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"Lean-In-Collection"
Neue weibliche Vorbilder schaffen

In den Medien werden berufstätige Frauen auf Bildern oft als überfordert oder krankhaft ehrgeizig dargestellt. Die Bildagentur Getty Images hat deswegen gemeinsam mit der Nonprofit-Organisation "Lean In" eine Sammlung mit neuen Bildern "dynamischer Frauen" zusammengestellt, um ein neues Frauenbild zu entwerfen.

Von Sacha Verna | 01.05.2014
    Sheryl Sandberg in rotem Kleid hält ein Buch mit dem Titel "Lean In" in die Kamera, auf dem Cover ist ihr Gesicht abgebildet.
    facebook-Chefin Sheryl Sandberg hat die Organisation "Lean In" gegründet. (dpa/picture alliance/Britta Pedersen)
    Rote Boxhandschuhe sind besonders beliebt. Ebenso mörderisch hochhackige Schuhe. Brüllende Babys natürlich und Laptops, Wäscheberge und blinkende Telefone. Die Damen mit den entsprechenden Accessoires platziert man dann gerne an den Rand eines Abgrunds, und die Botschaft ist klar: Berufstätige Frauen sind krankhaft ehrgeizig, komplett überfordert und immer kurz vor dem Absturz.
    "Images just have that kind of I think primal impact on our psyches, which makes them such effective communicators."
    Bilder hätten eine unmittelbare Wirkung auf unsere Psyche und vermittelten deshalb Botschaften so effizient, sagt Pamela Grossman. Grossman verfolgt visuelle Trends für Getty Images und ist mit den stereotypen Fotos von Frauen bei der Arbeit bestens vertraut, die unser Bilduniversum beherrschen. Mit 2,4 Millionen Kunden gehört Getty Images zu den größten Bildagenturen der Welt und beliefert Magazine, Websites und Werbeagenturen in über 100 Ländern mit Material aus einem Fundus von 150 Millionen Bildern. Auch mit Fotos vom Typ Frau mit Job, Familie und Nervenzusammenbruch. Aber das will Pamela Grossman ändern.
    "Ich will Bilder von dynamischen Frauen sehen, von Frauen, die Protagonistinnen ihrer eigenen Geschichte sind, nicht passiv, keine Requisiten. Ich will die Vorstellung der Leute für die Möglichkeiten von Frauen erweitern."
    Um solche Bilder zu verbreiten, hat sich Getty Images mit "Lean In" zusammengetan. Diese Nonprofit-Organisation wurde von Sheryl Sandberg gegründet, der Multimillionärin und Facebook-Chefin, die sich zwischen Meetings und Mutterfreuden als Amerikas Vorzeigefeministin profiliert. Mehr Macht für Frauen, lautet das Ziel der Organisation und nun auch das der Lean-In-Collection, die Sheryl Sandberg und Pamela Grossman gestartet haben. Diese Sammlung von vorläufig 2500 Bildern soll Kunden von Getty Images vom Klischee zur Alternative locken. Die Initiative sei wichtiger denn je, so Pamela Grossman, weil mit der Digitalisierung unserer Kultur auch die Flut und der Einfluss von Bildern zunähmen:
    "The more digital we become, the more visual we're becoming as a culture"
    Ohne Vorbilder keine Wunschbilder
    Statt der einsamen Hornbrillenträgerin, die im Büro einem Salatblatt beim Schlappwerden zusieht, beißt in der Lean-In-Collection eine Frau genussvoll in ein Butterbrot und vollbringt an ihrem Computer zugleich kreative Wunder. Eine andere leitet total entspannt und mit sichtlichem Erfolg eine Sitzung, Klein-Vivian auf dem Schoss, auf dem Oberarm ein farbenprächtiges Tattoo. Wir können nur sein, was wir sehen. Davon sind Sheryl Sandberg und Pamela Grossman überzeugt.
    "Es ist immer schwierig zu sagen, in wie weit die Medien die Welt widerspiegeln, in der wir leben, und in wie weit sie sie konstruieren."
    Kathleen Gerson ist Professorin für Soziologie an der New York University und Autorin mehrerer Bücher über den Mythos männerfressender Karrierefrauen und depressiver Vollzeitmamas.
    "Dieser bewusste Versuch, das Frauenbild in den Medien zu verändern, ist ein Zeichen dafür, wie viel in unserer Gesellschaft verkehrt läuft, was die Gleichberechtigung von Frauen betrifft, und dafür, wie sehr Veränderungen nötig sind. Es ist aber auch ein durchaus löblicher Versuch."
    Dass "Frauen", "Arbeit" und "Familie" die drei häufigsten Suchbegriffe in der Fotobibliothek von Getty Images bilden, überrascht Kathleen Gerson nicht. Laut Statistik treffen in den Vereinigten Staaten in 85 Prozenten der Haushalte Frauen die Entscheidung über Anschaffungen. Die permanente Fehleinschätzung und Fehldarstellung dieses Bevölkerungssegments erweist sich also als teure Fehlkalkulation, und das je länger, desto mehr.
    In einem sind sich Kathleen Gerson, Pamela Grossman und Sheryl Sandberg einig: Es braucht mehr Frauen in Führungspositionen und in der Politik, um dauerhafte Veränderungen zu bewirken, auch in der Bilderlandschaft, die uns umgibt. Es ist wie mit dem Huhn und dem Ei: ohne Vorbilder keine Wunschbilder und ohne Wunschbilder keine Chance für Vorbilder.