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Leben mit der Braunkohle

In der brandenburgischen Niederlausitz, an der Grenze zu Polen steht das zweitgrößte Braunkohlekraftwerk Deutschlands. In der Region soll aber noch ein weiterer Tagebau entstehen. Mit CCS-Technologie will man ihn salonfähig machen; mit dem Verpressen des anfallenden Kohlendioxids in unterirdische Lager also.

Von Jens Falkowski | 03.06.2011
    Romantisch schlängelt sich der kleine Grenzfluss Neiße durch die Niederlausitz im Osten von Brandenburg. An ihr, aufgereiht wie an einer Perlenschnur, Orte wie Groß Gastrose. Doch hier könnte es bald mit der Idylle vorbei sein, denn der Energieversorger Vattenfall möchte den neuen Braunkohletagebau Jänschwalde-Nord in die Landschaft graben. Der Ort bliebe zwar erhalten, doch auf die Einwohner sieht Andreas Stahlberg, zuständig für bergbaubedingte Sonderaufgaben der Gemeinde, extreme Belastungen zukommen.

    "Es gibt Planungen in diesem Schlauch, der an der schmalsten Stelle noch nicht einmal einen Kilometer breit ist, eine Bundesstraße mit 15.000 Fahrzeugen pro Tag durchzulegen, eine Bahnstrecke und eine 110 KV-Leitung. Dass heißt, auch an diesen randbetroffenen Orten könnte man nicht leben."

    Sollte der Tagebau kommen, verliert die Gemeinde Schenkendöbern drei Ortsteile. Die Orte Groß Gastrose und Taubendorf würden dann auf einem schmalen Schlauch zwischen Neisse und dem Tagebau liegen. Für Andreas Stahlberg ist das Dorf Groß Gastrose für die Kultur in der Region wichtig.

    "Sie haben ein Partnerdorf Markosice, und es findet eigentlich sehr reger Austausch statt, die Leute feiern zusammen. Da ist die Grenze wirklich zusammengewachsen. Ich kenne an der deutsch-polnischen Grenze auch kein Dorf, was so mit seinem Partnerdorf auf polnischer Seite zusammenarbeitet."

    Andreas Stahlberg befürchtet dann auch das Ende der Schule im Ort, der dann die Schüler fehlen würden, da vor allem junge Leute die Region verlassen würden. Aber auch von polnischer Seite soll ein Tagebau kommen. So würde ein ähnlicher Streifen auf der Ostseite der Neisse entstehen. Auf polnischer Seite hat Dorota Schewior eine Bürgerinitiative gegründet. Sie ist sich zwar sicher, dass sie den Tagebau verhindern kann, denn bei einem Referendum haben die Menschen gegen den Tagebau gestimmt, dennoch ist der Druck aus der Wirtschaft groß. Deshalb sucht Dorota Schewior den Kontakt zu deutschen Initiativen.

    "Ab diesem Jahr werden wir mehr machen. Ich habe Kontakte zur Bürgerinitiative Thomas Borchard. Wir telefonieren oft zusammen, um uns Informationen zu geben, was gibt es auf polnischer und deutscher Seite. Ab jetzt wollen wir stärker und größer zusammenarbeiten."

    Dorota Schewior betreibt in Polen einen Spargel- und Himbeerhof. 90 Prozent ihrer Kunden kommen aus Deutschland. Mit ihnen kommt sie schnell ins Gespräch über die Braunkohle. Bereits heute ist sie den Folgen des bestehenden Tagebaus ausgesetzt.

    "Ich auf meinem Hof heute, wenn großer Wind oder Sturm ist, es gibt keinen Regen, es kommt Staub So ein großer Staub, dass man zehn Meter weiter nichts sieht. Und das kommt alles aus der Grube. Jetzt merken wir das."

    Auf der deutschen Seite wird bereits festgelegt, welche Untersuchungen für den neuen Tagebau notwendig sind. In dem Gebiet liegen FFH-Flächen, also Schutzzonen für die Natur. Außerdem muss auch das Hochwasser der Neisse berücksichtigt werden. Die Gemeinde Schenkendöbern hat bereits ihre Fragen in das Verfahren eingebracht. So geht es ihr um größere Abstände zu den Orten Taubendorf und Groß Gastrose, um die Staubbelastung bis hin zur möglichen Grundwasserabsenkung. Unterstützung erhalten die Bewohner jetzt vom Landesamt für Umwelt. Carsten Linke ist Referent für Energie, Klimaschutz und Klimawandel. Er sieht aus seiner fachlichen Sicht keine Notwendigkeit für einen neuen Tagebau.

    "Aus unserer Betrachtung heraus ist es nicht notwendig, das Kraftwerk Jänschwalde über 2020/25 hinaus überhaupt noch zu betreiben und schon gar nicht durch gleichgroße Leistung oder auch nur durch 1000 MW zu ersetzen. Der Bedarf an Grundlast ist in Ostdeutschland mehr als gedeckt. Wir brauchen Regelenergiekraftwerke, dass heißt flinke Gaskraftwerke, und vor allem brauchen wir Platz im Übertragungsnetz für die erneuerbaren Energien. Denn das können wir uns im Prinzip nicht leisten, dass die immer wieder vom Netz verdrängt werden, letztendlich nur, weil wir Grundlast nach Polen oder in andere Regionen Deutschlands schieben."

    Das Verfahren für die Genehmigung des Tagebaus steht noch am Anfang. Ob der Tagebau kommen wird, hängt vom politischen Willen der Landesregierung in Brandenburg ab. Diese hat sich bisher für Braunkohle und die CCS-Technologie stark gemacht, nur fehlen dafür in Brandenburg ausreichend geeignete Flächen.