Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Latein lebt

Latein ist für viele Schüler und Studenten immer noch ein Albtraum. Oft befasst man sich ausschließlich mit komplizierten literarischen Texten. Im nordrhein-westfälischen Werne indes gibt es einen Verein, der regelmäßig Treffen organisiert, wo es darum geht, möglichst viel Latein zu sprechen oder zumindest einem Vortrag zu lauschen.

Von Sarah Nellen | 24.07.2006
    Smalltalk unter Römern. So hat es vielleicht vor rund 2000 Jahren geklungen, als man im alten Rom zum abendlichen Chillout zusammenkam. Und so klingt es auch heute, wenn sich Wahlrömer in Münster zu einem netten Abend treffen. Rund 25 Leute sind im kleinen Saal eines gutbürgerlichen Hotels zusammengekommen, sitzen an einer langen Tafel, trinken Bier und quatschen – auf Latein. Wie verrückt muss man da sein?

    "Das sind keine Spinner, das sind einfach Leute, die Spaß am Latein haben, testen wollen, ob man sich über alltägliche Dinge in Latein unterhalten kann. Das ist spannend, was man alles sagen kann. Und es geht eigentlich alles."

    Da bestellt der versierte Lateinlehrer gern mal ein ovis frictum – ein Rührei. Wer nicht so speisekartensicher ist, schweigt - und genießt, wie zum Beispiel die Lateinstudentin Anna, die bald ihr Examen macht, und versucht, so noch ein bisschen Übung für die Übersetzungsklausur zu bekommen:

    "Ich traue mich selbst nichts zu sagen, weil ich das Gefühl habe, ich würde 1000 Fehler machen, das ist schon ungewohnt. Wann hört man schon mal jemanden Latein sprechen?"

    Die Lateinfreaks mindestens acht Mal im Jahr. So oft trifft sich der Werner Verein namens L.U.P.A. – Wölfin nämlich. Seit 20 Jahren. Und für jedes Treffen bereitet eines der Vereinsmitglieder einen Vortrag vor. Lateinlehrerin Mechthild hat ein Jahr Pause von ihren Schülern genommen – ein Sabbatjahr - und ist drei Monate lang durch Neuseeland gereist – oder besser Nova Zelandia –, wie der Neo-Römer sagt. Und sie weiß Einiges zu erzählen – auf Latein natürlich und ohne Manuskript.

    Ja, verstanden. Neuseeland bekam seinen Namen vom holländischen Entdecker Abel Tasman, der dabei an seine Heimat Zeeland dachte. Ein normales Latinum reicht also: Es gibt sehr viele eigenartige arbores – also Bäume in Neuseeland. Die werden im Herbst nicht alle bunt, sondern nur die aus Europa importierten. Man kann gemeinsam mit Delphinen in saukaltem Wasser schwimmen. Es gibt viele Schafe und Kühe und den besten Wein überhaupt. Natürlich ist Neuseeland "Terra ducis anulorum" – Genau: das Land des "Herrn der Ringe". Und wenn der Comictolpatsch Obelix einen Sprachfehler hätte, dann würde er seinen Kumpel so nennen, wie die Lateiner den neuseeländischen Nationalvogel Kiwi – nämlich "Apterix".

    Bei den geologischen und historischen Informationen wird es schon ein bisschen schwieriger. Ein kleines gelbes Taschenwörterbuch macht die Runde, und auch der berühmte Stowasser wird verstohlen aufgeschlagen.

    " Ich habe 50 Prozent verstanden, bin der Einladung gefolgt, war wohl ein kühner Entschluss."

    "Mir hat es sehr gut gefallen, ich bin erstaunt, dass alles gut verständlich war, durch die Bilder. Ich denke, dass man auch wie bei jeder anderen Fremdsprache schnell reinkommt."

    "Ich fand es einfacher als Texte, weil: Bilder und die Satzstrukturen sind einfach."

    Wer jetzt immer noch glaubt, Latein sei langweilig und grauenhaft und tot, dem ist nicht mehr zu helfen, meint auch diese Teilnehmerin:

    "Ich hatte mal einen lateinischen Freund. Wir haben lateinisch telefoniert, dem habe ich sogar das Autofahren auf Latein beigebracht."