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Lebende Fossilien
Königsfarne haben sich über 180 Millionen Jahre hinweg kaum verändert

Paläontologie. - In den 1960er-Jahren fand ein Bauer im südschwedischen Korsaröd ein Fossil: etwas, das wie eine schmale Farnwurzel aussah, aber irgendwie seltsam. Deshalb sandte er es an das Naturkunde-Museum in Stockholm in der Hoffnung, mehr darüber zu erfahren. Erst jetzt wurde jedoch klar, wie ungewöhnlich das Fossil ist.

Von Dagmar Röhrlich | 21.03.2014
    Auf den ersten Blick sieht das Fossil nach nichts Besonderem aus, wie ein Stück einer Farnwurzel aus dem Garten. Was da 40 Jahre im Museumsarchiv geschlummert hat, zeigt sich erst unter dem Mikroskop:
    "Der Erhaltungszustand war wirklich bemerkenswert. Wir untersuchten das Fossil dann nach allen Regeln der Kunst und fanden heraus, dass nicht nur die Zellwände sehr gut erhalten waren, sondern auch Zellkerne und Zellorganellen. Besser noch: Einige der Zellen teilten sich gerade, und in ihnen erkennen wir sogar die einzelnen Chromosomen."
    Den Datierungen zufolge ist es lange her, dass diese Zellen mit der Teilung beschäftigt waren - nämlich 180 Millionen Jahre, erklärt Stephen McLoughlin vom schwedischen Naturkunde-Museum in Stockholm. Unterbrochen wurden die Zellen bei dieser Tätigkeit durch einen Vulkanausbruch: Der löste einen Lahar aus, eine vulkanische Schlammlawine, die sich den Hang hinab und über den Farn hinweg wälzte:
    "Anscheinend ist das Rhizom des Farns dabei herausgerissen und begraben worden. Kurz darauf schossen zwischen 70 und 120 Grad Celsius heiße, mit Mineralen beladene vulkanische Wässer hindurch. Beim Kontakt mit den Pflanzen kristallisierte Kalzit aus, der den Inhalt der Zellen bis ins feinste Detail festhielt."
    Diese Art der Erhaltung an sich sei schon sehr selten, erklärt Benjamin Bomfleur vom schwedischen Naturkunde-Museum. Zusätzlich noch müsse die Fossilisierung ungewöhnlich schnell abgelaufen sein:
    "Einige Stadien dieser Zellteilungsprozesse dauern in heute lebenden Pflanzen 15 bis 20 Minuten. Innerhalb dieser Spanne müssen also die Prozesse im Zellinneren fixiert worden sein."
    So Stephen McLoughlin. Bislang sind Berichte darüber, dass feine Zellstrukturen fossil überliefert worden sind, immer in Zweifel gezogen worden. Aber dieser Fund ist einmalig schon allein, weil in so vielen Zellen Kerne und Chromosomen noch zu erkennen sind.
    McLoughlin: "Wir können dieses Fossil recht gut einordnen: Es gehört zu den immer noch weit verbreiteten Königsfarnen. Es gibt winzige Unterschiede zwischen dem fossilen und modernen Farnen, so dass wir es als eine neue Art einstufen."
    Dass fossile und heutige Königsfarne sich äußerlich ähneln, war schon länger bekannt. Dank der Zellkerne können die Paläontologen nun jedoch die Vergleiche sehr viel weiter treiben, erklärt Benjamin Bomfleur:
    "Wenn wir die feinen Zellstrukturen dieses 180 Millionen Jahre alten Fossils mit denen heute lebender Königsfarne vergleichen, sind sie eigentlich identisch."
    So sind die Zellkerne des fossilen Königsfarns genauso groß wie die eines modernen. Und weil die Größe des Zellkerns auch davon abhängt, wieviel DNA sozusagen hinein gepackt wird, hat sich anscheinend die Größe des Genoms nicht wirklich verändert:
    "They are true living fossils."
    Die Königsfarne seien echte lebende Fossilien, urteilt Stephen McLoughlin. Und das ist tatsächlich äußerst ungewöhnlich: dieser kaum wahrnehmbare evolutionäre Wandel über 180 Millionen Jahre hinweg.