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Leben aus dem Baukasten

Biologie. - Um das Leben zu beobachten, mussten es Wissenschaftler oftmals zunächst zerstören und veränderten dabei auch wichtige Strukturen. Anders geht heute die so genannte synthetische Biologie vor: Dabei wird neues Leben quasi aus dem Baukasten geschaffen, wie Experten auf einem Kongress in Zürich berichten.

Von Michael Lange | 25.06.2007
    Alle warten gespannt auf die Nachricht vom ersten künstlichen Lebewesen. Ein Bakterium, das Wissenschaftler im Labor aus Einzelteilen zusammensetzen. Es wurde bereits vor einigen Wochen patentiert, vom J.-Craig-Venter-Institut in Rockville, in den USA. Ein künstliches Bakterium mit einem Minimalerbgut. Einzelheiten über den Stand der Forschung sollen in Kürze bekannt gegeben werden. Für den Verfahrenstechniker Sven Panke von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich ist das ein wichtiger Schritt für die synthetische Biologie. Der als Erbgut-Sequenzierer bekannt gewordene Biotechnologe Craig Venter könnte dann Lebewesen, wie am Reißbrett planen und zusammensetzen.

    "Sicherlich auch mit der noch etwas entfernten Vision, dass er dann ein Chassis besitzt, dass er hoffentlich wunderbar versteht, und auf dem er dann aufbauen kann. Und von dort aus kann er dann gezielt seine eigenen Vorstellungen, neue Funktionen, neue Regelkreise, neue funktionale Module darauf bauen, und dieses Bakterium dann weiter entwickeln nach seinen Vorstellungen."

    Zum Beispiel ein Bakterium, das mit Hilfe von Sonnenenergie Wasserstoff herstellt. Und zwar effektiver als es natürliche Organismen vermögen. Das ist eine der Visionen, wie sie Craig Venter formuliert hat. Die Vorstellungen der synthetischen Biologen erinnern oft an die Pläne von Ingenieuren. Viele Begriffe, die von ihnen verwendet werden, stammen aus der Industrie. Und tatsächlich dienen industrielle Fertigungsmethoden als Vorbild. So wie heute ein Flugzeug aus fertigen Bauteilen zusammen gesetzt wird, wollen die Wissenschaftler Biosysteme aus einzelnen Komponenten konstruieren. Aber das ist nicht so leicht, gibt Sven Panke zu bedenken. Denn biologische Systeme sind noch etwas komplexer als ein Verkehrsflugzeug. Wie Lebewesen oder Biomoleküle reagieren, wenn man sie neu zusammensetzt, lässt sich nur schwer vorhersagen.

    "Tausende von Teilchen, von denen viele untereinander interagieren. Nimmt man ein Teil heraus, passieren ganz komische Dinge,die man gar nicht erwartet hat. Und was wir als synthetische Biologen heute versuchen, ist, biologische Systeme so zu gestalten, dass wir sie modular handhaben können."

    Sven Panke von der ETH Zürich will Enzyme, also biologische Katalysatoren, so zusammen bringen, dass sie Aufgaben erledigen, die heute von Chemikern im Labor erledigt werden müssen. Mehrere Enzyme könnten gemeinsam Grundgerüste für die Herstellung von Medikamenten produzieren. Viele Arbeitsschritte in der chemischen Industrie ließen sich einsparen. Außerdem käme die Biologie mit weit weniger Energie aus als die Chemie.

    "Wir versuchen, komplexe Biomoleküle herzustellen: Zum Beispiel Vielfachzucker, Oligosaccharide. Das sind Moleküle, die man heute typischerweise nicht mit Fermentation macht, also nicht mit lebenden Zellen, sondern mit sehr aufwendiger Chemie. Und was wir uns vorgestellt haben, ist, dass wir Enzyme nutzen können, um das zu tun."

    Noch ist das eine Vision, aber die ersten Schritte sind getan. Die richtigen Enzyme haben die Forscher gefunden und isoliert. Am liebsten würden sie die Enzyme einfach in einen Topf mit den Grundsubstanzen geben und die Enzyme ihren Job tun lassen. Aber ganz so einfach ist es nicht.

    "Nur, weil ich zehn Enzyme zusammen gebe, heißt das noch lange nicht, dass sie das tun, was sie als einzelne tun. Da gibt es Effekte, dass das Produkt der einen Reaktion das Enzym der nächsten Reaktion lahm legt oder der übernächsten Reaktion beschleunigt. Eine ganze Reihe von vollkommen unvorhersehbaren Effekten, mit denen man sich auseinandersetzen muss, und die es verhindern, dass man einfach mal zehn Enzyme zusammengibt und gemeinsam betreibt."

    Biologen und Verfahrentechniker müssen sich zusammentun, und einen regelrechten Schaltplan für die Biomoleküle entwickeln. Sie müssen regulierend eingreifen, zum Beispiel mit Botenstoffen, so dass sich jedes Enzym in den Dienst der gemeinsamen Sache stellt. Das wäre dann eine Art industriell gezähmte Natur, auf molekularem Niveau.