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Lauschende Lautsprecher
Einst Albtraum, heute Alltag

Vernetzte digitale Assistenten erobern die Wohnzimmer. Mit ihnen kommen nicht nur Lautsprecher, sondern auch Mikrofone ins Heim, die zum Teil ständig mit den Diensten der Hersteller verbunden sind. Datenschützern zufolge wird damit die Privatsphäre vollständig aufgelöst.

Von Jan Rähm | 26.08.2017
    Der Amazon Echo Dot ist ein Lautsprecher, der auf den Namen "Alexa" hört und als Sprach-Schnittstelle zu Amazon-Produkten fungiert. Über den Amazon Echo Dot lassen sich Waren bestellen und Geräte im Haushalt steuern.
    Frewillige Aufgabe des privaten Raumes: Sprachassistenten wie Alexa, Echo oder Siri zeichnen umfassende Informationen auf. (picture alliance/dpa/Markus C. Hurek)
    Manfred Kloiber: Siri von Apple, OK von Google, Alexa von Amazon - seit diesem Jahr ist das Internet-Dreigestirn wieder komplett. Alle drei Technologie-Firmen sind jetzt massiv in Sachen vernetzten, lauschenden Lautsprechern unterwegs. Nach Amazon und Google bringt auch Apple in Kürze sein Gerät auf den Markt. Nur Microsoft fehlt mit einer speziellen Hardware für seinen Dienst Cortana. Diese Geräteklasse schickt sich gerade an, die Wohnzimmer, Küchen und sonstigen Räume unserer Wohnungen und Häuser zu erobern. Ein Umstand, der Datenschützern die Nackenhaare aufrecht stellt. Dazu gleich mehr, zuerst die technischen Details. Jan Rähm, diese vernetzten, sprachaktivierten Lautsprecher, wie funktionieren die genau?
    Jan Rähm: Diese Lautsprecher haben ein eingebautes Mikrofon und integrierten Kleinstrechner, verbunden mit dem Internet; sie sollen Sprache erkennen und an sie gerichtete Kommandos verstehen und ausführen; die Erkennung geschieht in der Cloud, bis auf eine Ausnahme, bei Siri passiert es teilweise lokal. Warum, dazu später. Bei Spracherkennung war Apple mit Siri zuerst, dann zogen die anderen nach. Bei Speakern war dann Amazon vorneweg. Die Frage ist ja noch, was soll ich damit. Die Antwort der Unternehmen lautet: meinen Alltag steuern, das fängt bei Bestellung Pizza an und geht bis dahin, dass ich mein ganzes vernetztes Heim per Zuruf kontrolliere.
    Kloiber: Lautsprecher, die permanent daheim lauschen - das ist fast schon ein Hintertreppenwitz der Geschichte. Denn früher versuchten Geheimdienste auf allen erdenklichen Wegen, in das Leben der Anderen einzudringen. Heute zahlen die anderen auch noch Geld dafür, nur um mit einer Black-Box quatschen zu können.

    Neuer Begriff von Privatsphäre
    Robert Schmitz ist Bereichsleiter beim Datenanalyse-Unternehmen Qlik. Er malt ein relativ düsteres Bild von der lauschenden Heimelektronik.
    "Der alte Begriff Privatsphäre, der ist in der Form nicht mehr da. Denken Sie nur an die Tools, die mittlerweile zu Verfügung stehen in Rahmen von Lautsprecher-Mikrofon-Kombinationen von entsprechen Anbietern, wo permanent gescannt wird, was in einem Haus in einem Raum gesprochen wird, um daraufhin wieder entsprechende Dienstleistung anzubieten."
    Skeptisch ist auch der Rechtsanwalt für IT- und Medienrecht, Udo Vetter.
    "Zunächst mal liegt die Gefahr darin, dass die Audiosysteme bedenkenlos und kritiklos in Gebrauch genommen werden. Das heißt also, wenn in einem Anwaltsbüro ein Siri oder Alexa auf Zuruf für die Mitarbeiter Pizza bestellt oder das Wetter checkt, dann ist das natürlich ein Fauxpas, der einfach auf fehlendes Problembewusstsein hindeutet."
    Möglichkeiten für die Strafverfolgung
    Bewusstsein für die Möglichkeiten der neuen Technik - das werden die Strafverfolgungsbehörden relativ schnell entwickeln. Das zeigen erste Fälle in den USA, bei denen Kriminal-Ermittler auf in der Cloud gespeicherte Daten von Fitness-Trackern und ähnlichen Geräten zugreifen wollten und es teilweise auch konnten. Mit der selbst installierten Abhöreinrichtung wird es nicht viel anders sein, vermutet Vetter.
    "Das Interesse der Strafverfolger ist natürlich da. Das ist ganz klar. Wenn Straftaten, möglicherweise auch schwere Straftaten, aufgeklärt werden sollen, dann gucken Polizeibeamte und Staatsanwälte natürlich, was können wir an Informationen bekommen. Und wenn ein pfiffiger Polizeibeamter, der so ein Amazon Echo auch zu Hause hat, an einem Tatort sieht, dann wird er sich vielleicht fragen, kann ich damit etwas machen. Nur da kommen wir […] zu dem rechtlichen Rahmen."
    Die Überwachung von Wohnräumen unterliegt zumindest in Deutschland strengen Gesetzen. Die Strafprozessordnung erlaubt den Eingriff in die Privatsphäre nur bei schweren Straftaten - und auch dann nur in klar abgesteckten Grenzen. Vetter erklärt die Grenzen.
    "Das heißt, der aktive Zugriff auf Amazon oder Siri oder ähnliche, der ist bei uns von der Strafprozessordnung momentan nicht gedeckt."
    Was aber nicht heißen muss, dass die in der Cloud gespeicherten Aufnahmen nicht von Interesse wären. Denn was da liege, das erzeuge Begehrlichkeiten, meint Udo Vetter.
    "Aufnahmen, die Amazon sozusagen zufällig gespeichert hat, weil das Gerät gerade an gewesen ist, da würde ich meine Hand als Anwalt nicht dafür Feuer legen, dass dann gesagt wird, das ist nicht verwertbar."
    Ungewollt strafbar?
    Es gibt noch eine zweite juristische Seite, die vor allem die Benutzer beachten müssten. Denn sie können sich unter Umständen mit den Systemen ungewollt strafbar machen, warnt der Rechtsanwalt.
    "Man muss natürlich auch beachten, dass man nicht möglicherweise selber in den Fokus der Datenschutzbehörden kommt oder möglicherweise strafrechtliche Probleme bekommt. Denn wenn man zum Beispiel ein Amazon Echo zuhause aktiviert hat, das eben in welcher Form auch immer mithört, dann muss man zum Beispiel seine Gäste darüber informieren, dass diese Sprachmitschnitte möglicherweise geschehen. Ansonsten könnte zum Beispiel der Straftatbestand der Verletzung der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes erfüllt sein."
    Aber: Würden die noch vergleichsweise neuartigen Geräte mit Sinn und Verstand eingesetzt, dann stünde dem sprachgesteuerten Alltag kaum etwas im Wege. Man muss sich nur zu helfen wissen. Udo Vetter weiß das aus ganz eigener Erfahrung.
    "Ich persönlich bin im Besitz eines derartigen Lautsprechersystems, das bei mir zu Hause steht. Aber ich persönlich bin mir noch nicht so ganz darüber im Klaren, wann mir wie zugehört wird. Und deswegen ist das bei mir im Moment so, dass ich dieses Gerät einfach vom Strom trenne, wenn ich es nicht brauche. Das heißt also, ich kappe die Stromversorgung und auch die Internetverbindung dieses Gerätes und schalte es nur dann an, wenn ich es auch brauchen will oder zum Beispiel Freunden vorführen will. Derzeit ist ja der Nutzwert eher darauf beschränkt, dass man da ganz interessante Demonstrationen mit vorführen kann, wie toll das alles ist."