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Leben mit Blindheit
Mobilitätstraining für sehbehinderte Senioren

Für Menschen, die im höheren Alter erblinden, ist es eine enorme Herausforderung, mit der neuen Situation zurechtzukommen. Blinden- und Sehbehindertenvereine wollen sie unterstützen, indem sie gezielte Mobilitäts- und Orientierungstrainings anbieten - eine Reportage aus Köln.

Von Mirko Smiljanic | 14.10.2014
    Ein blinder Mann ertastet mit seinem Langstock den Weg.
    Ohne Augenlicht werden die einfachsten Wege plötzlich zu gefahrvollen Schritten - besonders für Menschen, die erst spät erblindet sind. (picture-alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Köln-Weidenpesch, Neusser Straße Ecke Roßbachstraße. Zügig tastet sich Marisa Sommer mit ihrem weißen Blindenstock über den Gehweg Richtung Straßenbahnhaltestelle. Kaum Passanten, nur wenige Autos. Alles gut, mögen da Sehende denken, für Blinde ist die Situation aber alles andere als einfach.
    "Es sind ganz viele Hindernisse - Aufsteller, Fahrradständer und, und, und. Ich muss jetzt, wenn ich zur Straßenbahn gehen möchte, rechts überqueren, und da ist ein ganz großes Problem, die Bordsteinkante, die existiert nicht, die ist auf null herabgesetzt, das heißt, da herrscht wirklich Lebensgefahr für jeden sehgeschädigten Menschen, weil man mit dem Stock die Bordsteinkante nicht ertastet, ich gehe mal..."
    Vorsichtig tastet sich die blinde Blindenberaterin Richtung Straße, ...
    "Hier ist nichts, hier ist nichts, hier ist nichts, ich befinde mich quasi schon auf der Straße."
    Solche Situationen könne nur meistern, wer ein systematisches Mobilitäts- und Orientierungstraining absolviert hat, sagt Marisa Sommer, Vorstandsmitglied im "Blinden- und Sehbehindertenverein Köln". Ein solches Training beginnt, wo man sich besonders sicher fühlt: zu Hause.
    "Und dann wird erst mal die direkte Umgebung abgearbeitet, das heißt, es ist erst mal wichtig, dass ich mich selbst versorgen kann, das heißt der Bäcker, der nächste Supermarkt, also die nähere Umgebung."
    Mit dem Trainer in die Straßenbahn
    Wenn der Blinde oder Sehbehinderte sich in diesem Umfeld sicher bewegt, wenn er problemlos das Haus verlassen kann und problemlos wieder die eigene Wohnung findet, kommen die nächsten Schritte.
    "Dass man dann anfängt mit Öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, immer erst gemeinsam mit dem Trainer. Man muss natürlich zwischen den Trainingsstunden auch trainieren, weil, sonst kommt man nicht sehr viel weiter."
    Übung macht auch hier den Meister, aber bitte immer dran denken, sagt Marisa Sommer: Niemals ohne Absprache mit dem Mobilitätstrainer loslaufen! Die Risiken sind einfach zu hoch! Überhaupt müsse man immer mit Überraschungen rechnen: plötzlich tauchen Hindernisse auf, wo gestern keine waren, und zu glauben, die Kommunen würden flächendeckend akustische Blindenampeln installieren, ist ein Trugschluss,
    "Und dann muss man sich in den Verkehr einhören, auch das lernt man im Mobilitäts- und Orientierungstraining, und das ist manchmal sehr schwierig. Da ist es laut, da ist eine Baustelle, die in der Nähe ist, das geht schon nicht mehr. Da muss man Menschen, die um einen herumstehen, die man hört, bitten, einem zu helfen, und auch da sollte man sich nicht schämen, sondern um Hilfe bitten, wenn man sie braucht."
    Vor allem Sehbehinderte, so Marisa Sommer, sollten in einer solchen Situation immer auch sagen, dass sie Probleme mit den Augen haben. Sonst hören sie solche Bemerkungen, ...
    "'Wie, Sie sehen das nicht?' oder 'lassen Sie sich mal ne neue Brille machen!'".