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Grünen-Politiker über EuGH-Urteil zur Genschere
"Es ist gar nicht ein hartes Nein"

Der Europäische Gerichtshof habe mit seinem Urteil zur Genschere kein hartes Nein zur Gentechnik gesprochen, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner im Dlf. Er verlange nur, neue Methoden so zu regulieren, wie es der Gesetzgeber bei der Gentechnik-Richtlinie damals vorgesehen habe.

Harald Ebner im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 28.07.2018
    Harald Ebner
    Harald Ebner (picture alliance / Geisler-Fotopress)
    Jürgen Zurheide: Ich begrüße Harald Ebner. Er sitzt für die Grünen im Bundestag und ist der Sprecher Gentechnik. Guten Tag, Herr Ebner, guten Morgen!
    Harald Ebner: Guten Morgen!
    Zurheide: Sie haben gejubelt bei dem Urteil. Warum sehen Sie das so komplett anders als Professor Clemens?
    Ebner: Ich war sehr froh, dass der EuGH tatsächlich, ich sag mal die europäische Freisetzungsrichtlinie so interpretiert hat, wie sie damals auch gemeint war, dass nämlich alles, was an neuer Technologie, die direkt ins Erbgut eingreift, auch direkt einer Regulierung unterfällt. Das war damals intendiert, und der Grund, warum die Mutationsgeschichten mit Chemikalien und Bestrahlung damals ausgenommen wurden, war, weil sie schon so lange angewandt wurden, dass keiner überhaupt die politische Möglichkeit gesehen hat, das noch unter eine Regulierung zu nehmen. Aber die Konsequenz war, dass die Menschen, die Politiker und Politikerinnen, damals sich drauf geeinigt haben, was als Neues kommt, wollen wir in jedem Fall – jetzt hört Regulierung sich immer so streng an – wollen wir in jedem Fall einem Zulassungsverfahren unterwerfen, das eine Risikoprüfung vorsieht, eine Sicherheitsprüfung und auch eine Kennzeichnung, sodass eine Wahlfreiheit besteht, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch die Landwirte entscheiden können, was sie kaufen für Saatgut und was sie kaufen für Produkte.
    "Wir machen nicht das Gleiche wie die Natur"
    Zurheide: Nur, wenn ich Herrn Clemens gerade richtig verstanden habe, ist ja die Frage, das, was sozusagen in der Natur über Mutationen passiert, ist das eine, das ist unproblematisch, das definieren wir so. Wenn wir das Gleiche, was die Natur macht, im Labor machen, wird's problematisch. Warum ist da so eine Differenz?
    Ebner: Ich glaube, dass die Geschichte falsch rum aufgezäumt ist, wenn sie so erzählt wird, weil wir machen nicht das Gleiche wie die Natur. Dann bräuchte es uns nicht und wir müssten es nicht machen, dann müssten wir keine Hochtechnologie einsetzen. Die Wissenschaft ist sich doch einig, dass die Genschere Crispr, aber auch andere neue Methoden, dass die eine technologische oder eine Hochtechnologie sind, eine Errungenschaft der modernen Forschung, mit der wir direkt ins Erbgut mit technischer Hilfe eingreifen können. Das ist nicht naturidentisch, das passiert nicht in der Natur. Wer das erzählt, der tut so, als ob wir überhaupt keine Technologie einsetzen würden. Aber der Mensch ahmt im besten Fall Natur nach, aber er wird sie nicht ersetzen können.
    "Es gibt keine Hintertür"
    Zurheide: Was heißt das jetzt in der Konsequenz? In der Konsequenz heißt es, geht gar nicht und Europa ist dann raus aus dieser Form von Entwicklung, weil sie anderswo stattfindet, was ja nicht immer ein Argument sein muss, oder sagen Sie, es muss reguliert werden, und wenn es reguliert wird, können wir es machen mit Risikoabschätzungen?
    Ebner: Das war die Entscheidung damals, als die Freisetzungsrichtlinie sozusagen in die politische Welt gesetzt wurde, zu sagen, es gehört dazu, Zulassung mit Sicherheitsprüfung und eine entsprechende Kennzeichnung. Beides gehört zusammen sozusagen zur Wahrung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger Europas, am liebsten natürlich auch der ganzen Welt, zum einen, was die Vorsorge für Gesundheit und Umwelt angeht, weil vorwegzunehmen, dass eine Technologie nie was Gefährliches hervorbringt, das ist schwierig, weil wir ja nur die Technologie kennen, aber nicht das, was mit ihr gemacht wird, und zweitens die Wahlfreiheit zu gewährleisten. Und dafür sind die Zulassungsverfahren da, um beides sicherzustellen. Wir wissen, da ist ein Organismus, der ist so und so entstanden, wir prüfen das, ob damit ein entsprechendes Risiko verbunden ist, und wenn das nicht der Fall ist, dann kann das zugelassen werden, muss aber gekennzeichnet werden. Und dass etwas zugelassen werden kann, da haben wir bislang auch immer noch einen politischen Prozess. Das entscheidet ein Gremium, in dem die Mitgliedstaaten drüber abstimmen, ob sie der Zulassungsempfehlung der Kommission folgen wollen oder nicht. Also das heißt, es ist gar nicht ein hartes Nein des EuGH oder dass der EuGH hier die neuen Formen der Gentechnik ablehnt, sondern er sagt, sie sind schlicht und ergreifend so zu regulieren, wie es damals der Gesetzgeber vorgesehen hat. Es gibt keine Hintertür, und sie haben sich schlicht und ergreifend da kein X für ein U vormachen lassen, die Richter.
    Zurheide: Ich bedanke mich ganz herzlich, dieses komplizierte Thema heute Morgen durchmessen zu haben. Das war Harald Ebner von den Grünen, ich bedanke mich auch bei Ihnen herzlich für das Gespräch. Danke schön!
    Ebner: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.