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Lebensmittel-Kennzeichnungen
Posse um die Pasta

Milch, Nudeln, Reis und Tomaten - auf diesen Lebensmitteln muss in Italien seit kurzem eine Herkunftsbezeichnung stehen. Was Verbraucher und Bauern freut, löst vor allem bei den Lebensmittel-Herstellern Widerstand aus. Die haben sich nun bei der EU-Kommission beschwert.

Von Kirstin Hausen | 03.01.2018
    Teigwaren, Maccheronicini
    Die Mehrheit der italienischen Bevölkerung will wissen, was in den Lebensmitteln steckt, die im Supermarkt verkauft werden und woher sie stammen. (imago/blickwinkel/McPhoto)
    Italiens Supermärkte sind auch nach den Festtagen gut besucht. Olga Crivella kauft seit 20 Jahren im Ipermercato vor den Toren Mailands ein. An der Kühltheke mit abgepackten Fleisch- und Wurstwaren verweilt sie am längsten. Putengeschnetzeltes aus Österreich - legt sie in das Regal zurück. Rinderfilet aus Frankreich, nein danke. Nach längerem Suchen entscheidet sie sich für 200 Gramm Kalbfleisch aus der italienischen Region Piemont: "Ich schaue aufs Etikett, seit ein, zwei Jahren achte ich sehr darauf, woher die Produkte stammen, die ich kaufe. Das ist mir wichtig, zu wissen. All diese Krankheiten und Allergien, die sich verbreiten, haben mit unserer Ernährung zu tun."
    Die Italiener wollen wissen, was in Lebensmitteln drin ist
    Das Essen hat in Italien traditionell einen hohen Stellenwert. Bewusste Ernährung, achtsamer Konsum - das sind hier keine Modeerscheinungen, sondern fast schon Selbstverständlichkeiten. Und die Mehrheit der italienischen Bevölkerung will wissen, was in den Lebensmitteln steckt, die im Supermarkt verkauft werden und woher sie stammen.
    Deswegen hat der Landwirtschaftsminister Maurizio Martina durchgesetzt, dass auf Molkereiprodukten, Pasta, Reis und Tomatenkonserven das Herkunftsland der verarbeiteten Nahrungsmittel stehen muss. Er spricht von Verbraucherschutz, die Bürger freut es.
    Als bekannt wurde, dass Dosentomaten italienischer Hersteller teilweise mit Tomaten aus China gestreckt wurden, war die Empörung groß, erinnert sich Arturo Pasquetti, der gerade vor der Käse-Theke steht. Seine Frau habe den eigenen Vorrat kurzerhand weggeworfen und wieder selbst Tomaten eingekocht.
    Pasta-Weizen wird mit Glyphosat behandelt
    "Heutzutage muss man Produkte aus dem Ausland akzeptieren, aber nur, wenn sie nach denselben den strengen Richtlinien produziert werden, wie wir sie in Italien haben."
    Das sieht Brüssel anders. So darf Hartweizen aus den USA und Kanada, der mit dem umstrittenen Pflanzenschutzmittel Glyphosat behandelt wurde, importiert und zu italienischen Nudeln verarbeitet werden. Ohne die Zugabe des ausländischen Hartweizens, werde die Pasta gar nicht "al dente", argumentieren die großen Nudelhersteller des Landes.
    Dem wiedersprechen die italienischen Bauern. Der ausländische Weizen sei einfach nur billiger, erklärt Landwirte-Verband Coldiretti. Der Erlös für 100 Kilo heimischen Hartweizen ist in den letzten Jahren um fast die Hälfte gefallen und liegt bei unter 19 Euro. Schuld daran sei der Importweizen, klagt dieser Landwirt aus Apulien, der seinen Betrieb bereits in dritter Generation führt - und um seine wirtschaftliche Zukunft bangt: "Wir sind Teil der italienischen Identität. Jeder Italiener hat einen Vater oder Großvater, der Landwirt war."
    Bauern sind zufrieden, die Industrie leistet Widerstand
    Der Kampf ums Etikett ist für Italiens Bauern deshalb auch ein Kampf um nationale Werte. Sie sind mit der Kennzeichnungspflicht hochzufrieden, weil die Verbraucher informiert werden und wählen könnten. Die industriellen Pasta Hersteller laufen weiterhin Sturm. Sie sprechen von Diskriminierung und haben über ihren europäischen Dachverband Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt. Begründung: Durch nationale Alleingänge bei der Lebensmittel-Kennzeichnung werde der europäische Binnenmarkt geschwächt.
    Fakt ist: So wie in der Modebranche auch, gilt "Made in Italy" bei den Konsumenten als Qualitätsgarantie. Und damit kann Italien nicht nur im eigenen Land, sondern auch auf dem Weltmarkt punkten. Italiens Lebensmittel-Export stieg 2016 auf 38 Milliarden Euro. Supermarktkundin Olga Crivella kann das nachvollziehen. Sie ist stolz auf die hochwertigen Nahrungsmittel, die in Italien produziert werden: "Jede Nation hat ihr Aushängeschild. Bei uns ist es das Essen. Aber wenn es nur noch um Profit geht, dann bleiben wir auf der Strecke."