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Lebensversicherung
Allianz setzt auf mehr Ertrag - ohne Garantie

Das Finanzministerium will den Garantiezins für Lebensversicherungen weiter senken. Große Konzerne wie die Allianz dürfte das wenig interessieren – sie steuern längt um. Das Risiko für mehr Ertrag wird an die Kunden abgegeben. Bei neuen Lebensversicherungen verspricht der Versicherungskonzern zwar höhere Erträge - aber er garantiert sie nicht mehr.

Von Michael Watzke | 04.05.2016
    Zu sehen ist ein Finger, der auf einen Brief der Allianz zeigt.
    Laut einer Unternehmenssprecherin greifen neun von zehn Allianz-Kunden in der privaten Altersvorsorge inzwischen zu neuen Produkten ohne Garantiezins. (picture-alliance / dpa / Romain Fellens)
    Frage an die Aktionäre vor der Allianz-Hauptversammlung: Würden Sie heute noch eine Lebensversicherung abschließen?
    "Nein, weil ich nicht das Gefühl habe, dass man noch etwas dafür kriegt. Und ich glaube, es gibt andere Möglichkeiten." – "Ich hab' keine!" – "Nein, auf gar keinen Fall. Weil ich anderswo eine höhere Rendite erzielen kann. Und ich halte diese Kombi-Produkte, wo man zwei verschiedene Ziele miteinander kombiniert, einzig und allein für eine Verbindung, die den Banken helfen soll und sonst niemandem – und deswegen würde ich sowas nicht abschließen."
    Dass die Deutschen so lebensversicherungsmüde geworden sind, ist eines der größten Probleme für Oliver Bäte, den neuen Vorstandsvorsitzenden der Allianz. Der musste heute bei seiner ersten Rede vor den Aktionären mitteilen: "Im Bereich der Lebens-, Krankenversicherung gingen die Beitragseinnahmen um knapp 0,6 Prozent auf 66,9 Milliarden Euro zurück."
    Der Rückgang wäre wohl noch deutlich größer, wenn man nur die Lebens- ohne die Krankenversicherungen betrachtete. Was die Allianz nach außen wohlweislich nicht tut. Konzern-Chef Bäte kämpft mit neuen Produkten und aller Macht gegen den Trend:
    "Denn wir haben die Lebensversicherung komplett umgesteuert. Wir versuchen, von traditionellen Lebensversicherungsprodukten in kapitaleffiziente Produkte umzusteuern – die sowohl besser für unsere Kunden, als auch besser für unsere Aktionäre sind."
    Mehr Ertrag – und mehr Risiko für Kunden
    Bei neuen Lebensversicherungen verspricht der Versicherungskonzern zwar höhere Erträge, aber er garantiert sie nicht mehr. Denn die Kosten für Garantien sind sehr hoch und schmälern die Rendite für die Kunden erheblich. Laut einer Unternehmenssprecherin greifen neun von zehn Allianz-Kunden in der privaten Altersvorsorge inzwischen zu neuen Produkten ohne Garantiezins.
    Was die Allianz nicht verrät: Wie viele Neukunden sie überhaupt noch hat. Die Bilanzzahlen weisen auf einen starken Rückgang hin. Zudem sinken die Gewinn-Margen im Neugeschäft – von 2,6 auf 2,1 Prozent. Grund: "Negative Zinsen. Sprich: Sie müssen die Regierung dafür bezahlen, dass Sie denen Geld geben." Etwa bei Bundesanleihen mit acht Jahren Laufzeit. Mit solchen Papieren hat die Allianz früher einen Gutteil ihrer Gewinne erwirtschaftet.
    65 Prozent der Erträge des Konzerns stammen aus Kapitalanlagen, rechnet Allianz-Chef Bäte vor: "Das zieht einen brutalen Druck auf unsere Erträge und unsere Kosten nach sich." Diesen brutalen Druck sollen die Aktionäre nicht spüren. Bäte schlägt eine Dividende von 7,30 Euro vor – ein Plus von 45 Cent.
    Kritische Aktionäre klagen über fragwürdige Investments
    Der Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre klagt, die Allianz erreiche ihre wirtschaftlichen Ziele nur noch durch ethisch fragwürdige Investments – etwa in Atomwaffenhersteller oder umweltschädliche Staudamm- und Minenprojekte im Amazonas. Auf der Hauptversammlung hat die Vereinigung den Antrag gestellt, den Vorstand nicht zu entlasten.
    Allianz-Chef Bäte ging in seiner Rede darauf nicht konkret ein, sondern sprach lediglich davon, die Allianz stehe für "Integrität. Glaube Sie's mir, wir alle im Unternehmen arbeiten jeden Tag daran, unsere Marke und unsere Reputation sauber zu halten." Kein leichtes Unterfangen – zwischen Zinstief, Kostendruck und Ertragsmisere.
    Im ersten Quartal 2016 spürt die Allianz den Gegenwind. Der Umsatz ging um 6,4 Prozent auf 35,4 Milliarden zurück. Das operative Ergebnis sank um 3,5 Prozent auf 2,8 Milliarden. Und die Allianz-Tochter Pimco, einer der größten Asset-Verwalter der Welt, kämpft noch immer gegen erhebliche Nettomittel-Abflüsse. Oder kurz: Kapitalflucht.
    "Im Bereich Asset-Management ging das Anlagevolumen um 2,1 Prozent auf 1,763 Milliarden … 'Tschuldigung: 1.763 – manchmal sind die Zahlen fast zu groß." Das kann man wohl sagen: Es handelt sich nämlich um Anlagen in Höhe von 1,7 Billionen Euro.