemente auf einem Chip, wohl nicht mehr bauen lassen. Deshalb versucht die Fachwelt seit Jahren, Prozessoren aus Nanoröhrchen zu entwickeln.
Die Fertigung von Nanoröhrchen-Chips ist knifflig
Gleich mehrere Hürden standen im Weg. Zum Beispiel neigen die Nanoröhrchen dazu, sich während der Herstellung zu verklumpen. Und Max Shulaker kennt ein weiteres Problem: "Wenn wir die Nanoröhrchen herstellen, sind die allermeisten von ihnen wie gewünscht halbleitend. Einige jedoch sind es nicht, und die können Kurzschlüsse auf dem Chip erzeugen. Wir haben nun eine Technik entwickelt, mit der sich diese Kurzschlüsse verhindern lassen."
Bildlich gesprochen folgt die Chipherstellung diesem Rezept: Man kippe einen Topf mit gekochten Makkaroni auf eine glatte Oberfläche. Dann entferne man jene Nudeln, die die Oberfläche nicht berühren, würze den Rest erst mit etwas Metall und dann mit reichlich Oxid – und fertig ist der Chip. Dass er funktioniert, zeigte bereits ein erster Test.
"Das hat Spaß gemacht. Wir haben eine Software für unseren Chip geschrieben, mit der jeder Anfänger das Programmieren lernt: Wir haben dem Prozessor beigebracht zu schreiben: Hallo Welt! Und haben dann noch hinzugefügt: Ich heiße RV16XNano und bin aus Nanoröhrchen gemacht".
Die Rechenleistung entspricht einem 386er-Prozessor
RV16XNano besteht aus mehr als 14.000 Transistoren – und ist damit vergleichbar mit dem 386er Prozessor von Intel, der 1985 auf den Markt kam. Das ist zwar noch keine Revolution in der Computertechnik, aber immerhin der Beweis, dass sich praxistaugliche Chips mit Nanoröhrchen bauen lassen, meint Max Shulaker.
"Das Schöne daran ist: Im Prinzip lässt sich unser Chip mit denselben Methoden fertigen, mit denen die heutigen Siliziumprozessoren hergestellt werden. Die ganzen ausgefeilten Produktionsverfahren, die man in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, lassen sich dafür nutzen."
Die Taktrate - noch stark ausbaufähig
Noch aber gilt es manche Herausforderung zu meistern. So arbeitet der Nanochip derzeit nur mit einer mäßigen Taktrate von einem Megahertz. Der Grund: Das Be- und Entladen der Transistoren dauert noch recht lange. Ein Manko, das sich zum Beispiel durch eine Verkleinerung der Transistoren lösen lassen sollte.
"Der nächste Schritt wäre ein Chip, der tatsächlich schneller ist als ein Siliziumprozessor. Soweit sind wir zwar noch nicht, aber wir nähern uns diesem Punkt. Und ich hoffe, dass wir in drei bis fünf Jahren die Prototypen für erste Produkte sehen werden."
Und irgendwann, hofft Shulaker, könnte auch das Fernziel seiner Forschung erreicht sein: ein Mikroprozessor, auf dem Abermilliarden von Nanoröhrchen ihren Transistordienst verrichten und der die heutigen Chips in Grund und Boden rechnet.