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Lebenslanges Lernen
Arbeitnehmer wünschen sich mehr Zeit für Weiterbildung

Lebenslanges Lernen gilt in der Ausbildungs- und Berufswelt längst als gesetzt. Laut einer Studie der Vodafone-Stiftung beklagen allerdings viele Arbeitnehmer mangelnde Freiräume und wenig Unterstützung durch den Arbeitgeber. Die Studie plädiert deswegen für einen Paradigmenwechsel: Unternehmen sollen verstärkt auf persönliche Lernpräferenzen eingehen.

Von Daniela Siebert | 18.10.2016
    Menschen sitzen in Duisburg in einem Mikroskopierkurs, schauen in die Mikroskope, ein Lehrer hilft.
    Bei viele Arbeitnehmern ist lebenslanges Lernen in den Köpfen als Wunsch und Notwendigkeit fest verankert. (imago/Olaf Döring)
    Das Studienergebnis ist in einer Hinsicht eindeutig: lebenslanges Lernen ist in den Köpfen als Wunsch und Notwendigkeit fest verankert. Studienleiterin Professorin Nele Graf.
    "98 Prozent der Teilnehmer ist klar dass sie neue Sachen lernen müssen. Also lebenslanges Lernen ist für die meisten nicht nur ein Schlagwort, sondern sie haben es auch verstanden."
    Arbeitnehmer wünschen sich mehr Unterstützung
    Allerdings fühlen sich die allermeisten Beschäftigten beim lebenslangen Lernen von ihren Unternehmen dabei nicht ausreichend unterstützt. Nur 8 Prozent bescheinigten den Firmen eine gute oder sehr gute Lernkultur. Was den anderen fehlte:
    "Zeit ist ein Riesenthema, Zeit frei zu schaufeln auch durch die Führungskraft, es fehlt massiv an Begleitung, ein Großteil der Mitarbeiter hat gesagt: ich brauche so ein bisschen Druck von meiner Führungskraft oder von außen, das heißt "So jetzt setz dich mal hin und jetzt hat lernen Priorität", aber auch ein Interesse einfach von Führungskräften, was lernst Du denn gerade, wie kann ich dich unterstützen, dass wir das mal im Alltag ausprobieren."
    Individuelle Interessen beachten
    Die Studie plädiert für einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel, wie man an das Thema lebenslanges Lernen herangehen sollte. Bislang werde vor allem das Wie diskutiert, kritisiert Nele Graf. Über die Zukunft von e-learning beispielsweise oder auch "gamification" also das einbetten von Lerninhalten in Spiele. Viel wichtiger sei, so die Professorin für Personal und Organisation, auf die persönlichen Lernpräferenzen der einzelnen Person einzugehen. Da gebe es drei grundlegend verschiedene Herangehensweisen. Die "Aktivisten", die am liebsten Dinge in die Hand nehmen, experimentieren und Erfahrungen machen. Die "Beobachter", die gerne zusehen und sich erst mal zurückhalten. Und die "Nachdenker", die neue Dinge zunächst analytisch und logisch im Kopf erfassen wollen. Das bedeute auch Weiterbildungsangebote darauf abzustimmen. Ein BWL-Beispiel:
    "Ich kann mich erst mal theoretisch den ganzen Modellen widmen oder ich kann anhand einer Fallstudie sehr praxisnah mich da rannähern und erst darüber dann die Modelle lernen, ich kann auch in solchen Kontexten versuchen, eher aktivistisch zu lernen oder theoretisch."
    Die "Nachdenker" seien in so einem Fall über Fachliteratur vorab glücklich, die anderen Lerntypen nicht.
    Joachim Schledt hat in seinem Leben schon viel gelernt: als Diplom-Pädagoge und später als Coach. Seinen persönlichen Lernstil beschreibt der Personalvorstand der Biohandelskette "alnatura" so:
    "Das selber erleben, das selber tun, das ist genau mein Lerntyp. Das ist auch Teil unseres Konzepts, sogenannten Filial-Praktikum für alle die eigentlich nur auf dem Stuhl sitzen und sich was ausdenken und das Härteste war für mich das Kassieren. Weil ich zur Perfektion neige, das hat mir die Filialleiterin auch vorgeworfen, ich würde sie zu häufig anklingeln, damit sie dann kommt und mir hilft, weil ich mich vertippt habe, ich müsste mal ein bisschen lockerer sein, aber ich glaube das waren die härtesten vier Stunden bei alnatura, die ich hatte."
    Viele Angebote, wenig Teilnehmer
    10.000 Mitarbeiter aus Unternehmen in der gesamten Republik wurden für die Studie mit dem hübschen Titel "Gebrauchsanleitung für lebenslanges Lernen" online befragt. Darunter zirka 100 Alnatura-Mitarbeiter. Das Ergebnis hat Schledt überrascht, das Angebot seiner Firma zum Lernen wurde zwar gelobt aber nur wenig wahrgenommen. Die Gründe?:
    "Ich weiß es noch nicht. Eine These, die ich habe ist: wir sind schon ein sehr leistungsorientiertes Unternehmen und dass die Mitarbeiter eher Hemmungen haben, das Angebot wahrzunehmen, weil jede Stunde, die sie im Seminar oder auf dem Bio-Bauernhof verbringen, fehlen sie den Kolleginnen und Kollegen vor Ort."
    Auch bei der Vodafone-Stiftung, die die Studie finanziert hat, gab es Aha-Momente. Geschäftsführer Mark Speich:
    "Also dass man in der Tat, wenn man Lernangebote konzipiert, didaktisch diese Lerntypen mit im Blick haben muss, das ist ehrlich gesagt etwas, wenn man offen ist bislang nicht der Fall war."
    Auf Rund 60 Seiten sortiert die "Gebrauchsanleitung für lebenslanges Lernen" ihre Erkenntnisse. Mundgerecht gestückelt für Lerner, Führungskräfte und Personalentwickler.
    Bei der Lektüre werden jetzt erst mal die "Nachdenker" gefragt sein.