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Laschet: "Wir brauchen mehr Europa"

Für eine gemeinsame Währung ist die Abgabe von nationaler Kompetenz, wie es Wolfgang Schäuble vorgeschlagen hat, sinnvoll, sagt CDU-Politiker Armin Laschet. Er plädiert für eine Fiskalunion, denn nur so könne der Euro in einer globalen Welt verteidigt werden.

Armin Laschet im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 20.10.2012
    Jürgen Zurheide: Die CSU geht bei ihrem Parteitag in München auf Kuschelkurs – darüber haben wir schon berichtet in dieser Sendung – in der Europapolitik, aber auch in anderen Politikfeldern. Starke Töne, das war offensichtlich gestern, jetzt ist Harmonie angesagt. Griechen mehr Zeit? Bitte schön, sagt Horst Seehofer. Austritt aus der Währungsunion? Nein, solche Töne hört man nicht mehr. Was will die Union in der Europolitik? Darüber wollen wir reden, dazu begrüße ich Armin Laschet, der selbst im Europaparlament gewesen ist und heute Landesvorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen, Herr Laschet!

    Armin Laschet: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Sagen Sie mal, wie viel Tonnen Kreide haben Sie oder die CDU eigentlich nach München geschickt, damit die so reden, wie wir das gestern gehört haben?

    Laschet: Nein, also da müssen wir keine Kreide schicken, sondern wenn nach diesem europäischen Gipfel, den wir ja in dieser Woche erlebt haben, und auch die Erfolge, die die bisherige Politik zur Stabilisierung und Rettung des Euros ja in den letzten Wochen gezeigt hat, wenn das auch in München jetzt stärker anerkannt wird, dann ist das ein Grund zur Freude. Und das unterstreicht eigentlich, dass die bisherige Politik richtig war.

    Zurheide: Also Ihre Freude kann man da nachvollziehen, aber ich will Sie dann doch noch einen Moment damit traktieren, was das eigentlich für eine Strategie ist. Wir wollen uns einmal ganz kurz Alexander Dobrindt anhören, den kennen wir alle, der Generalsekretär, der vor Kurzem noch die Griechen aus dem Euro rauskomplimentieren wollte. Hören wir das mal an:

    "Es muss ein Austritt aus der Eurozone möglich sein. Dabei kann man und soll man Mitglied der Europäischen Union bleiben, dann kann man auch später zurück in die Eurozone."

    Zurheide: Also das war jetzt eher so die freundliche Variante der Zitate, wir hätten da sicher auch noch andere finden können. Man fragt sich ja schon, und das frage ich Sie: Im Sommer redet man so, und jetzt geht es ganz anders – ist da eigentlich Porzellan zerschlagen worden?

    Laschet: Also ich glaube, dass manche Tonlage im Sommer nicht sehr hilfreich war. Ich glaube, dass die Wirkung eines Austritts Griechenlands unkontrolliert aus der Eurozone uns in Deutschland sehr geschadet hätte. Die Deutschen hätten mit am meisten bezahlen müssen in einem solchen Fall, und deshalb liegt es auch in deutschem Interesse, dass der Euro stabilisiert wird. Aber ein Kernunterschied ist, glaube ich, die Frage: Hilft mehr Europa den Deutschen, der deutschen Situation, der deutschen Wirtschaft, den deutschen Arbeitnehmern, oder ist mehr Europa eher etwas, was wir verhindern müssen? Und die Einschätzung der nordrhein-westfälischen CDU ist hier ganz klar: Wir brauchen mehr Europa, wir brauchen in der jetzigen Phase beispielsweise einen starken Währungskommissar, so wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble das vorgeschlagen hat, der rechtzeitig, bevor Staaten auf den Schuldenweg gehen, auch eingreifen kann. Das ist eine Abgabe nationaler Kompetenz, aber in der Zeit einer gemeinsamen Währung ist das die richtige Antwort. Und das muss man jetzt ausarbeiten, wie so etwas funktionieren kann, und da hat die nordrhein-westfälische CDU sicher manche andere Tonlage als die Schwesterpartei.

    Zurheide: Wie, bleiben wir mal bei diesem Konzept, was ja auch von Wolfgang Schäuble in der Woche vorgestellt worden ist, fragen wir – wie muss denn die Kompetenz eines solchen Währungskommissars aussehen? Ist er zum Beispiel dem Parlament verpflichtet oder ist es eher eine Brüsseler Bürokratenveranstaltung?

    Laschet: Nein, das muss vor allem durch Gerichte überprüfbar sein, was er da macht. Er kann auch nicht in nationale Haushalte hineinregieren, er darf nicht sagen, was welches Land an Konsolidierungsmaßnahmen zu machen hat, aber er muss anmahnen dürfen, wenn Regeln verletzt sind, wenn der Stabilitäts- und Wachstumspakt verletzt ist. Und wir haben ja auf der europäischen Ebene eine vergleichbare Institution. Der Wettbewerbskommissar, der darauf achten muss, dass der Binnenmarkt garantiert wird, der gegen Wettbewerbsverzerrungen sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch außerhalb – wenn Sie beispielsweise an die großen Konflikte mit Microsoft denken –, der da als Institution eingreifen kann, so wie das früher bei uns das Bundeskartellamt konnte, und der auch solche Fusionen verbieten kann. In dieser Stärke stelle ich mir einen Währungskommissar vor, der zunächst als unabhängige Institution einem Land sagen kann: Hier lauft ihr völlig gegen alle Regeln, und wir schicken den Haushalt zu euch zurück, und ihr habt selbst die Chance, euch zu korrigieren.

    Zurheide: Aber noch mal, wo bleibt da die Politik und der politische Spielraum? Man kann Haushalte konsolidieren auf zwei Wegen: Man kann sparen, das ist der eine Weg, man kann aber auch an der ein oder anderen Stelle – und solche Diskussionen werden geführt, zum Beispiel auch in Griechenland – die Steuern erhöhen, weil sie vielleicht zu niedrig sind. Ist das der Spielraum, der dann in den Ländern verbleibt, oder heißt das immer nur sparen, und wo ist da die Politik?

    Laschet: Nein, es wird noch sehr viel Spielraum zum Sparen bleiben, und ehe ein solcher Kommissar eingreift, muss auch schon viel passieren. Nur wenn Sie mal zurückdenken: Hätten wir vor drei, vier, fünf, sechs, sieben Jahren eine solche Institution gehabt, hätte man Griechenland wahrscheinlich vor manchem bewahren können, und die Reformen, die man dann eingeleitet hat, hätten vielleicht schon viel früher gewirkt. Wir haben gestern hier zu Gast gehabt auch Klaus Regling, den Vorsitzenden oder den geschäftsführenden Vorsitzenden des ESM, des neuen Stabilitätsmechanismus. Der weist nach, dass in allen Ländern im Süden Europas die Reformen zu wirken beginnen, dass die Entwicklung nach oben geht – mit Griechenland mal ein wenig als Ausnahme, weil es besonders viel zu tun hat. Aber in Spanien und Portugal und Irland ohnehin sind die Länder auf einem guten Wege, nachdem gemeinsam verabredete Regeln eingehalten werden. Und hätte man so etwas früher gehabt, wäre vielleicht manches in dieser Krise uns erspart geblieben. Und das müssen wir jetzt auf politischer Ebene in der Europäischen Union gemeinsam institutionell auch verankern.

    Zurheide: Nun habe ich im Ohr, bei der Regionalkonferenz, die Sie als nordrhein-westfälische CDU jetzt gerade mit der Kanzlerin gemacht haben, dass da Parteifreunde von Ihnen aufgestanden sind und gesagt haben, na ja, diese ganzen Regeln hatten wir ja alle schon, nur sie sind alle nicht angewendet worden. Das ist möglicherweise das Problem. Warum werden die neuen Regeln jetzt anders oder eher angewendet als die alten, die wir ja auch schon hatten?

    Laschet: Ja, das, glaube ich, ist auch richtig, wir brauchen keine neuen Regeln, sondern wir brauchen Institutionen, die so etwas rechtzeitig durchsetzen können. Und das bedeutet mehr Europa, die Kommissionen hier stärken, das, was man in Maastricht nicht geschafft hat, jetzt zu vollenden, nämlich eine Fiskalunion, wo in diesen Kernfragen der Währung Europa zusammenarbeitet. Und nur so können wir auch in einer globalen Welt unsere Währung verteidigen, und das ist ja das Hauptziel.

    Zurheide: Ihr Plädoyer ist da sehr eindeutig, als NRW-Vorsitzender und auch als künftiger stellvertretender Bundesvorsitzender, der Sie ja vermutlich werden. Jetzt komm ich noch mal doch auf die CSU zurück: Wie wollen Sie das in der Union, wo ja jetzt Harmonie angesagt ist, hinkriegen, denn die CSU will das nicht? Also da sind gestern, bezogen auf die Vorschläge von Wolfgang Schäuble, Worte wie Finanzdiktator gefallen, bezogen auf diesen Währungskommissar. Das ist ja dann wieder die alte Tonlage, oder?

    Laschet: Das ist wahr, und insofern hoffe ich ähnlich wie bei den anderen Themen, dass auch hier die CSU erkennt, es nutzt deutschen Interessen, wenn wir Europa stärken. Das hat sich in allen Kernfragen in den letzten Jahren erwiesen, und bei jedem neuen Schritt muss man dann neu ringen um den richtigen Weg, und die nordrhein-westfälische CDU wird hier Wolfgang Schäuble und die Bundeskanzlerin ermutigen weiterzugehen. Wir werden auch weitere Schritte brauchen, wir brauchen eine europäische Verfassung, in der die Regeln noch einmal klar beschrieben sind, und wir brauchen auch einen Kommissionspräsidenten, der in Zukunft direkt durch die Bevölkerung, durch die Menschen in Deutschland mitgewählt werden kann. Also mehr Europa heißt, wir als Europäer können dann in einer globalisierten Welt unsere Interessen besser vertreten. Und da wird es an der ein oder anderen Frage auch noch mit der Schwesterpartei und mit anderen Parteien Debatten geben, aber das kann dem ganzen Prozess auch nur nutzen.

    Zurheide: Letzte Frage ganz kurz: Mit einer Volksabstimmung oder ohne Volksabstimmung?

    Laschet: Den Währungskommissar zu stärken, dazu brauchen Sie keine Volksabstimmung, um eine europäische Verfassung zu machen – wir waren ja einmal knapp davor, vor einigen Jahren – brauchen Sie auch keine Volksabstimmung, denn es wird einfach nur geklärt, was macht Europa und was macht in Zukunft auch noch der Mitgliedsstaat, wie kriegen wir Europa demokratisch organisiert. Und dann wird die Frage sein, welche Kompetenzen werden da übertragen. Ob da am Ende eine Volksabstimmung nötig ist, das muss man juristisch überprüfen. Ich glaube, man kann heute Europa demokratischer machen, auch ohne eine Volksabstimmung.

    Zurheide: Das war Armin Laschet, der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen CDU, zur Debatte innerhalb der Union. Herr Laschet, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Laschet: Bitte schön!


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